Arthur E. Haas, Autor von 18 Büchern über die moderne Physik, die in zehn Sprachen übersetzt wurden, verließ Wien bereits 1935. Seine Emigration in die USA war auch dem immer stärker werdenden Antisemitismus an der Akademie und an der Uni Wien geschuldet.

Archiv der University of Notre Dame

Sein Name dürfte auch jenen, die sich für die Geschichte der österreichischen Wissenschaft interessieren, wenig sagen. Das liegt daran, dass Arthur Erich Haas (1884–1941) bereits etliche Jahre vor dem "Anschluss" eine Karriere in Österreich aus rassistischen Gründen verweigert wurde. Dabei hat der lange vergessene Physikpionier Außerordentliches geleistet, wie der deutsch-amerikanische Physiker Michael Wiescher in seiner neuen, nun auch auf Deutsch vorliegenden Haas-Biografie auf über 600 Seiten eindrucksvoll belegt.

Von Wien Nach Leipzig und zurück

Haas, der einem vermögenden jüdischen Elternhaus in Brünn entstammt, studiert in Wien (unter anderem bei Boltzmann und Stefan Meyer) und Göttingen Physik. Eine gewisse Arroganz ist dem selbstbewussten Studenten dabei nicht ganz abzusprechen. Mit ein paar Umwegen beginnt Haas dann – zum Protestantismus konvertiert – eine wissenschaftliche Laufbahn als theoretischer Physiker und wird 1912 Professor an der Uni Leipzig.

Dennoch kehrt er nach dem Ersten Weltkrieg wieder nach Wien zurück, wo er aber nur den Titel eines außerordentlichen Professors an der Uni Wien erhält und keine bezahlte Stelle. Das liegt auch daran, dass seine Alma mater ab den frühen 1920er-Jahren in weiten Teilen von antisemitischen Professoren beherrscht wird, die ihm – ähnlich wie seinen Fachkollegen Karl Horovitz oder Otto Halpern – eine Karriere verweigern.

Subalterne Stelle an der Akademie

1924 kann Haas, der politisch konservativ eingestellt und sogar Mitglied der katholischen Leo-Gesellschaft ist, immerhin noch eine Verwaltungsstelle als Aktuar an der Akademie der Wissenschaften ergattern. "Nebenbei" veröffentlicht der produktive Physiker zahlreiche wegweisende Lehrbücher und populärwissenschaftliche Werke, die ihn zu einem der erfolgreichsten Vermittler der Relativitätstheorie und der frühen Quantenphysik machen und ihm auch ein gutes Einkommen sichern. Insgesamt sollten es 18 Bücher werden, die zahlreiche Auflagen und Übersetzungen in zumindest zehn Sprachen erreichen.

Doch auch aufgrund des wachsenden Antisemitismus wird Haas bald klar, dass er sein Glück besser anderswo, konkret: in den USA suchen sollte. Der Physiker, der sich ab Anfang der 1930er-Jahre zunehmend mit kosmologischen Fragen befasst und auch hier zu einem Pionier wird, ist nun auch an der Akademie infamen Mobbing ausgesetzt.

Rabiater akademischer Antisemitismus

So denunziert ihn der Musikwissenschafter Robert Lach, Mitglied der geheimen antisemitischen Professorenclique Bärenhöhle und seit 1933 NSDAP-Mitglied, in einem Brief aus dem Jahr 1934 als "einen der widerlichsten und grauenvollsten Juden, den man sich nur vorstellen kann, ein echter jüdischer Gschaftlhuber und Streber der übelsten Sorte" sowie "ein Todfeind alles arischen Empfindens".

Haas, der bereits mehrfach auf Vortragstouren in den USA gewesen ist, emigriert mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen 1935 in die USA. Hier erhält er 1936 auf Empfehlung von Albert Einstein eine Professur an der University of Notre Dame, wo er 1938 die erste internationale Konferenz über Kosmologie organisiert. 1941 stirbt er überraschend mit nur 57 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.

Würdiges Denkmal

Michael Wiescher, der als Professor für Astrophysik an der University of Notre Dame (US-Bundesstaat Indiana) lehrt und forscht, hat seinem frühen Vorgänger an der Universität Notre Dame mit dieser reich illustrierten und aufwendig recherchierten Biografie ein mehr als nur würdiges Denkmal gesetzt und ihn zurück ins kollektive Wissenschaftsgedächtnis geholt.

Michael Wiescher: "Arthur E. Haas: Ein verborgener Pionier der modernen Physik. Eine Biografie". € 69,90 / 661 Seiten. LIT Verlag, Wien 2022 Buchpräsentation: 21. Juni ab 17 Uhr am Erwin-Schrödinger-Institut (ESI) in Wien.

Wiescher stand dabei der umfangreiche Nachlass von Haas zur Verfügung. Das ausführliche Zitieren aus den Quellen – unter anderem auch von Haas’ eigenen autobiografischen Aufzeichnungen – tragen zum zeithistorischen Reiz des Buchs bei, machen es aber auch besonders umfangreich.

In Wien ist aus Anlass dieser beeindruckenden Biografie für den 21. Juni eine Veranstaltung geplant. Vielleicht mag man Haas aber auch noch darüber hinaus posthum ehren: Ein nach ihm benannter Preis zur Vermittlung von Wissenschaft würde seinem Namen und seinen Verdiensten späte Ehre erweisen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Robert-Lach-Gasse in Wien in Arthur-Haas-Gasse umzubenennen. (Klaus Taschwer, 16.5.2022)