Demokratie steht für die politische Gleichheit und Mitbestimmung aller Mitmenschen. Die jüngere Generation dürfte das allerdings anders sehen: Bei ihnen ist das Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger an einem Tiefpunkt angelangt, wie eine Studie vom Sora-Institut zeigt. Nur sechs Prozent der 16- bis 26-Jährigen sehen sich von der Politik gut vertreten, "das ist eine erschreckende Zahl, die uns zeigt, dass wir unbedingt handeln müssen", betont Martina Zandonella von Sora. Meist haben eher jene Jugendlichen ein großes Misstrauen gegenüber der Politik, die zur unteren Einkommensklasse zählen.

Die sozialdemokratischen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (FSG) brachten deshalb gemeinsam mit der alternativen und grünen Gewerkschaftsfraktion (Auge) einen Antrag für ein größeres Jugendrespektpaket im Arbeitnehmer-Parlament der Arbeiterkammer (AK) ein. Am Mittwoch wurde es nun verabschiedet. Das Paket beinhaltet umfassende Maßnahmen für mehr Einbindung der Jugend in den politischen Entscheidungsprozess, für mehr Bildungsgerechtigkeit und einen Ausbau der Unterstützungsangebote für die mentale Gesundheit.

Das Arbeitnehmerparlament fordert mehr Mitbestimmung für Jugendliche in der Politik. Eine Institution, die dieses Leitziel vorlebt, ist das bereits existierende Schülerparlament: Es bietet Raum für Jugendliche, um über politische Themen zu diskutieren.
Foto: Parlamentsdirektion/Thomas Topf

Mehr Unterstützung bei mentaler Gesundheit

"Gerade junge Menschen mussten auf vieles verzichten und haben in ihrer Ausbildung zunehmend Schwierigkeiten. Die Jugend ist gefangen zwischen ständigem Leistungsdruck und mentaler Belastung", erläutert Maria Marichici, AHS-Landesschulsprecherin in Wien, im Plenum. Depressionen und psychische Belastung seien in der Pandemie in die Höhe geschnellt, die Bundesregierung schaue nur zu. Deshalb fordert sie einen breiten Ausbau der vollfinanzierten Schulpsychologen und Psychotherapie. Die 40 Jugendlichen, die auf der Galerie Platz genommen hatten, fühlten sich jedenfalls verstanden: Die intensive Rede von Marichici wurde regelmäßig von lautem Beifall der jungen Menschen unterbrochen.

Pandemie verschärfte bestehende Ungleichheiten

Für Jugendliche mit wenig Einkommen ist der Einstieg in die Berufswelt und die Teilnahme am politischen Prozess besonders schwer geworden. Die Sora-Studie kam zu dem Ergebnis, dass jene Bevölkerungsgruppen von der Pandemie intensiv betroffen waren, die ohnehin zum unteren Drittel der Einkommensklassen zählten. Für sie hat sich einerseits die psychische Gesundheit und andererseits die finanzielle Situation verschlechtert. Dieser Teil der Bevölkerung ist schließlich auch jener, der vermehrt zu der Nichtwählerschaft zählt. "Wir sehen, dass ökonomische Ungleichheit automatisch zu politischer Ungleichheit führt", fügt Zandonella hinzu.

Politische Teilhabe muss verbessert werden

Die politische Integration der Jugend lasse laut Landesschulsprecherin Marichici jedenfalls zu wünschen übrig: "Es muss mehr mit uns gesprochen werden und nicht nur über uns." Die Zahlen sprechen für sich: Zwei Drittel der jungen Generation glauben nicht, dass ihre Stimme gehört wird. Für eine funktionierende Demokratie sind solche Zahlen fatal, demokratische Teilhabe braucht das Vertrauen vonseiten der Bevölkerung. Ein Großteil habe laut Sora-Studie zudem ein tiefes Misstrauen gegenüber der Politik, da immer wieder Fälle von Korruption bekannt werden. Darunter leidet dann folglich auch die Wahlbeteiligung. Teil des Jugendrespektpakets ist deshalb die Einrichtung von Mitgestaltungsmöglichkeiten in Schulen, Universitäten, Lehrbetrieben sowie in sozialstaatlichen Einrichtungen.

Der Wille zur Beteiligung wäre zumindest gegeben: Rund 60 Prozent der 16- bis 26-Jährigen gaben in der Studie an, dass sie sich in ihrem Alltag mit politischen Themen beschäftigen. Ilkim Erdost, Bereichsleiterin für Bildung bei der Arbeiterkammer, fordert deshalb eine Entschärfung der Gesetze rund um die Staatsbürgerschaft: "Wir haben eines der restriktivsten Staatsbürgerschaftsgesetze in Europa. Das schließt nicht nur eine Großzahl an Jugendlichen aus, sondern weite Teile der ganzen Bevölkerung." Ihre Kritik richtet sich an die zehnjährige Aufenthaltsdauer und an die Einkommensgrenze, die man überschreiten muss, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten.

Bildungsgerechtigkeit soll hergestellt werden

Mit der Pandemie wurde das Social Distancing für beinahe jeden Schüler und jede Schülerin Thema. Der Schulalltag spielte sich plötzlich in den eigenen vier Wänden ab, ein Laptop und eine sichere Internetverbindung waren seither die Grundvoraussetzung. Lorenzo Agbogbe, der sich in der Berufsschülervereinigung für die junge Generation starkmacht, sieht gerade in dieser Voraussetzung einen großen Missstand: "Bildung darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob man sich einen Computer und WLAN leisten kann. Hier muss Gerechtigkeit hergestellt werden." Das Jugendpaket sieht deshalb einen Ausbau des Jugendcoachings, eine Erhöhung der Sozialleistungen und die Förderung von leistbarem Wohnen vor. (Max Stepan, 11.5.2022)