Über das Geld wird in der Liebe oft so einiges ausgemacht, sagen die Beziehungsexperten Sabine und Roland Bösel: "Eine Krise projiziert sich schnell einmal auf das Finanzielle, unabhängig davon, wo sie wirklich herrührt." Ganz nach dem Prinzip: Wenn ich schon deine Liebe nicht haben kann, will ich zumindest das Geld!

Im Interview haben wir mit den Paarexperten darüber gesprochen, wie Paare solche Situationen lösen können. Wir haben sie auch gefragt, welche Volksweisheiten zum Thema wirklich stimmen – und wie man die Finanzen in einer Beziehung am besten regelt. Wer sollte was zahlen? Und was ist besser: gemeinsames Konto oder strenge Rechnung? Die Paarexperten erklären auch, was passieren kann, wenn zwei aufeinandertreffen, die beim Thema Geld ganz unterschiedlich ticken.

STANDARD: Was sagen Sie zu dem Sprichwort "Beim Geld hört die Liebe auf"?

Roland Bösel: Das würde ich so nicht unterschreiben. Denn wer im Liebesmodus ist, dem ist Geld oft egal, und der ist mehr als großzügig. Was aber stimmt, ist, dass Geld mitunter eines der größten Streitthemen in Beziehungen ist, vor allem wenn es kriselt. Die Krise projiziert sich dann schnell einmal auf das Finanzielle, unabhängig davon, wo sie wirklich herrührt.

STANDARD: Wieso geht es in so einer Situation ausgerechnet ums Geld?

R. Bösel: Das funktioniert nach dem Prinzip: Wenn ich schon nicht deine Liebe kriege, dann will ich eben das Geld. Das Geld ist das Letzte, was mir bleibt. Bei uns war einmal ein Paar mit Kindern, das sich gerade trennte, aber sich beim Finanziellen nicht einig wurde. Dann hat sich herausgestellt: Der Mann wollte sich eigentlich gar nicht trennen, traute sich jedoch nicht, das auszusprechen. Über die Verweigerung von Geldzahlungen wollte er die Frau an sich binden.

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Was, wenn in einer Beziehung die eine großzügig ist und die andere geizig? Das haben wir die Paarexperten Sabine und Roland Bösel gefragt.
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Sabine Bösel: Seine Angst war, dass sie ganz weg ist, wenn er zu viel rüberwachsen lässt. Deshalb versuchte er das Commitment aufrechtzuerhalten, das in der Beziehung gegolten hat. Sie wiederum wollte das Geld, um nicht bei ihm bleiben zu müssen, um sich frei zu fühlen.

STANDARD: Geld ist also ein durchaus emotionales Thema ...

S. Bösel: ... vor allem auch, weil es passieren kann, dass in einer Beziehung zwei ganz verschiedene Zugänge dazu haben. Vielleicht sagt der eine, dass ihm Geld völlig egal ist – der oder die andere ist hingegen ein Erbsenzähler oder eine Erbsenzählerin und schaut fast zwanghaft aufs Geld. Da sind Konflikte vorprogrammiert.

R. Bösel: Aber sogar bei Paaren, die eine ähnliche Einstellung zum Thema haben, kann es zum Streit ums Finanzielle kommen – und zu ganz anderen Katastrophen. Wenn etwa beide das Thema vermeiden und sich nicht darum kümmern, geraten sie leicht in eine finanzielle Notlage. Wir hatten einmal ein Paar in Therapie, bei dem ihm und ihr gleichzeitig das Konto gesperrt wurde. Sie lebten dann wochenlang von Lebensmitteln, die sie noch in irgendwelchen Schränken fanden.

STANDARD: Kann Geld eine Beziehung ernsthaft gefährden?

S. Bösel: Auf jeden Fall. Noch einmal ein Beispiel aus unserer Praxis: Eine Frau und ein Mann kamen zu uns, weil er in Kryptowährungen investiert hat. Das allein hat sie schon wahnsinnig aufgeregt.

R. Bösel: Und verletzt.

S. Bösel: Und verletzt, weil er nicht auf sie hörte. Eskaliert ist es, als er alles verloren und sich heimlich ihre Kreditkarte geschnappt hat in dem Glauben, er könne das Geld wieder zurückverdienen. Da war ziemlich etwas am Dampfen, denn es ging natürlich auch um enttäuschtes Vertrauen.

STANDARD: Wie stark ist unsere Einstellung zum Geld von unseren Eltern geprägt?

