Der Jurist und Mediator Ulrich Wanderer schreibt im Gastblog über die Vor- und Nachteile der Beteiligung von Kindern in der Mediation.

In meiner Tätigkeit an der Fachhochschule Kärnten darf ich mich gelegentlich auch um Modul- und Masterarbeiten der Studierenden kümmern. Als ich gefragt wurde, ob ich die Arbeit zum Thema "Beteiligung von Kindern in der Mediation" betreuen wollte, musste ich keine Sekunde überlegen. So klar war meine Haltung dazu: Nein, das geht doch gar nicht. Nachdem die Kollegin genau den entgegengesetzten Ansatz vertrat, stimmte ich sofort zu, sie bei der Arbeit zu unterstützen. Auf Widerspruch hoffend, war ich gespannt.

Hier möchte ich einige Überlegungen dazu teilen und erlaube mir, nach Rücksprache mit der Kollegin Sabrina H. den einen oder anderen Punkt aus ihrer Arbeit aufzugreifen.

Kinder haben das Recht, nicht in Loyalitätskonflikte der Eltern einbezogen zu werden.
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Im Rahmen einer Scheidungsmediation kommen Kinder ins vielzitierte "Spiel". Bei der Diskussion bezüglich Obsorge und elterlicher Verantwortung, Kindesbetreuung und Kontaktrecht der Kinder werden die Eltern auch immer wieder die Bedürfnisse der Kinder reflektieren und (hoffentlich) die Entscheidung daran ausrichten. Was läge also näher, als die Betroffenen auch unmittelbar in den Prozess einzubinden und zu befragen, was die nun wirklich wollen? Verlockend klingt die Idee, den neunjährigen Michael in der Mediation möglichst kindgerecht zu fragen, ob er lieber zum Papa oder zur Mama möchte und diesen Wunsch dann als Ziel der Vereinbarung zu fixieren. Doch fühlt sich bereits beim Schreiben dieser Gedanke seltsam an. Sollen denn die Kinder wirklich in die Scheidungsentscheidung der Eltern einbezogen werden, da hier so viele Emotionen abseits der Eltern-Kind-Beziehung eine Rolle spielen?

Das Wohl des Kindes und Loyalitätskonflikte

Ja, das Kindeswohl steht außer Frage und ist eines der höchsten Ziele der Mediation. Doch bleibt es leider oftmals bei leeren Worten, zumal es bei Mediation in Scheidungsfragen doch um weit mehr als die reinen juristischen Formalitäten geht. Solange in der Vergangenheit wurzelnde Verletzungen und Enttäuschungen nicht zumindest angesprochen – ja im besten Fall auch be- und ausgesprochen – werden, ist es erfahrungsgemäß verfrüht, eine Regelung zu fixieren. Die Aufarbeitung von Kränkungen sollte im Rahmen der Mediation Raum erhalten, um zu vermeiden, dass in weiterer Folge ungeheilte Verletzungen auf dem "Schlachtfeld der Kinderangelegenheiten" ausgetragen werden. Die Kinder zu diesem Zeitpunkt in die Mediation einzubeziehen wäre verfehlt. Selbst wenn die Kinder bereits im Vorfeld der Mediation in die Konflikte der Eltern miteinbezogen wurden, so ist es nun Aufgabe der Mediatoren, den Eltern alleine die Plattform zu bieten, um ihre Emotionen zu adressieren.

Gelegentlich wird in weiterer Folge überlegt, die Kinder zu befragen, wo sie denn gerne wohnen wollten, beziehungsweise, wie denn die Kontaktrechtsfragen gelöst werden sollten, doch auch hier (und ich bitte um Widerspruch in den Kommentaren zwecks Diskussion) möchte ich die These aufstellen, dass die Scheidung ein "Erwachsenending" ist. Es ist dabei eben die Kernaufgabe der zukünftigen Ex-Partner, sich auch über die Bedürfnisse der Kinder klar zu werden und ihren Job als Eltern dahingehend wahrzunehmen, diese auch vorrangig zu behandeln. Die Aufgabe des Mediators ist es, den Weg in diese Richtung zu ebnen und so auch immer die Kinder mit zu bedenken.

Das Kindeswohl, wie es in § 138 ABGB umrissen wird, beinhaltet unter anderem auch das Recht der Kinder, eben nicht in Loyalitätskonflikte der Eltern einbezogen zu werden. Sollte eine Vereinbarung hinsichtlich Betreuung oder Kontaktrecht nicht dem Wohl des Kindes entsprechen, bzw. sollte ein Wunsch nach Änderung bestehen, so bietet das Familienrecht genügend Möglichkeiten auch nachträglich die in der Scheidungsfolgenvereinbarung gefassten Regeln zu verändern. Schlussendlich besteht auch ab vierzehn Jahren das Recht des Jugendlichen, unvertreten von einem Elternteil am Bezirksgericht einen eigenen Antrag bezüglich des Wohnsitzes zu stellen. Ebenso kann das Gericht im Streitfall auch einen Elfjährigen anhören, wobei Sinn der Mediation ja ist, ebendieses zu vermeiden und die Konflikt außergerichtlich zu lösen.

