Wie wird neues Bildmaterial des supermassereichen Schwarzen Lochs in der Mitte unserer Galaxie aussehen? Hier eine künstlerische Darstellung des Schwarzen Lochs Sagittarius A* (gesprochen: "A Stern"): Verdeutlicht wird, dass sich die Farbe eines vorbeiziehenden Sterns durch die starke Gravitationswirkung leicht ins Rötliche verschiebt – eine Bestätigung von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie.
Bild: Eso / M. Kornmesser

Eine bedeutungsschwangere Ankündigung sorgt derzeit nicht nur unter Astronominnen und Astronomen für Spannung: Am Donnerstag richten die Europäische Südsternwarte Eso und das "Event Horizon Telescope"-Projekt (EHT) eine Pressekonferenz aus, auf der "bahnbrechende Ergebnisse" zur Milchstraße verkündet werden. Der heißeste Tipp aus der Community, der sich mittlerweile bestätigt hat: Endlich könnte es sich dabei um Bildmaterial aus dem Zentrum unserer eigenen Galaxie handeln, wo sich allem Anschein nach ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet. Immerhin präsentierte das Team des EHT vor rund drei Jahren bei einer ähnlichen Ankündigung das erste hochaufgelöste Abbild eines Schwarzen Lochs überhaupt.

Wie der Name "Event Horizon Telescope" schon vermuten lässt, geht es bei dem Projekt darum, den Ereignishorizont Schwarzer Löcher darzustellen. Das ist die Grenze, an der es um alles oder nichts geht: Was diesen Horizont überschreitet, kann nie mehr zurück und ist für alles diesseits des Ereignishorizonts wie verschluckt.

Entstehung eines phänomenalen Abbilds

Diese Grenze zu einem Schwarzen Loch darzustellen ist alles andere als einfach. Unter anderem benötigt es dafür ein Teleskop, das in etwa so groß ist wie die Erde. Dieses Unterfangen ging das Team des EHT 2017 gemeinsam an: Als Verbund von Radioteleskopen in verschiedenen Zonen des Globus richteten die Forschungsteams unter optimalen Bedingungen in einem mehrere Tage und Nächte andauernden Kraftakt die Messinstrumente so aus, dass sie gleichzeitig die Signale des Schwarzen Lochs in der Riesengalaxie Messier 87 (M87) aufzeichneten.

Die Karte zeigt die Verteilung aller für die Berechnung genutzten und später hinzugekommenen Teleskope des EHT-Projekts.

Die ungeheuren Datenmengen wurden auf etlichen Festplatten gesichert und gesammelt. Auf der Grundlage der miteinander verknüpften Teleskopdaten gelang es, jenes Bild zu berechnen und mithilfe von Algorithmen zu simulieren, das um die Welt ging: der Schatten des supermassereichen Schwarzen Lochs M87*. Genau genommen ist es die Strahlung der Materie um das Schwarze Loch herum, die ankommt und visualisiert wird, wie auch die folgende Animation veranschaulicht: Lichtstrahlen "wandern" durch den gekrümmten Raum um das Schwarze Loch.

Von der Jungfrau zum Schützen

Nun könnte sich der Fokus vom Sternbild Jungfrau, in dem Messier 87* zu finden ist, in Richtung Sternbild Schütze richten. Dort befindet sich das Zentrum unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße: Sagittarius A*, kurz Sgr A*. Der Physiknobelpreis 2020 wurde unter anderem für die Erkenntnis verliehen, dass es sich dabei um ein supermassereiches, äußerst kompaktes Objekt handelt, das nach derzeitigem Kenntnisstand nur ein Schwarzes Loch sein kann.

Reinhard Genzel, einer der Ausgezeichneten und Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik, wirkte auch bei einer Veröffentlichung vor wenigen Monaten mit, als das bisher schärfste Bild der Gegend um Sagittarius A* gezeigt wurde.

European Southern Observatory (ESO)

Während das "Event Horizon Telescope"-Projekt die Daten für M87* sammelte, stellte es auch Sgr A* unter Beobachtung. Die Galaxie Messier 87 ist mit 55 Millionen Lichtjahren enorm weit von der Milchstraße entfernt, im Gegensatz zu Sagittarius A*, von dem uns "nur" 27.000 Lichtjahre Reisedistanz trennen. Dafür ist Letzteres aber auch beschaulicher: Es hat etwa die viermillionenfache Masse unserer Sonne, M87* wartet mit mehr als sechs Milliarden (!) Sonnenmassen auf.

