Mona Neubaur, Wahlsiegerin der Grünen in Nordrhein-Westfalen, und der grüne Klimaschutzminister Robert Habeck haben in puncto Regierungsverantwortung einiges zu bereden.

Foto: Imago / NurPhoto

Am Montag, dem Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, war im Berliner Konrad-Adenauer-Haus ein gutgelaunter Friedrich Merz zu sehen und zu hören. "Wir haben einen guten Wahltag erlebt. Die CDU hat die Wahl gewonnen, das bringt auch die CDU insgesamt nach vorne", sagte der Parteivorsitzende.

Neben ihm stand Hendrik Wüst, der alte und vielleicht auch neue Regierungschef des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes. Er hat nicht nur sich und der CDU, sondern auch Merz große Freude bereitet: Die CDU konnte sich von 33 auf 35,7 Prozent steigern. Sie blieb damit stärkste Partei, zum Leidwesen der Sozialdemokraten, die auch gern auf den ersten Platz geklettert wären. Doch stattdessen rutschten sie von 31,2 auf 26,7 Prozent ab.

Einen Wermutstropfen allerdings gibt es auch für Merz und Wüst: Es reicht, wegen der starken Verluste der FDP, nicht für die Neuauflage eines schwarz-gelben Bündnisses. Wüst also braucht, damit er weiter in der Düsseldorfer Staatskanzlei bleiben kann, einen neuen Partner.

Er werde mit allen demokratischen Parteien reden, betonte Wüst. Das bedeutet: Gespräche mit SPD, Grünen und FDP, nicht aber mit der AfD, die auch verloren hat. Sein Ziel, so Wüst, sei, "mit Respekt und Vertrauen ein modernes Zukunftsbündnis zu schmieden".

Großer grüner Erfolg

Auch wenn sich Wüst noch vage hielt, gibt es eine klare Präferenz: Die CDU würde am liebsten mit den Grünen regieren, eine große Koalition mit der SPD gilt als Notnagel. Von den Grünen allerdings waren am Montag noch keine klaren Zusagen zu hören. Sie freuten sich zuallererst immer noch über ihr starkes Ergebnis, nämlich 18,2 Prozent. Vor fünf Jahren hatten sie nur 6,4 Prozent geschafft.

"Es gibt keine Automatismen und keine Ausschlüsse von Koalitionen von demokratischen Parteien", sagte Grünen-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin der Grünen, Mona Neubaur. Allerdings wiederholte sie, was die Grünen schon im Wahlkampf erklärt hatten: dass nämlich ein Zweierbündnis leichter zu managen sei als eine Koalition mit drei Partnern. Das konnte man als Wink in Richtung Schwarz-Grün deuten.

Die Grünen werden aber auch von anderer Seite umworben. Rechnerisch würde es auch für ein Ampelbündnis (SPD, Grüne, FDP – so wie im Bund) reichen.

Spitzenkandidaten ziehen einander runter

Würde ein solches zustande kommen, hieße der nächste Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen doch Thomas Kutschaty. Er war als Spitzenkandidat für die SPD in den Wahlkampf gezogen und hatte sich als enger Vertrauter von Kanzler Olaf Scholz (SPD) präsentiert.

Auch wenn die SPD unter Verlusten auf Platz zwei kam, hatte Kevin Kühnert, der Generalsekretär der Bundes-SPD, noch am Wahlabend deutlich gemacht, dass die SPD eine Ampel anstrebe. "Wahlsieger stellen nicht automatisch eine Regierung", sagt er mit Blick auf die CDU.

Doch am Montag in Berlin klang das nach den Sitzungen der SPD-Gremien schon wieder ein bisschen anders. "Wir haben das Rennen um Platz eins deutlich verloren, die CDU hat Nordrhein-Westfalen gehalten", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. Daher liege es jetzt an Wahlgewinner Wüst, zu Gesprächen einzuladen. Die SPD stehe aber auch für Gespräche bereit, meinte Klingbeil mit Blick auf eine mögliche Ampel.

Auch Scholz hielt die Ampeloption am Montagabend in der Sendung "RTL Direkt" offen: Es sei in der Geschichte Deutschlands schon ziemlich oft vorgekommen, dass nicht die stärkste Partei den Regierungschef stellt. "Insofern wäre es jetzt verwunderlich, wenn man sagen würde, das kann gar nicht der Fall sein", so Scholz.

Lehre für die SPD

Bei der Pressekonferenz der SPD war natürlich auch Thema, wie die Wahl für die Sozialdemokraten so hatte schiefgehen können. Klingbeils Fazit: Man habe "zu viel über Waffenlieferungen" und zu wenig über Ausgleichszahlungen für die gestiegenen Energiepreise gesprochen. "Das ist für mich die Lehre, wir haben wahnsinnig viel getan, aber wir sind nicht durchgekommen", betonte der Parteichef. Es werde jetzt darum gehen, dass man besser kommuniziere, in "klaren, nachvollziehbaren Sätzen". Kanzler Scholz hatte sich in den vergangenen Wochen einiges an Kritik anhören müssen. Tenor: Er erkläre seine Politik nicht richtig.

Erklärungsbedarf hat auch AfD-Chef Tino Chrupalla. Die AfD hatte am Sonntag zwei Prozentpunkte verloren, war mit 5,4 Prozent gerade noch in den Landtag gekommen. Vor einer Woche, bei der Wahl in Schleswig-Holstein, war sie erstmals aus einem Landtag hinausgeflogen.

Chrupalla, der seit dem Abgang des vergleichsweise gemäßigten Co-Chefs Jörg Meuthen die AfD allein führt, wird zum Rückzug aufgefordert. "Er bildet weder die gesamte Partei ab, noch überzeugt er bei den Wählern", sagt Vorstandsmitglied Joana Cotar. Chrupalla jedoch will im Juni wieder zum Chef gewählt werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.5.2022)