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Die Menge des russischen Gases, das über die Ukraine in den Westen fließt, verringerte sich um gut ein Drittel.

Foto: Reuters/Gleb Garanich

Die Meldung sorgte für Verunsicherung in Europa und schürte die Angst vor dem Ernstfall: Der ukrainische Gasnetzbetreiber GTSOU erklärte in der Nacht auf Mittwoch, der Betrieb der Sojus-Pipeline über den Knotenpunkt Sochraniwka müsse eingestellt werden. Am Dienstag flossen hier noch 32,6 Millionen Kubikmeter (mcm) Gas Richtung Westen – gut ein Drittel der Gesamttransitmenge durch die Ukraine.

Frage: Warum hat die Ukraine den Gastransit über eine Pipeline eingestellt?

Antwort: Die Ukraine musste aus Sicherheitsgründen den Transit über die Route Sochraniwka einstellen. Wegen des russischen Angriffskriegs wurde die Kontrolle über die Verdichterstation Nowopskow im Oblast Luhansk verloren. Bei der Station wird das Gas komprimiert, um mit ausreichend Druck durch die Leitung zu fließen.

Frage: Ist damit der Nachschub von russischem Gas nach Europa versiegt?

Antwort: Davon ist derzeit noch keine Rede. Die gute Nachricht: Es gibt auch eine größere Route über den Transitpunkt Sudscha, die zumindest derzeit nicht durch die Kampfzone läuft und den Ausfall kompensieren kann. Dazu gibt es noch die Pipelines Nord Stream 1 durch die Ostsee und Jamal durch Belarus. Man kann also das Gas umleiten, erklärt Carola Millgramm von der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control: "Jamal hat Kapazitäten." Russlands staatlicher Gaskonzern Gazprom hat jedenfalls versprochen, die Lieferverpflichtungen einzuhalten.

Frage: Ist der Ausfall der Leitung ein Problem für Österreichs Gasversorgung?

Antwort: Österreichs Gasimporte werden bei großen Knotenpunkten wie Baumgarten im Marchfeld gesammelt. Wie viel davon durch die Ukraine geflossen ist, ist schwer zu beantworten, Experten schätzen die Menge aber als beträchtlich ein. Demnach fließen 80 bis 90 Prozent des russischen Gases für Österreich durch ukrainische Pipelines. Der Rest kommt über Nord Stream 1 und Jamal. Ein Komplettausfall der Transitroute durch die Ukraine bedeutete also tatsächlich ein massives Versorgungsproblem.

Frage: Kommt derzeit genug Gas in Österreich an?

Antwort: Über die Ukraine fließt derzeit weniger als vor der Schließung des Knotenpunkts. Mit 72 mcm war die Liefermenge am Mittwoch um rund ein Viertel niedriger als tags zuvor mit noch 95,8 mcm. Dennoch sagt die OMV, dass die bestellten Gasmengen insgesamt ankommen. Die für das Gasnetz zuständige Austrian Gas Grid Management (AGGM) schreibt im aktuellen Lagebericht, die Gasflüsse in Richtung Österreich seien stabil, "auch die Importe über die Ukraine (...) trotz aktueller Meldungen aus Luhansk".

Frage: Bezieht die Ukraine eigentlich selbst russisches Gas?

Antwort: Nicht direkt. Nach der Annexion der Krim hat die Ukraine die russischen Importe durch Lieferungen aus anderen europäischen Ländern ersetzt. Zum Großteil handelt es sich dabei aber um aus Russland stammendes Gas, das in die Ukraine retour gepumpt wird. Naftogaz-Chef Juri Witrenko erklärte am Dienstag, der Ausfall der Leitung sollte keine Auswirkungen auf den ukrainischen Inlandsmarkt haben.

Frage: Hat die Ukraine ein Interesse am Gasstopp?

Antwort: Der Gastransit ist für die Ukraine ein Milliardengeschäft. Durch den Bau von Nord Stream 1 und Jamal hat sich das Volumen jedoch verringert. Kiew hat also ein vitales Interesse daran, den Fluss des Gases nicht zu unterbrechen.

Frage: Verfügt die Ukraine nicht selbst über Gas?

Antwort: Durchaus, die Ukraine besitzt große Gasvorkommen. Im Jahr 2019 importierte sie nur rund 30 Prozent des nationalen Gasbedarfs, der Rest kam aus Eigenproduktion. Allerdings befinden sich die Vorkommen fast ausschließlich in den von Russland besetzten oder bedrohten Gebieten wie der Krim, dem Donbass und Charkiw. Wenn die Besatzung bleibt, kann Moskau Europas Energiemarkt noch stärker diktieren als bisher schon. (Joseph Gepp, Michael Vosatka, 11.5.2022)