S. Bösel: Sehr stark! Uns werden von klein auf Glaubenssätze mitgegeben, die uns noch als Erwachsene prägen. Ein weitverbreiteter Glaubenssatz ist zum Beispiel: "Man muss immer schauen, dass man abgesichert ist." Frauen wird oft gesagt, dass sie sich nicht vom Geld eines Mannes abhängig machen sollen, und Männern, dass Frauen ihnen das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Wer so etwas als Kind schon ständig hört, bekommt das nur sehr schwer wieder aus seinem Kopf heraus.

R. Bösel: Wir tragen diese Sätze mit uns herum und wiederholen unbewusst, was uns als Kind gesagt wurde. Oder das genaue Gegenteil: Wir entwickeln eine Abneigung dagegen. Die Einstellung meiner Eltern zum Geld war zum Beispiel: "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Deshalb konnte ich "Sparen" als Begriff jahrzehntelang nicht ausstehen. Es war für mich wie das Ende aller Möglichkeiten und Freiheiten. Ein zweites Motto, nach dem meine Eltern gelebt haben, war: "Geht's dem Familienbetrieb gut, geht es der Familie gut." Aber der Firma ging es natürlich nicht immer gut – und dann musste wieder gespart werden.

S. Bösel: In meiner Familie galt: "Was du im Kopf hast, kann dir niemand mehr nehmen." Dieser Satz beinhaltet nicht nur, dass Bildung wichtig ist, sondern auch die Befürchtung, dass einem Materielles, wie Geld, wieder genommen wird. Dieselbe Aussage steckt in dem Spruch "Man muss das Geld zusammenhalten" und darf es "nicht zum Fenster hinauswerfen". Gerade zu Geld gibt es aus gutem Grund sehr viele überlieferte Volksweisheiten. Es ist ein Thema, das die Menschen bewegt.

R. Bösel: Viele dieser Volksweisheiten stammen aus Zeiten von Hungersnöten, halten sich aber über Generationen.

STANDARD: Wenn einer mehr verdient – wer sollte was zahlen?

S. Bösel: Dafür gibt es keine allgemeine Regel. Es kann für beide passen, dass vom Konto des Parts, der mehr verdient, die größeren Beträge weggehen, etwa die Miete. Es kann sich aber auch für beide richtig anfühlen, dass ein Part eine Wohnung einbringt, der andere dafür einen größeren Teil der laufenden Kosten trägt.

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Oft würden sich Menschen unbewusst Partnerinnen oder Partner aussuchen, die das genaue Gegenteil von einem selbst sind – also zum Beispiel einen guten Überblick über ihre Finanzen haben, während man selbst ständig pleite ist.
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Dass derjenige, der mehr verdient, auch mehr zahlt, ist nicht zwingend. Es geht darum, eine Lösung zu finden, die sich für beide gerecht anfühlt. Und was jeder und jede als gerecht empfindet, gehört in einer ruhigen Stunde geklärt. Denn wenn eine Schieflage entsteht oder zumindest ein Part eine Schieflage empfindet, dann ist diese Schieflage das Nächste, was in einem Streit aus dem Ärmel gezogen wird. À la: "Ich finanziere das hier alles, und was machst du überhaupt?" So etwas kann schnell einmal eskalieren.

STANDARD: Macht also eine strenge Rechnung Sinn? Ich kenne ein Paar, das akribisch Buch über seine Ausgaben führt. In einem karierten Notizbuch notieren sie jede Milchpackung – und am Ende des Monats wird abgerechnet.

S. Bösel: Eine Zeitlang kann so eine Buchführung vielleicht helfen, die Gesamtausgaben für Lebensmittel, Haushalt und so weiter im Auge zu behalten. Generell ist auch alles zu respektieren, was ein Paar gemeinsam entscheidet. Wenn es beide so wollen, sollen sie es bitte so machen! Aber die Frage ist doch: Ist diese strenge Rechnung auf Dauer die ganze Lebenszeit wert, die man in das Aufschreiben und Zusammenrechnen selbst kleinster Beträge steckt?

R. Bösel: Hinter dem Bedürfnis, etwas ganz genau notieren zu wollen, steckt auch oft etwas ganz anderes. Zum Beispiel das fehlende Vertrauen in die Entscheidungen des Partners oder der Partnerin – oder das Bedürfnis, die Kontrolle zu behalten.

S. Bösel: Da sollte man dann schauen, was es eigentlich braucht, um einander vertrauen zu können und sich sicher zu fühlen. Die Kosten für den Apfel und das Semmerl aufzuschreiben – das wird es nicht tun.

