Eigentlich wollte Österreich mit der Impfpflicht Vorreiter sein. Sie kam dann ein bisschen, momentan liegt sie auf Eis.

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In 14 Tagen tritt die Impfpflicht in Kraft. Zumindest, wenn niemand zeitgerecht etwas unternimmt. Bis dahin wird, so der Plan, aber noch eine Fachkommission ihr Urteil abgeben, die Politik wird wohl darauf reagieren. Doch politische und fachliche Meinung waren dabei in der Vergangenheit nicht immer gleichlautend.

Zeit also für eine Zwischenbilanz: Will eigentlich noch irgendjemand eine allgemeine Corona-Impfpflicht? Und wenn ja, wäre sie mittlerweile überhaupt umsetzbar? Immerhin hakte es nicht zuletzt an technischen Tücken, als das Gesetz eigentlich längst beschlossene Sache war.

Kurzer Blick zurück: Im November einigte sich die Koalition mit SPÖ und Neos auf eine Impfpflicht und verkündete eine solche auch gleich. Ex-Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) trat dafür damals vor die Kameras. Im Jänner wurde klar, dass die technischen Voraussetzungen dafür aber fehlen.

Das Gesetz kam im Februar trotzdem, Strafen bei Verstößen gab es aber nicht. Ab Mitte März, so wurde gesetzlich festgelegt, sollte die Polizei mehr oder minder zufällig Ungeimpfte finden und die dann strafen. Verschärft sich die Lage – und ist die Technik so weit –, könne auch automatisiert gestraft werden. Noch bevor eine einzige Person gestraft wurde, setzte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) das Gesetz mit einer Verordnung aus.

Keine Befürworter

Und eben diese Verordnung läuft Ende Mai aus, damit würde die Impfpflicht automatisch wieder aktiviert werden. Und nachdem im Gesetz noch immer von Mitte März als Startdatum für Strafen die Rede ist, würde ab 1. Juni erstmals auch stichprobenartig gestraft werden. Damit das nicht passiert, muss Rauch eine neue Verordnung schreiben lassen oder die bestehende verlängern.

Mit dieser Entscheidung will er aber warten, bis der Bericht der Impfpflichtkommission vorliegt. Diese beurteilt aus medizinischer und juristischer Sicht, ob das Impfpflichtgesetz – verknappt formuliert – tauglich und brauchbar ist. Das tat sie schon einmal im März, da sah sie Spielraum für und gegen eine Impfpflicht für gänzlich Ungeimpfte, Rauch hat sie dann eben abgeblasen.

Im Endeffekt ist die Entscheidung also auch eine politische, und die liegt nur formal beim Gesundheitsminister. In der Praxis waren es die Landeshauptleute, die im Spätwinter die Stimmung kippen ließen – und von denen auch jetzt niemand von einer Impfpflicht begeistert ist, wie ein Rundruf des STANDARD zeigt: "Wir setzen lieber auf Freiwilligkeit statt auf Zwang", heißt es da etwa aus dem schwarzen Salzburg. Aus dem roten Burgenland kommt: "Der letzte Impfpflichtvorstoß der Bundesregierung ist zu einer Posse verkommen", man habe immer gesagt, die Pflicht ergebe in der Form keinen Sinn.

Technik fehlt

Etwas differenzierter heißt es aus der von der ÖVP geführten Steiermark: Man wisse nicht, was komme, es sei gut, die gesetzliche Grundlage zu haben. Im roten Kärnten – und übrigens auch im Verfassungsministerium – will man den Bericht abwarten, bevor man über politische Positionen spricht.

Aus der Bundesopposition ist die FPÖ naturgemäß gegen das Gesetz. Von der SPÖ – einst einig mit der Koalition – heißt es nun, die Umsetzung sei "unrealistisch", schuld sei die Regierung, die das Vertrauen verspielt habe.

Selbst wenn die Impfpflicht im Juni absichtlich oder unabsichtlich wieder in Kraft treten würde, würde dann aber nicht automatisch jeder und jede Ungeimpfte gestraft. Dafür braucht es eine Verordnung der Bundesregierung, die einen "Erinnerungsstichtag" und frühestens einen Monat danach einen "Impfstichtag" festlegt.

Nur: Die Technikprobleme, deretwegen man die Impfpflicht samt automatischen Strafen schon vor Monaten verschoben hatte, gibt es immer noch. Laut Gesundheitsministerium soll im Juni die Infrastruktur fertiggestellt sein. (Gabriele Scherndl, 16.5.2022)