Wenn Vorgesetzte eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter unfair behandelt, sinkt auch die Leistung der anderen Beschäftigten.

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Vor zwei Jahren haben Matthias Heinz, Sabrina Jeworrek, Vanessa Mertins, Heiner Schumacher und ich eine Studie veröffentlicht, für deren Ausführung wir ein Callcenter gemietet hatten, um den Einfluss von unfairem Verhalten auf die Arbeitsproduktivität zu messen. Dazu hatten wir fast 200 Personen für jeweils zwei Halbtage eingestellt, um eine Befragung durchzuführen. Die Personen mussten also lange Listen von Telefonnummern "abtelefonieren", um möglichst viele Menschen zu einem Interview zu bewegen.

Jede Person saß in einem eigenen Büro und hatte nur sehr wenig Kontakt zu den anderen Callcenter-Mitarbeitern, die auch für uns arbeiteten. Der Inhalt und die Ergebnisse der Befragung waren nicht unser primäres Interesse in dieser Studie, sondern uns interessierte die Frage, ob die Produktivität im Callcenter davon abhing, ob wir als Arbeitgeber fair oder unfair mit den anderen Mitarbeitern umgingen.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die Produktivität eines Mitarbeiters sinkt, wenn dieser selbst unfair behandelt wird. Dazu würden beispielsweise Gehaltskürzungen oder Benachteiligungen gegenüber anderen Mitarbeitern zählen.

Unfaires Verhalten

Es ist aber eine andere Frage, ob die Produktivität davon abhängt, ob andere Personen unfair behandelt werden. Diese Frage ist in normalen Arbeitsprozessen mit langfristigen Verträgen auch nur schwer, wenn überhaupt zu beantworten. Wenn jemand anderer schlecht behandelt wird, dann könnte man bei längerfristigen Arbeitsverträgen ja damit rechnen, dass man selbst auch bald schlecht behandelt wird. Als Reaktion auf diese Erwartung könnte sich das Verhalten schon ändern, bevor eine solche schlechte Behandlung überhaupt eintritt.

Darum haben wir alle fast 200 Personen nur für zwei Halbtage angestellt. Nach dem ersten Halbtag bildeten wir dann zufällig drei Gruppen. Die erste Gruppe ist unsere Kontrollgruppe, die am zweiten Halbtag einfach ganz normal weiterarbeitet. Bei der zweiten Gruppe haben wir vor dem zweiten Halbtag etwa 20 Prozent der Personen entlassen. Die verbliebenen Personen wurden darüber zu Beginn des zweiten Tages informiert, mit dem Vermerk, dass wir die Entlassungen zufällig entschieden haben. Im Folgenden bezeichnen wir diese Gruppe als jene mit "unfairen Entlassungen". Die dritte Gruppe hatte ebenfalls 20 Prozent Entlassungen, aber dabei wurden das mit (tatsächlich zutreffenden) Kostenüberlegungen begründet. Dabei sprechen wir von "nachvollziehbaren Kündigungen".

Sinkende Motivation

Die Arbeitsproduktivität der Gruppe mit den unfairen Entlassungen ging am zweiten Halbtag im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen um über zehn Prozent zurück. Das lag vor allem daran, dass die Mitglieder dieser Gruppe später zu telefonieren begannen, mehr Pausen machten und weniger erfolgreich waren, angerufene Personen zu einem Interview zu überreden. In Befragungen konnten wir feststellen, dass diese Gruppe die Kündigungen anderer Personen als sehr unfair empfunden und darauf mit einer Reduktion der Produktivität reagiert hatte. Mit anderen Worten: Die Arbeitsmotivation ging stark zurück, weil andere Personen schlecht behandelt worden waren. Dieser Rückgang lag nicht an den Kündigungen selbst. Das lässt sich daran erkennen, dass die dritte Gruppe mit den nachvollziehbaren Kündigungen nach wie vor gleich gut wie die Kontrollgruppe arbeitete.

Die Art der Kündigung – oder das als unfair wahrgenommene Verhalten der Arbeitgeber – machte den Unterschied aus. Diese Einsicht sollte Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu denken geben, denn offenbar hat unfaires Verhalten nicht nur negative Auswirkungen auf die direkt betroffenen Personen, sondern auch auf die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Fairness ist deshalb ein nicht zu unterschätzender Produktionsfaktor. (Matthias Sutter, 17.5.2022)