Videos von Schwarzen Löchern

Dies ist auch der Grund, warum sich das EHT-Team diese beiden Schwarzen Löcher ausgesucht hat: Sie können beide ganz gut erfasst werden – das eine durch seine Nähe zur Erde, das andere durch seine schiere Masse. Dies legte der Physiker Markus Pössel vom Max-Planck-Institut für Astronomie kürzlich in einem Gastbeitrag auf Spektrum.de kenntnisreich dar.

Doch die Analyse von Sagittarius A* gestaltete sich für das EHT-Team herausfordernder als gedacht. Der Unterschied könnte laut Pössel darin bestehen, dass verschiedene Zeitskalen notwendig sind, um die Ereignisse rund um die Schwarzen Löcher festzuhalten. Durch die nächtelangen Beobachtungen sei nicht nur ein einzelnes Bild, sondern eine Bildabfolge registriert worden.

Zuletzt ergänzte das Team des Event Horizon Telescope die 2019 veröffentlichte Darstellung des Schwarzen Lochs im Zentrum der Messier-87-Galaxie im Jahr 2021: Hier ist eine Simulation des Schattens von M87* (sprich: "M 87 Stern") in polarisiertem Licht zu sehen.
Bild: EPA / EHT Collaboration

Vereinfacht ausgedrückt spielen sich die Veränderungen bei Sgr A* im Bereich von 40 Sekunden und mehr ab. Bei M87* sind es hingegen mindestens acht Stunden. "Wenn sich das, was dem Bild zugrunde liegt, auf kurzen Zeitskalen verändert, ist die Rekonstruktion noch deutlich schwieriger, als wenn das zugrunde liegende Signal einigermaßen stabil bleibt", schreibt der Physiker. Daher vermutet er, dass das Team nach der Bewältigung dieser Hürden sogar ein paar Schritte weiter sein und ein Video von Sagittarius A* präsentieren könnte. Falls es sich diese Woche aber zunächst um neue, bahnbrechende Bilder "unseres" zentralen Schwarzen Lochs handelt, dürften entsprechende Videos in den nächsten Jahren auf dem Plan des EHT-Projekts stehen.

"Sehen heißt glauben"

Dass Schwarze Löcher, die zu den mysteriösesten und eigenartigsten Objekten im Kosmos gehören, überhaupt bildlich eingefangen wurden, war eine wissenschaftliche Sensation. Umso größer ist nun die Vorfreude, welche Neuigkeiten bei der Eso-Veranstaltung publik werden. Auch wenn dies selbstverständlich nichts mit Esoterik zu tun hat: Die Vorgänge rund um unvorstellbar weit entfernte Schwarze Löcher, die im Verhältnis zu ihrer Größe extrem massereich sind und andere Massen anziehen wie ein beunruhigender Allstaubsauger, erscheinen äußerst abstrakt. Um das schwer Vorstellbare, ja, sogar das Unsichtbare sichtbar zu machen, sind Bilder so wertvoll für Wissenschaft und deren Vermittlung.

"Sehen heißt glauben", betont auch der deutsche Radioastronom Heino Falcke von der Universität Nijmegen in den Niederlanden. "Das ist die zuverlässigste und stärkste Sinneswahrnehmung, die wir haben." Daher engagierte er sich für das Event Horizon Telescope, um die Entwicklung solcher Bilder zu forcieren.

Bevor das "Foto" von M87* veröffentlicht wurde, stand für Falcke auf kognitiver Ebene bereits fest, dass es in der Mitte dieser Galaxie ein supermassereiches Schwarzes Loch gibt, wie er in der Netflix-Dokumentation "Schwarze Löcher: Die Grenzen unseres Wissens" erklärte. "Und trotzdem will ich dieses verdammte Bild sehen", sagte er damals. Nicht nur er dürfte aktuell ungeduldig darauf warten, welche "verdammten Bilder" – oder Videos – am Donnerstag mit der Welt geteilt werden. (Julia Sica, 11.5.2022)

Wer bereits den Livestream im Blick behalten will: Hier wird am Donnerstag, 12. Mai, um 15 Uhr die Eso-Pressekonferenz übertragen.
European Southern Observatory (ESO)