Nachbarschaftsmediation

Doch auch in der Nachbarschaftsmediation spielen Kinder oftmals eine nicht unwichtige Rolle. Wenngleich die Rechtsprechung den von Kindern verursachten Geräuschpegel nicht als "Lärm" qualifiziert (siehe Entscheidung des UVS 03/P/34/2556/2004). Sogar gelegentliche kurze Raufereien bis ins Vorschulalter werden vom VwGH als nicht ungebührlich angesehen. Was jedoch unzumutbar ist, und über die Qualifikation als "gelegentlich" oder "kurz" hinausgeht, ist wie so oft der Argumentation im Einzelfall überlassen. Gerade aufgrund dieser für den einzelnen Nachbarn unsicheren rechtlichen Lage, wenden sich die Hausverwaltungen immer öfter an Mediatoren, um zeitnahe, menschliche Lösungen abseits der rein rechtlichen Ebene zu suchen.

In der Zeit der Lockdowns, des Homeoffices und des Homeschoolings hatten die Mediatoren einiges zu tun, um so manchen Konflikt zwischen Mietern zu deeskalieren. Eine nachhaltige Lösung im Sinne der erhofften Ruhe konnte dabei nicht immer erreicht werden, doch verständigten sich die Nachbarn in der Regel darauf, durch einfache Maßnahmen wie Teppiche, gedämpfte Hausschuhe und Filzunterlagen zu einer Reduktion der Lärmbelastung beizutragen. Immerhin gelang es so bei der absoluten Mehrheit der Fälle, die Chemie zwischen den Parteien zu verbessern und sicher zu stellen, dass die in ihrem Ruhebedürfnis gestörten Mieter sich nun etwas besser in die benachbarte Familie mit den spielenden, lernenden, weinenden und ja, auch schreienden Kindern hineinversetzen konnten.

Ein Fallbeispiel

Mit herzlichem Dank an die Beteiligten darf ich mit der zu Gebote stehenden Entfremdung und Anonymisierung von einem Fall berichten, der sich in der Donaustadt zugetragen hat.

Die Hausverwaltung beauftragte mich mit der Mediation zwischen den Parteien A und B, wobei B sich über die lautstark-emotionalen Stimmungen des Kindes der A beschwert hatte. Im Rahmen der Erstgespräche stellte sich heraus, dass beide Parteien durchaus großes Interesse an einer Mediation, oder zumindest an einem begleiteten Gespräch, hatten. Zu meiner Überraschung brachte die Familie A auch den neunjährigen E mit zu unserem Treffen, welches passenderweise im "Partykeller" des Hauses stattfand. E war nicht sonderlich fasziniert von unserem Treffen, viel mehr schien ihn sein Spiel auf seinem Tablet in den Bann gezogen zu haben, doch wollte ich seine Anwesenheit (bei aller kindbedingten Schonung) auch als Intervention nutzen.

Nachdem die Erwachsenen ihre Situation dargelegt hatten, versuchte ich Es Aufmerksamkeit zu erlangen. Er legte tatsächlich auch sein Tablet auf die Seite und gab zu, manchmal vielleicht ein wenig zu laut gewesen zu sein. Nun war schon vieles erreicht, zumal ein Draht nicht nur zwischen den Erwachsenen geschaffen werden konnte, sondern auch der junge E die Nachbarn erstmals persönlich im Gespräch erlebte. So konnte er auch deren gerechtfertigtes Bedürfnis nach Ruhe und guter Nachbarschaft emotional nachvollziehen. Er entschuldigte sich höflich und versprach, in Zukunft auch an die Nachbarn zu denken. Als er dann wieder mit seinem geliebten Tablet in die Wohnung gehen konnte, besprachen die Nachbarn noch untereinander das weitere Vorgehen. Die Mutter sprach davon, dass wohl die Gegenwart der Nachbarn auch einen gewissen erzieherischen Effekt auf E gehabt hätte und sie sich vorstellen konnte, dass auch in Zukunft der persönliche Kontakt der Nachbarn Vorbildwirkung auf den Sohn haben könnte.

Kinder kennen Konflikte, Kinder können auch Konflikte, um dieses Wording zu verwenden, und Kinder sind auch sehr oft der Mittelpunkt der Konfliktlösung der Erwachsenen, insbesondere, wenn ihr Wohl im Rahmen einer Scheidungsmediation beschworen wird. Im Rahmen einer Mediation, zu welchem Thema auch immer, sollten Kinder jedoch maximal für einen kurzen "Gastauftritt" teilnehmen. Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, ihre Verantwortung als Eltern dahingehend wahrzunehmen, das Wohl der Kinder in die zu erarbeitenden Lösungen einzubauen. (Ulrich Wanderer, 17.5.2022)