Der Hobby-Fotograf Stefan Czurda gibt im Gastblog Einblick, was beim Einstieg in die Straßenfotografie helfen kann.

Mein eigener Einstieg in das faszinierende Genre der Straßenfotografie ist noch nicht solange her und war für mich definitiv kein einfacher Akt, auch wenn ich mich schon länger mit Fotografie beschäftige. Straßenfotografie ist nämlich eine durchaus anspruchsvolle Disziplin und erfordert viel Übung. Nein, ich bin kein professioneller Fotograf, aber der muss man auch nicht sein, um ansprechende Fotos im öffentlichen Leben schießen zu können.

Im folgenden Beitrag möchte ich ein paar persönliche Erfahrungen teilen und Interessierten einige praktische Tipps geben, die mir selbst geholfen haben. Ich hoffe, dass die folgenden Anregungen das Leben beim Fotografieren auf der Straße anfangs etwas leichter machen.

Sich Zeit geben

Gut Ding braucht Weile und so ist es auch beim Fotografieren. Leider wird man nicht innerhalb eines Jahres zu einem gestandenen Straßenfotografen. Der bin ich selbst auch noch nicht! Aber mit etwas Geduld und Übung verbessern sich die Fotos von Monat zu Monat. Und das merkt man letztendlich auch. Auf meinem Instagram-Profil probiere ich, die Chronologie meiner Fotos halbwegs einzuhalten und kann so meinen eigenen Fortschritt beobachten.

Die Augen und das Gespür sind das wertvollstes Gut, daher sollte man diese Sinne auf der Straße trainieren. Spannende Situationen im öffentlichen Leben vorauszusehen, kann man lernen. Man muss sich Zeit nehmen, um sich umzusehen, um interessante Szenen, besondere Lichtverhältnisse und Strukturen auf der Straßen zu identifizieren, denn genau so entstehen aufregende Fotos. Das Sensibilisieren der Sinne für die Straßenfotografie braucht ein wenig Zeit und genau die sollte man sich anfangs nehmen.

Einfache Straßenszenen suchen

Meine ersten Fotos im öffentlichen Raum waren unruhig und überladen mit Elementen, die man als Betrachter als unharmonisch empfindet. Das folgende Foto ist in meinem ersten Beitrag zu sehen. Es zeigt einen Radfahrer in der Innenstadt von Graz. Eigentlich wäre er ein interessantes Motiv, allerdings finde ich das Bild aufgrund der zahlreichen anderen Bildelemente einfach unruhig.

Unruhige Fotos vermeiden
Foto: Stefan Czurda

Viel besser ist es, wenn man Szenen aus dem Wirrwarr des Straßenalltags herausisoliert. Beispielsweise kann man einen spannenden Hintergrund wie Graffitis oder ein Street Art suchen und dort beginnen, am Bild zu arbeiten.

Ist im Sucher der Kamera eine Szene mit einem passenden Hintergrund inszeniert, dann wartet man einfach, bis etwas passiert. Es kann ein Radfahrer vorbeikommen, oder interessante Personen, die sich ein wenig aus der Masse abheben. Schon hat man ein Hauptmotiv für das Foto gefunden. So einfach können anfangs funktionierende Fotos entstehen, die auf den Betrachter angenehm und aufgeräumt wirken.

Spannender Hintergrund
Foto: Stefan Czurda

Solche Fotos sind natürlich noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber geben anfangs ein wenig Sicherheit und ein Gefühl dafür, was in der Straßenfotografie funktioniert und was nicht.

Mit dem Bildaufbau beschäftigen

Henri Cartier-Bresson, der Urvater der Straßenfotografie, war ein Meister des Bildaufbaus. Die geschickte und teils unglaublich komplexe Positionierung von spannenden Elementen haben seine Fotos so außergewöhnlich gemacht. Das ist die wahre Kunst der Fotografie!

Das Gute ist, dass man den Bildaufbau erlernen kann. Es gibt sehr viele Ansätze, die helfen, um ein Foto harmonisch und interessant wirken zu lassen. Konzepte wie die Drittelregel, der Goldene Schnitt, führende Linien und der Aufbau eines Bildes in unterschiedlichen Ebenen lassen sich in der Straßenfotografie anwenden. Das folgende Foto beispielsweise zeigt einen Aufbau in unterschiedlichen Ebenen. 

Aufbau eines Fotos in Ebenen.
Foto: Stefan Czurda

Im Vordergrund befinden sich die Blumen, in der Mitte des Bildes der Weg mit den Bäumen und die Wiese, und im Hintergrund folgt die gelbe Mauer mit dem Hauptmotiv, dem Kopf des Mädchens. Durch die Vielschichtigkeit und die unterschiedlichen Farben entsteht eine Tiefenwirkung im Bild, die interessant wirkt. Mit einem gekonnten Bildaufbau erschafft man funktionierende Fotos.

