Singende Weltspitze, immer gerne zu Gast im Wiener Konzerthaus: Brigitte Christensen, Asmik Grigorian, Regula Mühlemann und Christian Gerhaher (v. li.).
Foto: Artefact, Bakas, Werner, Sony

Singen tut gut: Der Körpertonus steigt, die Lungen füllen und die Wangen röten sich. Und aus der Kehle strömt das Innerste der Seele. Doch nicht nur das aktive Singen zeitigt positive Nebenwirkungen, auch der passive Genuss von Gesang wirkt auf ein welkes, alltagsgraues Gemüt oft wie eine labende Speise, ja fast wie Medizin.

Das weiß man auch in der Dramaturgie des Wiener Konzerthauses. Stets um das Wohlergehen seines Publikums bemüht, wurden dort vier Zyklen ersonnen, in denen Freundinnen und Freunde der Vokalmusik Erquickung und Erbauung erleben können.

Das Prunkstück, das Ass dieses Aboquartetts, stellt wohl die Reihe "VokalKlang" dar. An fünf Abenden können im Großen Saal des Konzerthauses Höhepunkte der Chormusik von der Barockzeit bis zur Moderne genossen werden. Einen tragenden Pfeiler in diesem fünfteiligen Zyklus stellt die Wiener Singakademie dar. Die erste gemischte Chorvereinigung Wiens, anno 1858 gegründet, wird seit bald einem Vierteljahrhundert von Heinz Ferlesch geleitet.

Der mitgliederstarke Laienchor wird in der Saison 2022/23 seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen müssen: Im ersten Konzert etwa steht Romantisches an, und zwar das Schicksalslied und die Nänie von Johannes Brahms. Die vertonten Gedichte von Hölderlin und Schiller thematisieren die Ungewissheit und die Vergänglichkeit alles Schönen sowie die der menschlichen Existenz. Das Orchestre symphonique de Montréal wird danach unter der Leitung von Rafael Payare Mahlers fünfte Symphonie interpretieren, die mit demAdagietto eine der schönsten Liebesbezeugungen der Orchesterliteratur bereithält (24. 10. 22).

Ein Original kommt

Mit Georg Friedrich Händels Messiah steht dann eines der populärsten Barockoratorien auf dem Programm. Heinz Ferlesch wird hier neben der Singakademie auch das von ihm gegründete Originalklangorchester Barucco leiten: ein hausgemachter Wiener Messias, sozusagen (10. 12. 22). Und im März nächsten Jahres musiziert die Singakademie dann zusammen mit dem ORF RSO Wien unter der Leitung von Nicholas Collon. Der britische Dirigent, nicht zuletzt mit seinem Aurora Orchestra gefeiert, wird Edward Elgars Oratorium The Dream of Gerontius zur Aufführung bringen (2. 3. 23).

Neben dem Messiah wird im Zyklus "VokalKlang" noch ein zweites Händel-Oratorium angeboten: Das Concerto Copenhagen gibt (Leitung: Lars Ulrik Mortensen) Laresurrezione. Das frühe Auferstehungsoratorium stellt gleichzeitig auch den positiven Schlusspunkt des Alte-Musik-Festivals Resonanzen dar, das sich 2023 der Unterwelt widmet (29. 1. 23).

Eine außergewöhnliche Unternehmung beschließt die Reihe: Die Wiener Philharmoniker wagen mit Bachs Matthäuspassion eine Tour auf den Olymp geistlicher Barockmusik. Als Expeditionsleiter fungiert Dirigent Franz Welser-Möst: mal eine Abwechslung nach dem vielen Richard Strauss, den man zusammen interpretiert hat.

Gesunden durch Töne

Das Orchester soll sich auf die Reise in das entlegene Repertoiregefilde dem Vernehmen nach durchaus freuen (1. 4. 23). Bei der 15. Auflage des Zyklus "Bach-Kantaten" sind aber einige Kapazunder dabei, die Ähnliches wag(t)en: Ton Koopman etwa, der mit den Wiener Symphonikern und dem Schönberg-Chor Bachs Weihnachtsoratorium aufführen wird, oder Rudolf Lutz mit dem Orchester der in der Schweiz beheimateten J.-S.-Bach-Stiftung.

