"Dirty Dancing", ein feministisches Meisterwerk, wie manche meinen.

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Seit der Supreme-Court-Leak zum Grundsatzurteil Roe v. Wade verraten hat, dass es um das landesweite Recht auf Abtreibung in den USA schlecht steht, erinnerten sich wieder viele an "Dirty Dancing". Der 1987 erschienene Film wurde erst von der Kritik als kindische Schnulze belächelt. Jahrzehnte später wissen hingegen viele den kritischen Blick auf Klassenverhältnisse und Frauenrechte zu schätzen, den "Dirty Dancing" bietet. Denn illegale Abtreibung war neben Cha-Cha-Cha, Mambo und dem nackten Oberkörper von Johnny (Patrick Swayze) ein zentrales Thema, manche sagen sogar: das zentrale Thema. Schließlich musste Baby bekanntlich wegen einer Schwangerschaft für Johnnys Tanzpartnerin Penny einspringen, und so fängt alles an.

Abtreibungen tauchen seit einigen Jahren in der Populärkultur längst nicht mehr derart tabuisiert auf, wie es lange der Fall war. Von "Grey's Anatomy" über "Brigerton" bis hinauf zum "Bergdoktor" sind durchaus populärkulturelle Fortschritte im Umgang mit Abtreibung zu beobachten– entgegen den realen politischen Entwicklungen in den USA. Aber auch sehr konservative Bilder, etwa aus Österreich.

Doch zuvor zu einem Klassiker der Abtreibungserzählungen: "Dirty Dancing". Im August dieses Jahres ist es 31 Jahre her, dass der Film in die Kinos kam. Es ist diesem Film nicht einfach so passiert, dass die Gefahren von illegaler Abtreibung eine so große Rolle spielen. Vor wenigen Jahren erst gab es ein Interview mit Eleanor Bergstein, Drehbuchautorin des Films, in dem sie ihre Überlegungen dazu darlegte – und dass Roe v. Wade womöglich nicht für immer bleiben würde.

Erstaunlich an der Erzählung zu Abtreibung in "Dirty Dancing" ist, dass es praktisch kein moralisches Urteil gibt. Verurteilt wird von jeglichen Sympathieträger:innen im Film nur einer: jener Mann, der Penny mit seinem dilettantischen Schwangerschaftsabbruch in Lebensgefahr gebracht hat. Die gesetzliche Lage hingegen wird nicht explizit angesprochen, es waren die 1960er-Jahre, in denen "Dirty Dancing" spielt. Da war nichts mit legaler Abtreibung.

Doch von der Verurteilung dieses Mannes abgesehen, der die illegale Abtreibung für Penny lebensgefährlich werden ließ, gibt es absolut keine Wertung. Es gibt keine Diskussion darüber, ob es andere Möglichkeit gäbe, es richtig oder falsch wäre. Auch die erst 17-jährige Baby bleibt von moralischen Anflügen befreit und will Penny einfach helfen.

Movieclips

Zum 22. Geburtstag von "Dirty Dancing" schrieb eine Journalistin im "Guardian" von dem Film als einer "subversiven Gegenerzählung zu vielen Dingen", die sie von Erwachsenen um sie herum hörte. Er habe ihr wesentliche "kulturelle Referenzen über Amerika vor Roe v Wade, über einvernehmlichen Sex und über Vergewaltigung" geliefert. "Dirty Dancing" sei nicht weniger als ein feministisches Meisterwerk.

Was für eine Vorlage. Jüngere Darstellungen von Abtreibung, die sich dem Thema offenkundig ebenfalls mit einer feministischen Botschaft nähern, gibt es aber inzwischen einige.

Keine Frage der Anatomie in "Grey's Anatomy"

Etwa "Grey's Anatomy", wo gesellschaftspolitische Themen generell gern verhandelt werden. In der achten Staffel weiß die Chirurgin Christina Yang schnell, dass sie eine Abtreibung will. Als sie entdeckt, dass sie schwanger ist, kämpft gerade ihre engste Freundin Meredith Gray darum, Mutter zu werden – allerdings nicht auf biologischem Weg. Grey steckt gerade in einem herausfordernden Adoptionsprozess. Der Wunsch nach einem Kind oder eben die Ablehnung, Mutter zu werden, wird somit gleich von zwei Erzählsträngen als unabhängig vom weiblichen Körper dargestellt. Da ist Yang auf der einen Seite, die keinerlei Bedürfnis nach Mutterschaft verspürt – während Frauen aufgrund ihrer physischen Möglichkeit bis heute über weite Strecken aber genau das als "natürlichen" Wunsch zugeschrieben wird. Auf der anderen Seite Grey, für die bisher Kinder zwar auch kein Thema waren, die sich aber um dieses eine Mädchen kümmern will, das sie im Krankenhaus kennenlernt. Für sie will sie unbedingt sorgen. Ihr weiblicher Körper bleibt aber schön außen vor. Ein interessanter Move der Serie.

