Ist unter Angestellten in den USA sehr beliebt geworden: das Homeoffice.

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Das zumindest zwischenzeitliche Abklingen der Pandemie veranlasst viele Unternehmen, die auf Homeoffice-Betrieb umgestiegen sind, sich wieder mit ihrer Firmenkultur zu beschäftigen. Viele Unternehmen entscheiden sich dabei, entweder komplett ins Büro zurückzukehren oder ihre Mitarbeiter zumindest mehrere Tage pro Woche zur Anwesenheit zu verpflichten.

In den USA stößt dies aber nicht auf ungeteilte Gegenliebe, berichtet Bloomberg. Zahlreiche Mitarbeiter sehen nicht ein, auf die aus ihrer Sicht gewonnenen Vorteile der Arbeit von daheim zu verzichten. Laut Befragungen erwägen bis zu 40 Prozent der US-Angestellten gar, ihren aktuellen Job zu verlassen, sollten sie wieder Vollzeit ins Büro müssen. Die Akzeptanz der Hybridmodelle bleibt abzuwarten, ein möglicher Arbeitskampf kündigt sich an.

Skepsis gegenüber Büro-Comeback

Es gibt eine Reihe gewichtiger Sorgen, die die Verfechter des Homeoffice zu Felde führen. Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Gartner steht an erster Stelle die Anfahrtszeit zur Arbeit, die 72 Prozent der Befragten ein Dorn im Auge ist. 70 Prozent befürchten den Verlust ihrer Möglichkeit, sich die Arbeit flexibler einteilen zu können. Immerhin kann man sich im Homeoffice – freilich je nach konkreter Aufgabe – zwischendurch auch um private Dinge kümmern, was im Büro wesentlich schwerer ist.

Für 53 Prozent ist der Benzinpreis ein Kriterium. Das könnte sich angesichts der von der russischen Invasion der Ukraine losgetretenen Energiekrise in den kommenden Monaten zu einem noch gewichtigeren Punkt entwickeln. Knapp die Hälfte (47 Prozent) beklagt zudem Einschränkungen hinsichtlich der Kinderaufsicht oder der Pflege älterer Verwandter. Immerhin rund ein Drittel fürchtet auch noch höhere Covid-19-Ansteckungsgefahr durch die Rückkehr ins Büro (36 Prozent) oder erkennt keinen Mehrwert darin, die gleichen Tätigkeiten am Firmensitz ausführen zu müssen (33 Prozent).

Für die große Mehrheit war der Wechsel ins Homeoffice eine gute Sache. Eine Umfrage der University of Chicago ergab, dass Telearbeit für 61,5 Prozent der Befragten eine "bessere", "substanziell bessere" oder "massiv bessere" Erfahrung im Vergleich zum Büro darstellt. 25,4 Prozent sahen keine Veränderung, lediglich 13,2 berichteten von Verschlechterungen (Hinweis: Gesamtergebnis 100,1 durch Rundungsfehler).

Erste Erfolge für den Aufstand

Der Widerstand scheint Wirkung zu zeigen. Dort, wo es bereits Vorgaben gibt, werden sie mitunter reduziert, oder Mitarbeiter, die die vorgegebene Anwesenheitspflicht nicht erfüllen, aus Angst vor stärkerem Widerstand, nicht sanktioniert. Als Beispiel nennt man JPMorgan, das größte Finanzinstitut der USA.

Konzernchef James Dimon gilt als großer Verfechter des Arbeitens im Büro und beruft sich dabei unter anderem darauf, dass bei persönlichem Zusammensein oft spontan gute Ideen entstehen. Dennoch ordnete man "nur" eine dreitägige Anwesenheit pro Woche an. Und selbst die wurde bei einigen Teams als Folge negativen Feedbacks bereits auf zwei Tage reduziert.

Der Aufstand hat auch Apple erreicht, wo bald ebenfalls eine Drei-Tage-Pflicht für das Büro gelten soll. Dagegen wehrt sich eine Initiative aus derzeitigen und ehemaligen Mitarbeitern namens "Apple Together". Man zeigt zwar Verständnis dafür, dass bestimmte kreative Tätigkeiten gemeinsam vor Ort besser funktionieren, jedoch seien davon viele Mitarbeiter nicht auf wöchentlicher Basis betroffen.

Die Regeln ändern sich

"Wir sehen live, wie sich die Regeln verändern", zitiert Bloomberg Melissa Swift vom Beratungsunternehmen Mercer. "Lange wurde darüber geredet, wie wichtig es für Dienstleistungsjobs ist, im Büro zusammen zu arbeiten. (...) Nun müssen nur noch die ins Büro, die einen Schraubenzieher zu drehen haben."

Der Anteil der bürotreuen Angestellten, die von ihrem Arbeitgeber zwingend erwarten, fixe Arbeitsräumlichkeiten bereitzustellen, schrumpft in den Staaten derweil weiter, berichtet das große Immobilienunternehmen CBRE. Galt 2020 noch für 30 Prozent diese Voraussetzung, schrumpfte die Minderheit im Folgejahr auf nur noch 19 Prozent.

Auch reale Erfahrungen bilden diese Entwicklung ab. Speicheranbieter Teradate führte unter seinen Mitarbeitern in den USA eine Befragung darüber durch, ob sie wieder für ein paar Tage pro Woche ins Büro kommen wollten. Rund die Hälfte bejahte dies. Tatsächlich kämen von dieser Gruppe aber wiederum nur die Hälfte – also ein Viertel aller Befragten – tatsächlich ins Büro. Das Unternehmen hat seinen Bedarf an Räumlichkeiten mittlerweile halbiert.

Ansturm auf Airbnb-Jobportal

Als einer der Vorreiter einer weitestgehend bürolosen Arbeitskultur will sich Airbnb etablieren. Der Unterkunftsvermittler stellt es seinen Mitarbeitern künftig frei, von wo sie arbeiten. Verlangt wird nur noch eine gemeinsame Woche pro Quartal. Es gibt ein großzügiges Zeitkontingent für das Arbeiten von ausländischen Airbnb-Standorten, und man unterstützt Mitarbeiter auch beim Umzug innerhalb ihres Landes, ebenso bleibe auch das Gehalt unverändert. Einzig einen dauerhaften Umzug in ein anderes Land begleitet man aufgrund der damit verbundenen Komplexitäten derzeit noch nicht. Man deutete aber an, dass sich das schon im kommenden Jahr ändern könnte.

Die Ankündigung schlug nicht nur medial Wellen, sondern auch bei potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie "Business Insider meldet", berichtete Firmenchef Brian Chesky in einer internen Rundmail, dass kurz nach Bekanntgabe der neuen Arbeitsregeln das Jobportal von Airbnb – das weltweit rund 5.000 Angestellte beschäftigt – 800.000-mal aufgerufen wurde. (gpi, 17.5.22)