Nach dem Kollaps eines Kryptodollar-Projekts steigt die Angst vor einem Totalcrash des Kryptomarkts.

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Wer an den Aktien- und Kryptomärkten auf Entspannung gehofft hatte, wurde am Mittwoch einmal mehr enttäuscht. Höhere Inflationszahlen als erwartet in den USA sorgten für ein weiteres Absacken an der Börse. Auch der Preisverfall von Bitcoin setzte sich praktisch unvermindert fort und führte dazu, dass die größte Kryptowährung in der Nacht auf Donnerstag auf bis zu 24.000 Dollar abstürzte – den tiefsten Wert seit Ende 2020.

TerraUSD: 26 Cent statt ein Dollar

In den vergangenen sechs Wochen hat Bitcoin zwischenzeitlich damit um mehr als 40 Prozent seines Werts eingebüßt. Wer auf dem Höchststand im November 2021 einkaufte, hat aktuell sogar mehr als 60 Prozent der Investition verloren. Neben den makroökonomischen Umständen kämpfen Bitcoin und der gesamte Kryptomarkt aber auch mit dem vorübergehenden Kollaps des Dollar-Stablecoins TerraUSD (UST), der zwischenzeitlich statt einem Dollar nur mehr 26 Cent wert war.

Die Dollar-Kryptowährung TerraUSD (UST) verlor zwischenzeitlich 75 Prozent ihres Werts.
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Die hinter UST stehende Organisation Terraform Labs versucht seither, den Preis des Kryptodollar-Projekts zu stabilisieren. Am Donnerstag bekam man für einen Terra-Dollar aber immer noch nur 63 Cent. Das in enger Verbindung stehende Kryptoprojekt Luna wurde in diesem Zusammenhang pulverisiert und büßte bis zu 99 Prozent seines Werts ein. Da Terra als Wertsicherung in Bitcoin investiert hatte, musste die Organisation einen Großteil des Bitcoin-Vermögens auf den Markt werfen und drückte damit ebenfalls den Bitcoin-Preis.

Auch Tether-Dollar wackelt

Für einen kurzen Schockmoment in der Kryptoszene sorgte am Donnerstagvormittag allerdings der größte Stablecoin der Welt, Tether (USDT). Die Kryptowährung, die ebenfalls den Wert des Dollars widerspiegeln soll, sackte plötzlich auf 0,95 Cent ab und zog damit gleich Bitcoin und den gesamten Markt nach unten. Mit dem Wackeln der Kryptodollar-Projekte rücken nun Befürchtungen erneut in den Fokus, dass das Geschäftsmodell der als "stabil" konzipierten Coins auf äußerst wackeligen Beinen stehe.

Da die finanzielle Absicherung der Währungen nur schwer überprüfbar ist, sprechen manche gar von den "größten Betrugsmaschen der Kryptoszene". Kollabiert einer der großen Stablecoins – etwa weil nicht genügend Reserven im Hintergrund da sind –, wird befürchtet, dass das den ganzen Kryptomarkt zu Fall bringen könnte. Die Marktkapitalisierung von Tether beträgt aktuell über 80 Milliarden Dollar. Kann die Wertkopplung an den Dollar nicht mehr garantiert werden, befürchten viele, dass das gesamte System wie ein Kartenhaus zusammenfällt.

So weit ist es aktuell aber noch nicht. Nach einigen Schreckmomenten konnte Tether die Dollar-Kopplung an die Ein-Dollar-Marke wieder heranführen. In einer Stellungnahme teilte die Organisation mit, dass anders als beim Terra-Dollar Werteinlagen in einem starken, konservativen Portfolio sowie in Bargeldreserven und sicheren Bankeinlagen vorhanden seien. In den vergangenen 24 Stunden habe man 300 Millionen USDT mit einem Kurs von 1:1 in Dollar ausbezahlt und garantiere diese Kopplung auch weiterhin.

Bitcoin bleibt unter Druck

Auch wenn der zitierte Ernstfall nicht eintritt, ist ähnlich wie auf den Aktienmärkten noch keine Talsohle der aktuellen Preiskorrektur in Sicht. Im Laufe des Donnerstags machte der Bitcoin-Preis zwar einige Prozentpunkte gut und stabilisierte sich bei über 28.500 Dollar. Damit liegt der Wert aber immer noch unter den letzten großen Korrekturen im Jänner und Frühsommer 2021. Branchenkenner fassen deshalb bereits die psychologisch wichtige Marke von 20.000 Dollar ins Auge, die in den kommenden Tagen oder Wochen getestet werden könnte. (Martin Stepanek, 12.5.2022)