Kein Drama bei "Please like Me"

Ganz ohne Drama kommt man bei "Please Like Me" aus. In der australischen Comedyserie wird Claire schwanger. Sie ist eine gute Freundin und Mitbewohnerin des Hauptprotagonisten Josh, der ihr während der verschiedenen Phasen eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs beisteht. Er geht mit ihr zum Termin einer Abtreibungsklinik, vor der – wie so oft – Abtreibungsgegner mit Schildern stehen und Folder in der Hand halten, zwei an der Zahl. Bedrohlich wirken sie in der Szene nicht, eher ein bisschen unmotiviert. Josh nimmt einen Folder, er wolle "höflich" sein, wie er Claire erklärt. Sie machen sich lustig, dass die Abtreibungsgegner in ihrem Folder Fötus falsch schreiben – um draufzukommen, dass sie sich selbst über die korrekte Orthografie bei "Fötus" nicht ganz sicher sind. Es sind diese kleinen Details, die die Geschichte um Claires Abtreibung gekonnt in alltägliche Szenerien einbettet und sie so zu etwas Normalem, Alltäglichen macht – und die Erfahrung trotzdem nicht banalisiert.

Als Claire auf der Toilette sitzend auf den Abort wartet, hat sie Schmerzen. Sie fühlen sich in etwa wie stärkere Regelschmerzen an, erfahren die Zuseher:innen durch den vorangehenden Termin bei der Ärztin in besagter Klinik. Claire ist nach dem Abort traurig und nachdenklich. Dass sie die Schwangerschaft womöglich fortsetzen wolle, ist aber kein Thema. Während der anhaltenden Schmerzen fiel ihr als einziges Learning daraus ein, "nie mehr Sex haben zu wollen", wie sie wütend durch die WG-Tür schreit. Ihre Freund:innen sind für sie da, als sie erledigt auf dem Sofa liegt. Es war nicht super, aber auch kein Drama. Nicht mehr und nicht weniger.

Entscheidender Tagtraum in "Dear White People"

Sehr viel Pathos hingegen gibt es in "Dear White People". Im Abtreibungsplot der Serie über schwarzer Studierende an einer Ivy League-Uni wird dick aufgetragen. Sam ist schwanger – und schwankt. Ihre Zimmerkollegin behandelt sie sofort wie eine sehr betreuungsbedürftige Schwangere im 9. Monat – und bestärkt Sam eher darin, die Schwangerschaft fortzuführen. Sam liefert Gegenargumente, zwischendurch fällt ihnen ein, dass sie aber in jedem Fall froh darüber seien, diese Unterhaltung nicht in Texas, Kentucky oder Missouri führen zu müssen. Also überall dort, wo strenge Abtreibungsgesetze herrschen. Trotzdem wird in der Episode wie so oft bei dem Thema das Wort "Abtreibung" kaum ausgesprochen. Es bleibt auch Sam im Halse stecken, als sie ausdrücken will, dass sie nicht wisse, was sie tun soll. Sie sagt, sie gehöre doch weder "zu den Frauen, die einfach so ein Kind bekämen", noch zu jenen die ...". Beides klingt bei ihr nach ziemlich viel Verachtung für beide Gruppen. Zu ihrer Entscheidung findet sie schließlich, als sie sich eine Zukunft vorstellt, in der sie ihre Tochter zu ihrem ersten Tag an jener Uni bringt, wo sie früher selbst glaubte, es stünden ihr alle Möglichkeiten offen. Sie bestärkt ihre Tochter, ihre Möglichkeiten zu nutzen, und darin, dass sie für sich selbst einstehen muss – ein Tagtraum, der ihr zeigt, dass sie diesen Rat für sich selbst nicht beherzigt hat. Und dass sie die Geschichte der zu frühen Schwangerschaften, wie sie sie auch ihre eigene Mutter schon erlebt hat, schon jetzt selbst beenden muss. Und so steht ihr Entschluss schließlich fest.

