Ceferin in Wien.

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UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hat beim Kongress in Wien nicht nur die Alternativlosigkeit von Sanktionen gegen russische Spieler und Clubs hervorgehoben. Der Slowene schlug inhaltlich auch den Bogen zu den – derzeit auf Eis liegenden – Super-League-Plänen einiger Großclubs. "Heutzutage ruhen die Pläne mancher Führer in Fußball und Politik auf einer Form von Sehnsucht nach vergangener Größe oder der Angst, von neuen Kräften überholt zu werden", sagte Ceferin am Mittwoch.

Der 54-Jährige, der "in einem geopolitischen Kontext, der an die dunkelste Zeit der europäischen und der Menschheitsgeschichte erinnert", in der Messe Wien sprach, verteidigte nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine den Ausschluss russischer Clubs und Nationalteams aus allen Wettbewerben. Zwar sei der Fußball in diesem Fall "zweifellos der Verlierer. (...) Es mag als gefährlicher Präzedenzfall angesehen werden, aber in diesem Fall ist die Sache größer als alles andere", sagte Ceferin.

Pawelko im Bild

"Größer als die Karrieren einiger Hundert Fußballer und die Tradition der sportlichen Neutralität, die 2022 im Krieg nicht mehr zu halten ist." Ein kommender Ausschluss des russischen Verbandes (RFU) sei nicht undenkbar. "Ich würde nichts ausschließen, aber ich würde auch nicht sagen, dass es in Zukunft passieren wird", erklärte Ceferin. Dem Kongress zugeschaltet war auch Andrej Pawelko. Der Präsident des ukrainischen Verbandes stand unmittelbar vor einem Bombenkrater und trug eine Schutzweste, als er sich live aus einem zerstörten Stadion in Tschernihiw meldete, immer wieder gab es Tonprobleme. "Die ukrainische Fußballgemeinschaft rettet Menschenleben, rettet das Leben von Kindern", übermittelte der 46-Jährige an die Delegierten.

Sanktionen sind nach wie vor auch gegen jene Großclubs denkbar, die im Vorjahr mit dem Projekt einer geschlossenen Super-League vorgeprescht waren. Die meisten Clubs hatten sich freilich angesichts massiver Kritik schnell davon zurückgezogen. Nur Real Madrid, der FC Barcelona und Juventus Turin verfolgen die Pläne offiziell noch, um die es aber in letzter Zeit sehr still geworden ist. "Dieses Projekt ist für immer oder zumindest für die nächsten 20 Jahre vorbei", stellte Ceferin klar. Unterstützung hatte er schon vor Kongressbeginn durch EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas bekommen. "Europas Fußball muss offen bleiben, auf sportlichen Verdiensten basieren und den Interessen der gesamten Gesellschaft dienen, nicht dem Profit einiger weniger", erklärte der Grieche in einer Videobotschaft zum Kongressauftakt.

Conference League

Ceferin sagte, dass es essenziell sei, dass "die Kleinen weiterhin gegen die Riesen spielen können und manchmal mit einem Sieg gegen sie für weltweites Aufsehen sorgen. Das macht Fußball zum schönen Spiel", gab Ceferin an. "Die Führer im Fußball müssen vorsichtig sein, nicht die Hand zu beißen, die sie füttert. Wenn ihre Forderungen zu weit gehen, riskieren sie den sozialen Kontrakt zu zerstören, auf dem unser Sport basiert."

Demgegenüber stellte er u.a. die kritisierte Einführung der Conference League, die "den Fußball lebt und atmet, den wir lieben und der uns an den Fußball der 1980er-Jahre erinnert". Man müsse diesbezüglich aber auch über größere Finalstadien nachdenken, räumte Ceferin ein. Bei seiner Premiere geht das ECL-Finale zwischen der AS Roma und Feyenoord Rotterdam am 25. Mai im Nationalstadion von Tirana über die Bühne, das nur 22.000 Zuschauer fasst. Der Finalort von 2023, die Eden-Arena in Prag, ist ähnlich dimensioniert.

Nicht beklagen

Einnahmentechnisch kann sich die UEFA einmal mehr nicht beklagen, sie verzeichnete im EM-Finanzjahr 2020/21 Rekordeinnahmen. Dem am Mittwoch abgesegneten Finanzbericht zufolge, flossen 5,7 Milliarden Euro in die Kassa. 2019/20 waren es rund drei Milliarden gewesen, im Jahr der EM 2016 rund 4,6 Milliarden Euro.

Auf eine neuerliche Kandidatur beim Kongress im April 2023 in Lissabon wollte sich Ceferin vor den Vertretern der 55 Mitgliedsländer nicht festlegen. Er ist seit 2016 im Amt und wurde 2019 bestätigt. Seine Bereitschaft für drei weitere Jahre ab 2023 hatte er bereits bekundet – eine Kandidatur aber noch nicht angekündigt.

Die Entscheidung mit der meisten Tragweite war bereits am Dienstag im Rahmen des Exekutivkomiteesitzung gefallen. Die 2021 beschlossene CL-Reform wurde modifiziert: Zwei der vier zusätzlichen Startplätze gehen an die beiden im Jahr zuvor erfolgreichsten Nationalverbände, im ursprünglichen Modell sollten sie an Clubs vergeben werden, die in der Vergangenheit Erfolge im Europacup gefeiert hatten, sich in ihrer Liga aber nicht für die Champions League qualifiziert haben. Zudem wächst die Zahl der Gruppenspiele pro Team nur von sechs auf acht statt wie bisher geplant auf zehn. Ähnliche Änderungen werden auch in der Europa League (acht Spiele in der Ligaphase) und der Europa Conference League (sechs Spiele) eingeführt.

Zu verhandeln ist freilich noch, wie die gestiegenen Einnahmen verteilt werden. Die Befürchtungen der Fangruppen, dass der Abstand zwischen großen und kleinen Clubs weiter enorm wachsen wird, sind weiter riesig. "Wir müssen ein bisschen Luft holen, und dann starten wir diesen Prozess", sagte UEFA-Wettbewerbsdirektor Giorgio Marchetti. (APA, 11.5.2022)