In zahlreichen Lehrbüchern zur Fotografie, in Fotokursen, aber natürlich auch mithilfe von YouTube-Videos von Experten der Straßenfotografie können diese Techniken erlernt und auf der Straße umgesetzt werden. Gut finde ich beispielsweise den Street Photography-Kanal "Streetsnappers" von Brian Lloyd Duckett. In dem folgenden Video ist beispielsweise eine Episode über den Bildaufbau zu sehen.

StreetSnappers // Brian Lloyd Duckett

Können ist wichtiger als Technik

Wir alle lieben Technik und viele Hobbyfotografen geben unendlich viel Geld für ihr liebstes Hobby aus. Ich nehme mich hier auch definitiv nicht aus. Für die Straßenfotografie benötigt man aber eigentlich nicht viel Equipment und schon gar nicht die teuerste und beste Kamera. Ein Handy reicht anfangs vollkommen aus.

Ich würde das Geld zunächst eher in einen Fotokurs investieren, oder in geführte Street-Photography-Touren, um von erfahrenen Fotografen zu lernen. Auch das eine oder andere Buch zum Thema Straßenfotografie kann man sich anfangs sicher leisten.

Wenn man besser wird und Spaß an der Sache hat, dann empfehle ich eine kleine, handliche und dezente Systemkamera, die nicht zu viel Gewicht hat und die man den ganzen Tag herumtragen kann. Dazu noch ein Normal-Zoom-Objektiv (mit einer Brennweite von 24-70 mm) oder eine Reportage-Festbrennweite (28 mm, 35 mm oder 50 mm), mit der man sich wohl fühlt, und schon ist man für die Straßenfotografie bestens gerüstet. Dafür muss man kein Vermögen ausgeben!

Wenn man mit Straßenfotografie beginnt, ist es durchaus normal, dass man sich zunächst unwohl fühlt, fremde Menschen zu fotografieren. Bei mir war es anfangs genau so und teilweise ist es das heute noch immer. Um dieses Unwohlsein etwas loszulassen, empfehle ich Folgendes:

Man sollte sich auf jeden Fall mit den rechtlichen Grundlagen beschäftigen, um zu wissen, was man fotografieren darf und was man besser sein lässt. Wenn man sich beim Fotografieren auf der Straße bei einer bestimmten Situation nicht gut fühlt, dann sollte man es lassen. Orte, wo sich viele Touristen befinden und das Fotografieren alltäglich ist, wie zum Beispiel in der Wiener Innenstadt, sind anfangs dafür gut geeignet.

Fotografieren in der Wiener Innenstadt.
Foto: Stefan Czurda

In dieser Umgebung kann man entspannt starten. An diesen Orten fällt man mit einer Kamera kaum auf und man kann problemlos üben. Menschen, bei denen man auch nur das kleinste Konfliktpotential sieht, sollte man nicht fotografieren. Das ist auch das beste Foto nicht Wert. Ich fotografiere auch keine Obdachlosen, Bettler oder sozial bedürftige Menschen. Natürlich sind auch diese Personen Teil unserer Gesellschaft und deren Dokumentation kann sehr wichtig sein, aber wenn man sich in die Lage dieser Menschen versetzt, dann möchte man wahrscheinlich auch nicht abgebildet werden. Abgesehen davon würde die DSGVO das wohl nicht zulassen.

Man muss auch nicht Menschen erkennbar auf Fotos abbilden. Wenn man kreativ ist, dann kann man auch tolle Fotos ohne klar identifizierbare Personen machen. Viele Fotos von Alan Schaller zeigen keine erkennbaren Menschen und sind trotzdem unglaublich stimmig.

Das Unwohlsein wird mit der Zeit besser, je mehr ihr übt. Ein wenig wird das Gefühl aber sicher vorhanden bleiben, und das ist auch gut so! Denn dann spricht das Gewissen, auf das man immer hören solltet. Man sollte aber trotzdem bedenken, dass man als Straßenfotograf ein berechtigtes Interesse an der Sache hat und man nichts Verbotenes macht, wenn man im öffentlichen Raum fotografiert.

Bitte um Ihre Tipps!

Ich hoffe, dass dieser Beitrag ein wenig beim Einstieg in die Street-Photography hilft. Ich bin sehr gespannt auf Feedback und Ihre Tipps zu diesem Thema. (Stefan Czurda, 24.5.2022)

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