SPD-Mann Thomas Kutschaty will Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden, Hendrik Wüst (CDU) ist es derzeit. Wie es nach den Wahlen am Sonntag weitergeht, ist offen.

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Noch heißt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst, er ist ein CDU-Mann. Doch Olaf Scholz (SDP) ist überzeugt, dass sich das nach dem Sonntag ändern wird. "Die SPD wird den nächsten Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen stellen", sagte der deutsche Kanzler in einem Interview kurz vor der Wahl.

Auch sonst hat sich Scholz ziemlich ins Zeug gelegt, um SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty zu unterstützen. Er war im Wahlkampf mehrmals in Nordrhein-Westfalen, Plakate an Rhein und Ruhr zeigen Kutschaty und Scholz zusammen, wie sie zuversichtlich in die Ferne blicken.

"Nein, es ist kein Risiko, Wahlkampf mit Olaf Scholz zu machen", sagte Kutschaty im Endspurt. Denn es hatte schon Zweifel gegeben, ob Scholz Wind unter die Flügel geben kann. Schließlich steht er wegen seiner Zurückhaltung in der Ukraine-Politik in der Kritik. Tenor: Er hilft viel zu zögerlich mit schweren Waffen. Und in der Ukraine war der deutsche Bundeskanzler seit Kriegsbeginn auch immer noch nicht.

Rückenwind aus Berlin

Doch Oppositionsführer Kutschaty (53) findet: "Der macht das genau richtig. Gerade für seinen besonnenen Kurs in der Ukraine-Krise hat der Kanzler auch viel Rückhalt in der Bevölkerung. Und das gibt auch Rückenwind für uns."

Am Sonntag ein Sieg in Düsseldorf – das wäre für die deutschen Sozialdemokraten ein Traum. Das Land ist das bevölkerungsreichste in Deutschland (18 Millionen Einwohner), weshalb eine Landtagswahl dort immer als "kleine Bundestagswahl" gilt. "Die Wahl in Nordrhein-Westfalen hat für uns als Bundespartei eine hohe Bedeutung", sagt SPD-Bundesparteichef Lars Klingbeil.

Die letzte Sozialdemokratin, die Nordrhein-Westfalen regierte, war Hannelore Kraft. 2017 musste sie aus der Staatskanzlei in Düsseldorf ausziehen, ihr folgte Armin Laschet (CDU) nach. Er bildete eine schwarz-gelbe Regierung mit der FDP.

Laschet lachte laut

Wäre er noch heute Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen – vielleicht würde die CDU besser dastehen. Laschet war zunächst beliebt. Doch dann, im Frühjahr 2021, wurde er zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt, agierte glücklos, lachte im Hochwassergebiet und verlor sehr viel.

Der Einzug ins Berliner Kanzleramt klappte nicht, nach Nordrhein-Westfalen konnte Laschet aber auch nicht wieder einfach zurück. Er ist heute nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter.

In Düsseldorf folgte Laschet Hendrik Wüst (CDU) nach. Er war bis zu seiner Vereidigung als Ministerpräsident im Oktober 2021 Verkehrsminister unter Laschet im Landes-Kabinett gewesen.

Einen großen Amtsbonus hat sich der 46-Jährige noch nicht erarbeiten können. Auch daher sieht die SPD Chancen für sich. "Düsseldorf ist nicht Kiel", sagt SPD-Mann Kutschaty. Eine Anspielung an die Landtagswahl in Schleswig-Holstein eine Woche zuvor. Dort war von vornherein klar gewesen, dass der beliebte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) abräumen würde. Und so kam es dann auch, er schaffte fast die absolute Mandatarsmehrheit. Die SPD hingegen sackte verheerend ab.

Die FDP schwächelt

Doch in Nordrhein-Westfalen ist die Ausgangslage eine andere. Die amtierende CDU liegt bei 32 Prozent, die SPD mit 29 Prozent nur knapp dahinter. Da den Grünen starke Zugewinne und 17 Prozent vorausgesagt werden, könnte es rechnerisch für den rot-grünen Wechsel reichen – zumal Wüsts bisheriger Koalitionspartner, die FDP, schwächelt.

Auch Merz hat sich in seinem Heimatbundesland nicht lumpen lassen und war viel unterwegs. Einmal trat er sogar mit CSU-Chef Markus Söder auf. Nach Kiew ist er auch gereist, da hat er Scholz etwas voraus. Auch Merz bräuchte den Sieg seiner Partei. Er muss zeigen, dass er der Richtige für den Erneuerungskurs der Union nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 ist.

Also denkt Ministerpräsident Wüst auch daran, den Koalitionspartner zu wechseln. Wenn es mit der FDP nicht reicht, könnte er versuchen, die Grünen mit ins Boot zu holen. Im Wahlkampf schlug er sich schon einmal auf die Seite des beliebtesten Grünen und sagte: "Ich unterstütze Robert Habeck beim Ausbau der Erneuerbaren." (Birgit Baumann aus Berlin, 15.5.2022)