Das entspannteste und coolste Literaturfest Österreichs – das "Anschiffen" in Bildein.

Foto: Kukuk/David Bitzan

Christoph F. Krutzler ist der "Intendant vom Pinkastrand". Er versteht es nicht nur zu lesen, sondern – Wozu sonst wäre er ein gepriesener Schauspieler? – auch zu deklamieren.

Foto: Kukuk/David Bitzan

Das Lesefest an der Bildeiner Wehr ist ein Teil des Musikfestivals Picture on im August.

Foto: Kukuk

Das Burgenland ist, vor allem in seiner südlichen Erscheinungsform, ein Land hinter den sprichwörtlichen sieben Bergen. Dahinter gibt es weitere, hinter denen es noch märchenhafter zugeht: Hannersberg, Csaterberg, Eisenberg. Wo die Pinka sich träge der Strem nähert, liegt, grenzüberschreitend, der Pinkaboden. Viel Gegend. Sonst so wenig, dass es als Geheimtipp touristischer Feinspitze gilt. Der Eisenberg mit seinen Edeltropfen erhebt sich übers Uhudlerland. Die schöne Wallfahrtskirche in Gaas trägt stolz – und zurecht – den Namen Maria Weinberg.

Der Pinkaboden und seine angrenzenden Landschaften sind, oft beklagt von den dort Wohnenden, eine der abgeschiedensten Gegenden des Landes. Das hat Nach-, aber klarerweise auch Vorteile. Das kulturelle Leben darf man als solchen und als solchen verbuchen. Was an Kulturangebot fehlt, machen die hier lebenden Menschen sich selber. Sehens-, hörens-, lesenswert.

Kulturforum in Eberau

Das strahlt weit über die Region. Man klinkt sich auch gerne ein in die eh sanfte touristische Ambition. Es spricht also nichts dagegen, das in der Gegend gepflegte Radeln, den Uhudler und den Kulturgenuss zu einem individuellen Ausflugspaket zu schnüren. "Aber", sagt Michael Muhr, "unser Stammpublikum kommt doch vor allem aus der Region selbst."

Muhr war und ist g’standener Theatermann. Als Dramaturg, Regisseur, Schauspieler, Filmemacher bespielte er jahrzehntelang Bühnen im ganzen deutschen Sprachraum. Vor 20 Jahren gründete er das Kulturforum Südburgenland. Dessen ständiger Spielort ist ein ehemaliges Wirtshaus in Eberau, direkt am Hauptplatz, einem der schönsten und beeindruckendsten Anger des Landes.

"Wir sind", sagt Muhr, "sowohl Veranstalter, als auch Produzenten." Die Spannweite ist groß: Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Theater. "Theatralische Großproduktionen gehen sich natürlich nicht aus. Wir machen höchstens Zwei-, Dreipersonenstücke." Im Vorjahr, anlässlich des 100. Geburtstages der von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpferin Sophie Scholl, stand etwa ein anlassbezogener Monolog der Berlinerin Rike Reiner auf dem Programm. Inszeniert hat Muhr, gespielt die Grazer Schauspielerin Carmen Kirschner.

Rock im Dorf

Die vergangenen zwei Jahre waren, coronabedingt, nicht nur in Eberau durchwachsen. Im Nachbardorf Bildein war es zwei Jahre gerade dann ruhig, wenn es – wie hoffentlich heuer am zweiten Augustwochenende – hätte laut sein sollen. Seit dem Jahr 2000 steigt in der 350-Einwohner-Gemeinde Österreichs kleinstes, feines Musikfestival.

Das Picture On ist sozusagen die Antwort des Südens auf den gigantomanischen Norden, wo Anfang Juni auf den Pannonian Fields in Nickelsdorf wieder das Nova Rock steigt. Das Festivalgelände liegt mitten im Dorf, das seinem Bürgermeister, dem seit 1993 amtierenden schwarzen Walter Temmel, aus guten Gründen gefolgt ist, als der begonnen hat, das zunehmend verlassene Dorf mit Kultur zu beatmen: das Geschichte(n)haus ist ein spannendes Heimatmuseum, der Grenzerfahrungsweg erzählt von der Bitternis der toten Grenze.

Theater mit Wein

Temmel hat ein paar Künstler und organisatorische Tausendsassas wie den Oberwarter Horst Horvath nach Bildein gerufen, die mit der örtlichen Landjugend den Verein Kukuk (Kunst, Kultur und Kommunikation am Pinkaboden) zum Unruhestiften gegründet haben. Diese Geister ist Bildein seither nicht mehr losgeworden. Im Gegenteil, sie ziehen andere an. Martin Weinek, der Schauspieler und Uhudlerwinzer, zog mit seinem Uhudler-Landestheater vom Gründungsort, der Kellergasse im nahen Heiligenbrunn, hierher.

Literatur im Wasser

Christoph F. Krutzler, der gewichtige Mime, hat sich als "Intendant vom Pinkastrand" mit einem ungehörig lustvollen Literaturfest ins Picture on eingeklinkt. Die Lesebühne ist ein Floß, im Hintergrund plätschert die alte Wehr des E-Werks, die Zuhörer lagern am oder im Wasser. Und die ganze Veranstaltung nennt sich wunderbarerweise "Anschiffen".

Literatur am Burg

Viele der hier lesenden Autoren publizieren im Oberwarter Verlag Lex Liszt 12 des Horst Horvath. Dieser hat mit Norbert Sulyok, dem VP-Bürgermeister von Kohfidisch, einen Literaturweg eingerichtet auf einem der märchenhaften Berge, dem Csaterberg.

An Raststationen erzählen Tafeln über die Autoren und Geschichten und Bücher. Und im späten Sommer, wenn die Kellerstöckel ihrer eigentlichen Bestimmung gerecht werden, ziehen bei der Literaturwanderung der Kohfidischer Literaturtage Autoren und Leser, Autorinnen und Leserinnen, von Lesung zu Lesung, um dann noch im Buschenschank den Herrgott einen guten Mann sein zu lassen einen ganzen Märchenbergabend lang. (Wolfgang Weisgram, 19.5.2022)