Anton Zeilinger ist seit 2013 ÖAW-Präsident.

APA/ÖAW/DANIEL HINTERRAMSKOGLER

Von Quantenexperimenten an die Spitze einer Gelehrtengesellschaft: Diesen Schritt unternahm Österreichs bekanntester Physiker Anton Zeilinger im Jahr 2013. Zwei Perioden lang war Zeilinger Präsident der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), im Juli übergibt er an den früheren Wissenschaftsminister Heinz Faßmann.

Zu den für die Öffentlichkeit augenscheinlichsten Erfolgen von Zeilingers Amtszeit zählt der neue Campus der Akademie: Mit 34,5 Millionen Euro wurde das Areal zwischen Sonnenfelsgasse und Bäckerstraße/Postgasse bis zur ehemaligen Postsparkasse modernisiert – diese Woche wird es offiziell vorgestellt. Anlässlich des 175-Jahr-Jubiläums der Gründung der Akademie findet in den kommenden Wochen eine Reihe von Veranstaltungen auf dem neuen Campus statt.

Zeilinger kann in seiner Bilanz auch ein Budgetplus für die Grundlagenforschung verbuchen. In der aktuell laufenden Leistungsvereinbarungsperiode für die Jahre 2021 bis 2023 stehen der Akademie 428,5 Millionen Euro zur Verfügung, das entspricht einer Steigerung von 61 Millionen gegenüber der vorangegangenen Periode. Auch beim Frauenanteil konnte die Akademie zulegen – wenngleich auf niedrigem Niveau: Bei den Mitgliedern liegt der Frauenanteil aktuell bei 21 Prozent, 2013 waren es elf Prozent. Eine Vervielfachung des Frauenanteils konnte bei den Institutsdirektorinnen erreicht werden: Während zu Zeilingers Amtsantritt nur drei Prozent weiblich waren, sind es nun 24 Prozent.

STANDARD: Sie sind seit neun Jahren Präsident der Akademie der Wissenschaften. Was waren für Sie die wichtigsten Erfolge?

Zeilinger: Es ist enorm viel geschehen in dieser Zeit, sodass sich das schwer kurz sagen lässt. Diese Woche wird der neue Campus eröffnet, was ein sehr wichtiges Projekt ist.

STANDARD: Was versprechen Sie sich vom neuen Campus der Akademie?

Zeilinger: Diese Ecke der Wiener Innenstadt war bisher recht verschlafen. Wir bringen da jetzt etwa 1.000 Wissenschafter hinein, darunter auch viele junge Leute. Das wird also sehr lebendig werden. Zum neuen Campus zählt auch die Hälfte der Postsparkasse, wo wir gemeinsam mit der Universität für angewandte Kunst interdisziplinäre Projekte umsetzen werden.

STANDARD: Auch in der Forschung wurden Erfolge erzielt. Auf welche Neuerungen sind Sie besonders stolz?

Zeilinger: Durch die Zusammenführung unserer archäologischen Institute ist ein neuer Wissens-Hub der Archäologie mit rund 180 Mitarbeitern entstanden. Unser neues Österreichisches Archäologisches Institut hat das Zeug, zu den weltbesten aufzusteigen – sowohl was die Kapazitäten wie auch was die beabsichtigte naturwissenschaftliche Orientierung angeht. Auch in der Erforschung von Antisemitismus hat sich viel getan: So haben wir etwa heuer 900.000 Euro für die Erforschung von Antisemitismus in der Gegenwart ausgeschrieben, die geförderten Projekte bilden den Nukleus für ein neues Zentrum für Antisemitismusforschung. Aktuell sind wir auch im Prozess, eine Thomas-Bernhard-Forschungsstelle einzurichten, um die Texte des am weitesten verbreiteten österreichischen Schriftstellers seit 1945 zu erforschen. Weiters haben wir 2019 die Studienstiftung gegründet, um Hochbegabte zu fördern – Maturanten und junge Studierende. Worauf ich ebenfalls ein bisschen stolz darauf bin, ist, dass wir bei allen Wahlen von Mitgliedern einen sehr hohen Frauenanteil erreicht haben. Auch bei den Institutsleitungen konnten wir sehr gute Berufungen mit einem hohen Frauenanteil erzielen. Ich denke, da haben wir einige Dinge in Bewegung gebracht.

