Verbund-Chef Michael Strugl ist nicht erfreut über die diskutierte Gewinnabschöpfung. Der Verbund braucht das Geld für den Erneuerbaren-Ausbau.

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Wien – Der massive Anstieg der Gas- und damit der Strompreise spült dem Verbund massig Kohle in die Kassa. Im ersten Quartal verbuchte der Konzern einen Nettogewinn von 514,4 Millionen Euro. Im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres (145 Millionen Euro) ist das eine Zunahme um 256 Prozent.

Diese drastische Gewinnsteigerung wird Verbund-Aktionäre freuen, allen voran den staatlichen Mehrheitseigentümer Republik Österreich. Denn der Konzern zeigt sich aufgrund des Quartalsergebnisses sehr optimistisch für das Gesamtjahr. Ein Gewinn von 1,55 bis zwei Milliarden Euro soll zum Jahresende in der Bilanz stehen. Die Ausschüttungsquote liegt traditionell zwischen 45 und 55 Prozent.

Tendenz steigend

Davon profitieren neben der Republik (51 Prozent) auch die Versorger EVN, Wiener Stadtwerke und Tiwag, die zusammen 80 Prozent halten. Im Vorjahr bekam allein die Republik 132,9 Millionen Euro an Dividende, heuer sind es (für 2021) 186 Millionen, die am Donnerstag überwiesen wurden. Tendenz steigend.

Weniger freut Stromkunden, dass der Verbund sogenannte Zufallsgewinne einstreift, während sie zur Kasse gebeten werden. Diese Zufallsgewinne sind in der Zusammensetzung des Strompreises begründet. Denn das letzte Kraftwerk, das zur Deckung des Strombedarfs zum Einsatz kommt, bestimmt den Preis. Weil das in der Regel ein Gasmeiler ist, steigt der Stromhandelspreis automatisch.

Zufallsgewinne

Eine Abschöpfung dieser Zufallsgewinne wird in Österreich – von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angestoßen – heftig diskutiert. Das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut taxiert diese Zufallsgewinne allein beim Verbund im ersten Quartal auf 362 Millionen Euro. Auf das gesamte Jahr hochgerechnet kommen die Momentum-Ökonomen auf bis zu 1,2 Milliarden Euro "Übergewinn", wie sie die Windfall-Profite nennen. Als Vergleichswert wurden Durchschnittswerte aus Jahren vor Corona, Lieferkrise und Ukraine-Krieg herangezogen.

"Der Übergewinn wird als Abstand zum Vorkriegsniveau definiert", erklärt Oliver Picek, Chefökonom am Momentum-Institut. Ein Vergleich des Verbund-Ergebnisses des ersten Quartals 2022 mit dem Durchschnitt des ersten Quartals der Jahre 2018 bis 2020 ergibt eine Gewinnsteigerung von 238 Prozent und somit einen Übergewinn von 362 Millionen Euro in den ersten drei Monaten 2022.

Sondersteuer oder Sonderdividende?

Wie abgeschöpft wird, ist offen. Möglich ist eine Sondersteuer nach italienischem Vorbild – diesfalls für alle Versorger und Krisengewinner – oder eine Sonderdividende auf Verbund-Aktien, die dann allen Aktionären zugute kommt.

Wie gut der Verbund aktuell verdient, zeigt folgendes Detail: Der durchschnittlich erzielte Absatzpreis in der Eigenerzeugung aus Wasserkraft stieg um 66,3 Euro pro Megawattstunde (MWh) auf 113,8 Euro je MWh. Dabei lag der Laufwasserkraftwerk-Erzeugungskoeffizient mit 0,94 um fünf Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert.

Investoren verärgert

Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stieg um 169 Prozent auf 814,9 Millionen Euro – im Gesamtjahr werden 2,8 bis 3,5 Milliarden Euro erwartet. Der Umsatz war mit 2,53 Milliarden Euro gut dreimal so hoch wie im Vorjahr.

An der Wiener Börse ging es mit den Kursen des Energiekonzerns weiter bergab. Die Verbund-Aktie verlor im Tagesverlauf um mehr als acht Prozent. Fonds und Großanleger goutieren eine Gewinnabschöpfung nicht. (Bettina Pfluger, Luise Ungerboeck, 12.5.2022)