Blumiger Kräutertee-Abtreibungsversuch in "Bridgerton"

In "Bridgerton" ist Abtreibung entsprechend der Zeit, in der die Serie spielt, sowohl eine Frage des tatsächlichen als auch des gesellschaftlichen Überlebens: Es ist Anfang des 19. Jahrhunderts. Wieder wird parallel ein großer Wunsch nach einer Schwangerschaft mit einem Abbruch erzählt. Es bleibt allerdings beim Versuch. Die Figur Marina Thompson wird zur Familie Featheringtons gebracht, die sie in die Gesellschaft einführen soll. Kurz nach ihrer Ankunft entdeckt sie aber, dass sie von einer Affäre vor ihrer Abfahrt schwanger wurde. Im viktorianischen "Bridgerton" heißt ein Schwangerschaft auch, schnell in Verlobungs- und Heiratsdingen aktiv werden zu müssen. Es muss rasch gehen, bevor man etwas sieht. Dass wohl die meisten Frauen keine ärztliche Hilfe für einen Abbruch in Anspruch nehmen konnten, das ist das eine. Das andere ist, dass man ohne Schwangerschaftstest auskommen musste – was mit langem Warten verbunden war. Marina mischt sich in ihrer Verzweiflung einen Kräutertee, der eine Fehlgeburt auslösen soll – der Trank verursacht allerdings lediglich eine Ohnmacht. Wie so vieles in "Bridgerton" ist auch die Self-Made-Abtreibung relativ blumig und geht ohne Blut und ohne große Gefahr über die Bühne.

Harter Tobak in den Bergen

Und selbst beim "Bergdoktor" darf inzwischen das Thema Abtreibung existieren – wenn auch mit sehr vielen Verrenkungen, um eine konservative Grundbotschaft trotzdem weiterleben zu lassen. Theresa ist 50 und von ihrem 25 Jahre jüngeren Liebhaber schwanger. Und das, obwohl sie bereits seit einem Jahr in der Menopause ist. Teresa will eine Abtreibung, sagt sie jedenfalls – während es aber oft so scheint, als könne sie sich selbst nicht trauen. Beim Bergdoktor Dr. Gruber geht es dann ans Eingemachte: Genervt wirft ihm seine Patientin vor, natürlich immer für das "ungeborene Leben" zu sein. Anstatt sich mit seinen Werten zurückzuhalten, sagt der Bergdoktor: "Prinzipiell ja." Aber, nun ja, das müsse schon sie selbst entscheiden, kommt dann noch. Später fragt sogar die Sprechstundenhilfe zweifelnd den Doktor, ob denn "das die richtige Entscheidung" sei, als sie erfährt, dass Theresa abtreiben will. Dr. Gruber zeigt sich nach dem verpflichtenden Beratungstermin zerknirscht, dass Theresa bei ihrer Entscheidung blieb. Somit wurde beim "Bergdoktor" kurzerhand die deutsche Rechtslage nach Österreich verfrachtet, wo es diese Vorgabe einer verpflichtenden Beratung nicht gibt, das Abtreibungsrecht also liberaler ist. Aber eben nicht beim Bergdoktor. Der darf Theresa wirklich die Frage stellen, ob sie sich "der Konsequenzen" bewusst sei, seiner 50-jährigen Patientin. Immerhin: Diese Szene ließ die verpflichtenden Beratungen entmündigend bis absurd wirken.

Schließlich gibt es eine dramatische Wendung: Irgendetwas stimmt mit Theresa nicht, vielleicht eine schlimme Stoffwechselstörung? Man weiß es erst nicht genau. Aber die Abtreibungspille darf sie jetzt auf keinen Fall nehmen – das würde ihr Leben gefährden, wissen die Ärzte und Ärztinnen. Das Medikament wird für einige Szenen quasi zur geladenen Waffe. Letztendlich kommt eine schwere Krankheit dazwischen, die eine Weiterentwicklung des Embryos ohnehin nicht mehr möglich macht. Als Theresa das erfährt, ist sie sichtlich getroffen. Sie hatte also doch nicht ganz gewusst, was sie da tut. Zwischen all dem eingestrickte Sätze wie "Das ist ihre Entscheidung" oder "Es ist mein Körper" wirken da wie ein Fremdkörper in einer insgesamt sehr altbackenen und katholischen Darstellung von Abtreibung.

Dann mal lieber zurück in die späten 1980er, hier könnte sich Dr. Gruber von Pennys emphatischen "Dirty Dancing"-Freund:innen und -Helfer:innen noch einiges abschauen. (Beate Hausbichler, 20.5.2022)