STANDARD: Wenn Heinz Faßmann Ihnen im Juli als Präsident an der Akademie der Wissenschaften nachfolgt, wird Ihnen wohl wieder mehr Zeit für Ihre eigene Forschung bleiben. Welchen Projekten wollen Sie nachgehen?

Zeilinger: Ich werde mit meinem Team weiter zu Quantenkryptografie arbeiten. Auch wollen wir weitere Tests zur Quantenrealität machen. Mehr will ich dazu aber noch nicht verraten.

STANDARD: Auf Quantenforschung wurden in den vergangenen Jahren auf europäischer Ebene wie auch in Österreich starke Förderakzente gesetzt. Denken Sie, dass das ausreichen wird, damit Österreich die Vorreiterrolle, die – auch durch Ihre Beiträge – hierzulande aufgebaut wurde, mittelfristig halten kann?

Zeilinger: Wenn die Gelder so ausgegeben werden, dass sie wirklich Quantenforschung fördern und nicht Trittbrettfahrer, ist das eine Summe, mit der man gut arbeiten kann. Ich hoffe, die Mittel werden im Rahmen der Zuerkennung nicht ausgedünnt.

STANDARD: Umfragen wie das Eurobarometer haben zuletzt gezeigt, dass die Begeisterung für Wissenschaft in Österreich eher unterdurchschnittlich ausgeprägt ist. Woran liegt das, und was lässt sich dagegen tun?

Zeilinger: Ich habe mir die Eurobarometer-Umfrage genauer angesehen, und es ist nicht ganz so eindeutig, dass wir überall schlecht liegen. Was die Wissenschaft dabei tun kann, wird viel diskutiert, aber vieles davon machen wir bereits: Wir gehen in die Schulen, bieten Vorträge für die Allgemeinheit an, auch auf dem Land. Ein Problem, das ich sehe, ist, dass der Wissenschaftsjournalismus in Österreich abgenommen hat. Es gibt nur wenige Leute, die professionell Wissenschaftsjournalismus betreiben. Davon bräuchten wir mehr.


RENOVIERTER CAMPUS IM JUBILÄUMSJAHR

Der Arkadengang im Innenhof des Campus der Akademie der Wissenschaften wurde saniert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht – durch ihn können Besucherinnen und Besucher zur ebenfalls renovierten Bibliothek gelangen.
Foto: Daniel Hinterramskogler/ÖAW

Zum 175-jährigen Bestehen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist nun ihr renoviertes und erweitertes Areal im Wiener Stubenviertel bezugsfertig: Rund 30.000 Quadratmeter umfasst der neue Campus Akademie, mehr als 30 Millionen Euro haben die Sanierungsarbeiten gekostet. Mit der Fertigstellung stehen nicht nur rund 1.200 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern moderne Arbeitsplätze zur Verfügung, der neue Campus steht auch für die Öffentlichkeit offen und soll den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft forcieren.

Für den Chef der Bundesimmobiliengesellschaft Hans-Peter Weiss ist aus einem heterogenen Gebäudekomplex, der über viele Jahrhunderte gewachsen ist, mit dem neuen Campus ein durchdachtes Ensemble entstanden. Durch die Sanierung wird auch der bislang unzugängliche, etwa 170 Quadratmeter große Innenhof des ehemaligen Jesuitenkollegiums für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein weiteres Highlight stellt die sanierte Jesuitenbibliothek dar, die nun über einen 350 Quadratmeter großen Lesesaal mit Galerie verfügt.

Das Wiener Stubenviertel, in dem sich der Campus Akademie befindet, wird seit dem Spätmittelalter von universitärem Leben bestimmt: 1385 gründete Herzog Albrecht III. dort das Collegium ducale. Zuletzt ist das Areal eher brach gelegen, was sich durch die Eröffnung des neuen Campus samt Sanierung der ehemaligen Postsparkasse aber ändern dürfte. (Tanja Traxler, 11.5.2022)