STANDARD: Macht ein gemeinsames Konto Sinn?

S. Bösel: Wenn das beide wollen, kann ein gemeinsames Konto sicherlich so manches vereinfachen. Wenn es aber nur dieses Konto gibt und ein Part sich eigentlich wünscht, daneben auch ein eigenes zu haben, über das er ganz frei walten kann, dann sollte der andere Part das ernst nehmen. Sonst hat man schnell den nächsten Konflikt.

R. Bösel: Ob so etwas Sinn macht, ist oft auch abhängig davon, in welcher Phase ihres Lebens oder ihrer Beziehung Paare sich gerade befinden. Meine Frau und ich zum Beispiel hatten anfangs nur getrennte Konten, und das war uns auch wichtig. Wir waren jung, wir hatten unterschiedliche Prioritäten. Heute sind wir mehr auf der Seite des gemeinsamen Ganzen. Beim Thema Geld geht es – wie bei vielen anderen Themen auch – um Phasen. Bei einem gemeinsamen Konto ist es auf jeden Fall auch sinnvoll, dass jeder auch eigenes Geld hat, eine Art Taschengeld, das er ausgeben kann, für was er möchte – ohne Rechtfertigung.

STANDARD: Was ist, wenn in einer Beziehung einer eher großzügig ist und der andere geizig?

S. Bösel: Da gilt nichts anderes als bei anderen Charakterunterschieden: Es hilft, sich regelmäßig darauf zu besinnen, dass diese Gegensätze mit ein Grund waren, warum wir unseren Partner oder unsere Partnerin überhaupt gewählt haben. In der Partnerwahl suchen wir meist jemanden, der genau das Gegenteil von uns ist. Wir suchen jemanden, der eine Eigenschaft mitbringt, die bei uns selbst nur wenig ausgebildet ist. Der Grund dafür ist, dass wir insgeheim voneinander lernen wollen. Vielleicht wollen wir – um beim Thema Geld zu bleiben – unsere Großzügigkeit trainieren? Üben, weniger knausrig zu sein? Oder wir wollen lernen, wie man am Boden bleibt und nicht so viel ausgibt?

Der gute Rat der Paartherapeuten lautet: "Einmal die Peinlichkeit überwinden und Geldfragen klären. Dann kann man es auch wieder lassen."

STANDARD: Ist es wichtig zu schauen, wie der andere beim Geld tickt, bevor man eine Beziehung eingeht?

S. Bösel: Das kommt ganz darauf an, wie wichtig einem das Thema selbst ist. Ist es einem sehr wichtig, kann es durchaus von Vorteil sein, gleich am Anfang zumindest einmal nachzuspüren, wie der andere mit Geld umgeht. Gerade weil zu erwarten ist, dass das Verhalten des Partners, der Partnerin in Sachen Geld relativ stabil bleiben wird. Es wird sich nur langsam oder auch gar nicht verändern. Oder, anders gesagt: Wer dazu neigt, das Geld rauszuhauen, wird vermutlich kein Sparmeister mehr werden. Wenn wir das frühzeitig wissen, können wir uns darauf einstellen, damit leben zu lernen. Oder wir können uns zumindest darauf einstellen, dass es in diesen Angelegenheiten wahrscheinlich Streit geben wird.

R. Bösel: Vieles lässt sich aber auch nicht gleich am Anfang klären. Manche Menschen glauben, sie hätten nur besser nachfragen müssen – und dann wäre es erst gar nicht zu der Beziehungskrise gekommen. Das ist ein Irrtum und hätte so nicht funktioniert. Denn wenn wir sehr verliebt sind, sehen wir ohnehin nur die guten Seiten am anderen, weil unser "Kritikzentrum" im Gehirn ausgeschaltet ist. Wichtig ist, dann während der Partnerschaft über solche Konflikte zu sprechen und Lösungen zu finden, indem man einander gut zuhört.

STANDARD: Von dem Sprichwort "Über Geld spricht man nicht" halten Sie folglich nicht so viel?

S. Bösel: Natürlich ist es oft unangenehm, über Geld zu sprechen. Oft hat es etwas Peinliches, das merke ich auch bei mir. Aber wenn man das Thema komplett ausspart, kann es zu unangenehmen Situationen kommen. Also: besser einmal die Peinlichkeit überwinden und Geldfragen klären. Dann kann man es auch wieder lassen. Denn nur noch übers Geld zu reden, das ist auch nicht gut. (Lisa Breit, 28.5.2022)