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Heute gilt es bei vielen jungen Menschen als "langweilig" oder "uncool", wenn jemand mehrere Jahre bei derselben Firma arbeitet.

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In den späten 1990er-Jahren haben die damaligen Sparpakete der österreichischen Bundesregierung – die in der Regel über Nacht entschied, dass Stellen im öffentlichen Dienst nicht mehr besetzt werden durften – mich zweimal getroffen und verhindert, dass ich eine Stelle an einer Universität antreten konnte. Durch den damals noch nicht abgeleisteten Wehrdienst beim Bundesheer und durch eine Karenzvertretungsstelle – die aus Gleichbehandlungsgründen vom Aufnahmestopp ausgenommen waren – habe ich mich über die betreffenden zwei Jahre "gerettet". Damit sah mein Lebenslauf etwas anders als geplant aus, mit deutlich mehr kurzfristigen Beschäftigungen, als ich mir das gewünscht hatte. Es ist im Nachhinein ja alles gutgegangen, aber häufige Wechsel des Arbeitgebers fallen bei Personalverantwortlichen nach wie vor negativ auf, wie eine aktuelle Studie aus der Schweiz zeigt.

Diese Studie bezieht sich auf Personen, die erst relativ kurz – im konkreten Fall acht Jahre – im Berufsleben stehen. Es geht also um die ersten Jahre, denn in diesen Jahren schafft man normalerweise die Basis für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn. Viele Studierende sagen mir in Gesprächen, dass sie in diesen ersten Berufsjahren möglichst viele und diverse Erfahrungen sammeln wollen, um auf dem Arbeitsmarkt eine breite Erfahrung und Flexibilität zu signalisieren. Da ist sicher etwas dran, aber diese vermeintliche Flexibilität hat auch eine Schattenseite.

Bessere Chancen

Ein Forschungsteam um Christian Zehnder von der Universität Lausanne hat Bewerbungen fiktiver Personen für über 800 tatsächliche Stellenanzeigen in der Schweiz verschickt. Die fiktiven Personen waren alle 26 Jahre alt und seit acht Jahren berufstätig. Die Bewerberprofile unterschieden sich praktisch nicht im Hinblick auf die Ausbildung, die Fremdsprachenkenntnisse und die Herkunft sowie die Attraktivität des Fotos auf dem Lebenslauf.

Lediglich in einer Hinsicht kreierten die Studienautoren einen Unterschied. Eine Gruppe von fiktiven Personen hatte in den acht Jahren nach Schulabschluss bei vier Firmen gearbeitet und damit im Schnitt alle zwei Jahre die Arbeitsstelle gewechselt. Die andere Gruppe fiktiver Personen war alle acht Jahre bei derselben Firma angestellt gewesen. Im Laufe der acht Jahre hatten beide Gruppen vergleichbare Aufgaben und Verantwortlichkeiten übernommen, sodass sie sich im Hinblick auf die Berufserfahrung lediglich in der Anzahl der bisherigen Arbeitsstellen unterschieden.

Als erstes Ergebnis ihrer Studie konnten Zehnder und Koautoren feststellen, dass die Bewerber mit lediglich einer Arbeitsstelle – die also alle acht Jahre bei derselben Firma angestellt waren nach dem Schulabschluss – um ungefähr 40 Prozent häufiger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden. Angesichts der absichtlich konstruierten Vergleichbarkeit aller anderen Informationen im Lebenslauf war dieses erste Ergebnis bereits überraschend aus Sicht der Autoren, weil es suggeriert, dass ein häufiges Wechseln des Arbeitsplatzes zu Beginn einer Berufskarriere eher negativ auf die Chancen für weitere Vorstellungsgespräche wirkt.

Positive Zuschreibungen

Darum baten die Autoren über 80 Personalverantwortliche in Schweizer Firmen um eine Einschätzung von verschiedenen Bewerbungen. Dabei legten die Autoren jeweils Paare von Bewerbungen vor, die sich nur in der Anzahl der bisherigen Arbeitsstellen (eine oder vier) unterschieden. Dabei zeigte sich, dass die Einschätzung der beiden Typen von Bewerbungen durch die Personalverantwortlichen sich im Hinblick auf die Faktoren Teamfähigkeit, Ausdauer, Loyalität und Zuverlässigkeit stark unterschied.

Ein Bewerber beziehungsweise eine Bewerberin mit nur einem Arbeitgeber seit Schulabschluss wurde als teamfähiger, loyaler, ausdauernder und zuverlässiger beurteilt. Solche Eigenschaften spielen aber für Unternehmen eine große Rolle, weil unternehmerischer Erfolg nicht unwesentlich von diesen Faktoren abhängt.

Da die fiktiven Bewerbungen im Hinblick auf die Ausbildung und bisherige Berufs- und Führungserfahrung als komplett vergleichbar konstruiert worden waren, spielte die Anzahl der bisherigen Arbeitgeber offenbar die entscheidende Rolle in der Einschätzung der sogenannten weichen Faktoren wie Loyalität, Ausdauer oder Zuverlässigkeit. Bei der Befragung der Personalverantwortlichen spielten übrigens Faktoren wir Dynamik oder Flexibilität keine Rolle. (Matthias Sutter, 11.5.2022)