Den weitesten Anreiseweg haben in diesem Zyklus das Bach Collegium Japan und Dirigent Masaaki Suzuki; für Lokalkolorit sorgen Michi Gaigg und das L’Orfeo Barockorchester.

Seit 2014 hat die Company of Music einen Zyklus im Konzerthaus. In der Saison 2022/23 erfreut das hochkarätige Vokalensemble unter der Leitung von Johannes Hiemetsberger mit dreierlei: Eingebettet in eine kleine Schubertiade, werden unter dem Titel "Herzgedanken" fünf Rückert-Lieder von Gustav Mahler in einer zwölfstimmigen Bearbeitung von Lukas Haselböck präsentiert. Es folgt die Missa Bruxellensis von Heinrich Ignaz Biber; mit Ligetis Lux aeterna sowie noch nie gehörten Vokalwerken des ungarischen Meisters wird finalisiert.

Gast im Zyklus "Company of Music" ist das Vokalensemble Chanticleer. Und beim siebenteiligen Zyklus "Lied"? Da gibt es Highlights wie den Rachmaninow-Abend von Asmik Grigorian, ungewöhnliche Paarbildungen wie die von Tenor Ian Bostridge und Jazzpianist Brad Mehldau, einen Goethe-Abend mit Tenor Christoph Prégardien und Schauspieler Udo Samel oder einen Abend mit Ensembleliedern von Franz Schubert. Christian Gerhaher singt auch. An all diesen schönen Tönen gesundet das Gemüt sicher augenblicklich.

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Die Reihe "Allez hop" für die Jungen: es sich gemütlich machen im Berio-Saal des Wiener Konzerthauses – für sehr spannende Geschichten.
Foto: Max Wegscheidler

Klatschmohn und Löwenzahn

In der Reihe "Allez hop" können Kinder von drei bis fünf Jahren auf natürliche Weise die Musik entdecken

Wien – Da ist erst einmal Poppy. Die Klatschmohnblüte ist knallrot und hat eine zupackende Art. Und dann gibt es Dandelion, den Löwenzahn. Der hat eine grüne Kapuzenjacke an und ist eher verträumt. Gemeinsam erforschen sie die Natur um sie herum, die Wiesen, Bäche und die Tiere. Beim nächsten Abenteuer erkunden sie die Nacht.

Was glitzert da oben im dunklen Himmel? Ein anderes Mal sind auf der Wiese seltsame Klänge zu hören. Woher kommen die? Und zum Schluss wird dann ein Fest gefeiert. Kann man da mitmachen? Aber auf jeden Fall!

Sarah Jeanne Babits hat sich die Welt von Poppy und Dandelion ausgedacht. Die in Wien lebende Schauspielerin, Regisseurin und Autorin hat für das Konzerthaus eine fünfteilige Reihe für Kinder von drei bis fünf Jahren konzipiert, in der es um die Natur geht, aber natürlich auch um Klänge, Töne und Geräusche.

Animiertes Bühnenbild

Der Boden des Berio-Saals ist mit weichen Matten ausgelegt, auf denen es sich die Kleinen samt Anhang gemütlich machen können – oder natürlich auch mitmachen und mitsingen bei den spannenden Geschichten, die oben auf der Bühne passieren.

Matthias Werner hat die Musik dafür komponiert; es gibt aber für jede Ausgabe auch einen oder mehreren Gastmusiker, die ihre eigenen Klangwelten mitbringen: den Trompeter Thomas Gansch, den Geiger Emmanuel Tjeknavorian oder die Cellistin Sophie Abraham zum Beispiel. Und der/die/das Wichtigste darf nicht vergessen werden: nämlich Allez hop!

Das wandelbare kleine Wesen erscheint, wenn es von Poppy und Dandelion gerufen wird und tummelt sich dann auf dem live animierten Bühnenbild – wo es hoffentlich allen möglichen Schabernack treibt. (Stefan Ender, 13.5.2022)