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Die EU-Kommission will den Vorabkaufvertrag mit dem österreichisch-französischen Biotechnologiekonzern Valneva über einen Corona-Totimpfstoff kündigen. Das gab das Unternehmen Montagfrüh in einer Aussendung bekannt. Demnach gestattet der Vertrag eine Kündigung, wenn bis 30. April keine Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erfolgt ist. Valneva habe allerdings ab 13. Mai gerechnet noch 30 Tage lang eine letzte Möglichkeit, eine Zulassung zu erreichen.

Der Impfstoffhersteller zeigte sich enttäuscht über die Ankündigung der Kommission. "Die Entscheidung der Europäischen Kommission ist bedauerlich, zumal wir weiterhin Nachrichten von Europäern erhalten, die sich eine traditionellere Impfstofflösung wünschen. (...) Valneva ist nach wie vor davon überzeugt, dass sein Impfstoffkandidat VLA2001 einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Covid-19 leisten und das bestehende Impfstoffangebot durch einen inaktivierten Ganzvirus-Ansatz ergänzen kann", zitierte die Aussendung Firmenchef Thomas Lingelbach.

Bei VLA2001 handelt es sich um den einzigen Ganzvirus-Impfstoffkandidaten, der in Europa in Entwicklung ist. Die Herangehensweise ist seit vielen Jahrzehnten erprobt: Dem Körper wird dabei das gesamte abgetötete Virus präsentiert, somit muss sich das Immunsystem mit allen Erreger-Teilen auseinandersetzen. Produziert wird in Schottland und Schweden, die Entwicklungsarbeit läuft aber nach Angaben des Unternehmens großteils über Wien. VLA2001 ist bereits in Großbritannien und Bahrain und seit 13. Mai auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten zugelassen.

Verzögerungen bei Zulassung

Die EU-Kommission betonte, dass "noch keine endgültige Entscheidung" getroffen worden sei. Der Impf-Lenkungsausschuss der EU habe lediglich über seine Absicht informiert, den Vertrag zu beenden, sagte ein Sprecher am Montag in Brüssel. Jede Lösungsmöglichkeit des Unternehmens werde geprüft. Österreich werde sich dem gesamteuropäischen Vorgehen anschließen, erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf APA-Anfrage.

Im Gegensatz zu anderen Impfstoffen, die eine Zulassung eingereicht hatten, ist Valneva nach wie vor nicht zugelassen. Es kam beim Zulassungsverfahren wohl immer wieder zu Verzögerungen, die EMA habe offenbar von Valneva immer wieder zusätzliche Daten verlangt, erklärt Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Med-Uni/AKH Wien.

Für die Zulassung eines Vakzins müssen der EMA Daten in drei Kategorien vorgelegt werden: Qualitätsdaten, Sicherheitsdaten aus Tierversuchen und klinische Daten. "Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es in einem der drei Bereiche zu Nachforderungen gekommen sein, die die Firma nicht rasch erfüllen konnte", sagt Zeitlinger.

Zudem sei der Vertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden, als man eine Impfstoffknappheit befürchtete: "Zu Beginn hatte man Druck und mit vielen gleichzeitig einen Vertrag abgeschlossen, damit man bloß nicht zu wenig Impfstoff hat. Mittlerweile ist dieser Druck komplett weg", erklärt der klinische Pharmakologe. Es gebe keine Impfstoffknappheit mehr, das ändere die Umstände für Impfstoffhersteller: "Jetzt kann man sich als Konsument – und die EU ist in dem Fall ja ein Konsument – aussuchen, welchen Impfstoff man kauft."

Valneva hofft auf Zulassung bis Juni

Der Vertrag über den Impfstoffkauf zwischen dem Unternehmen und der EU-Kommission war im November 2021 abgeschlossen worden. Dabei wurden die Bezugsrechte von insgesamt 60 Millionen Dosen bis 2023 vereinbart. Die EMA begann das beschleunigte Zulassungsverfahren im Dezember 2021. Allerdings übermittelte sie noch Ende April eine Liste von Fragen an Valneva, die diese nach eigenen Angaben am 2. Mai beantwortete.

Schon damals hatte sich der Vakzinhersteller enttäuscht über die Verzögerungen gezeigt, jedoch seine Hoffnung ausgedrückt, bis Juni 2022 eine Marktzulassung in der EU zu erhalten. Im frühen Handel brachen die Valneva-Aktien um ein Fünftel ein. Das ist der größte Kursrutsch seit vier Monaten, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. (APA, poem, 16.5.2022)