70.000 Menschen aus der Ukraine haben sich aus dem Krieg nach Österreich in Sicherheit gebracht. Doch manche Angebote für jene, die Wohnung und Versorgung brauchen, sind fragwürdig.

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Neulengbach – Rund 70.000 Kriegsvertriebene aus der Ukraine wurden seit dem Überfall Russlands auf das Land in Österreich offiziell registriert, großteils Frauen und Kinder. Sie haben sich vorerst fürs Hierbleiben entschieden.

Ukraineflüchtlingen ohne eigene Mittel, unter den Ankömmlingen rund zwei Dritteln, stehen in Österreich für die ersten Tage Notquartiere zur Verfügung. Danach sollen sie in die Grundversorgung übersiedeln, ein Unterkunft- und Betreuungssystem für "mittellose Fremde", wie es im diesbezüglichen Gesetz heißt.

Heime, Gasthöfe – private Großquartiere

Grundversorgungsquartiere, seien es Heime oder auch Gasthöfe, werden von den Bundesländern organisiert und müssen definierten Qualitätskriterien entsprechen. Hinzu kommen private Wohnangebote von Einzelmenschen, die Kriegsvertriebene bei sich oder in eine leere Wohnung aufnehmen.

Es gibt aber auch weit größere private Unterkünfte. Ein besonders großes, spendengeführtes Haus befindet sich in Niederösterreich. 200 Ukrainerinnen und ihre Kinder leben derzeit in einem Gebäude des Campus Niederösterreich, eines ehemaligen Blindenheims in Unterdambach bei Neulengbach, das davor fünf Jahre lang großteils leer stand – von wo aus Beschwerden den Standard erreichten.

Lob in der "Krone"

Auf Seite 1 der Niederösterreich-Krone sowie drinnen im Blatt regnete es diesen Sonntag Lob für die Ukrainerinnenunterkunft in Unterdambach. Die traumatisierten, dem Krieg entkommenen Frauen und Kinder könnten hier "in Frieden kochen und essen". Bei der "Anmeldung, Versorgung und Jobsuche würden sie unterstützt.

Wiktorija Danilyw (Name geändert), Buchhalterin aus Kiew, hat das anders in Erinnerung. Vergangene Woche musste sie das Heim binnen 24 Stunden verlassen. Die Unterstützerin, die sie abholte, wurde von Mitarbeitern des Betreibervereins, der – Selbstbeschreibung – "überparteilichen, patriotischen Plattform" Initiative Soziales Österreich, wegen Hausfriedensbruchs angezeigt, nachdem die Polizei geholt worden war. Sie hatte im Haus die Handykamera gezückt.

Kaputte Kacheln, Maus im Zimmer

Grund der Rausschmisse waren Fotos und Videoaufnahmen aus dem Haus, die in sozialen Medien gepostet wurden. Darauf zu sehen: etwa ein Klo, hinter dem großflächig die Kacheln weggebrochen sind, sowie eine Maus auf der Flucht durch ein Zimmer. Betreuer hätten die Zimmer ausfindig gemacht, aus denen die Aufnahmen stammten, und hätten deren Bewohnerinnen auf eine Hausverbotsliste gesetzt, schildert die 44-jährige Ukrainerin.

Danilyw wohnte mit ihren beiden Kindern mehrere Wochen lang in dem Haus. Ihre Schilderung der dortigen Verhältnisse ist wenig einladend. In manchen Zimmern seien die Fliesen von der Decke heruntergefallen, in anderen habe es nur stundenweise elektrisches Licht und wiederholt kein fließendes Wasser gegeben.

Gratis Kochen für 300 Personen

Die Bewohner seien von der Hausleitung zu Putz-, Koch- und Gartendiensten angehalten worden, erzählt Danilyw. "Von acht Uhr bis 14 Uhr haben vier Leute für bis zu 300 Personen gekocht, haben das Essen ausgegeben und das Geschirr gewaschen. Es war sehr anstrengend." Anfangs sei unbezahlt gearbeitet worden, nach Protesten habe es drei bis fünf Euro pro Stunde gegeben.

Inhaber des Campus Niederösterreich ist der Neulengbacher Anwalt Gernot Steier, Gründungsmitglied der Christlichen Partei Österreichs (CPÖ), einer Gruppierung des rechten, fundamentalisch-christlichen Spektrums. Er beherberge die Flüchtlinge aus sozialen Gründen und auf private Initiative hin, sagt er im Gespräch mit dem Standard. Die Versorgung organisiere er mittels Spenden, von Möbeln und Geschirr bis hin zu Lebensmitteln. Bei Zwischenfällen seien die Mitarbeiter des Betreuervereins angewiesen, die Polizei zu rufen.

Ukrainerinnen, Ungarinnen, Rumäninnen

"Es ist ein Projekt für Frauen und Kinder auf der Flucht, und ich gehe kulturspezifisch vor", sagt Steier. Abgesehen von den Ukrainerinnen würden nur einzelne Ungarinnen und Rumäninnen im Haus leben, 24-Stunden-Pflegerinnen etwa, die zwischen ihren 14-Tage-Schichten nicht nach Hause zurückkehren.

Mit dem Land Niederösterreich sei er wegen eines Grundversorgungsvertrags in Verhandlung, sagt der Anwalt. In dem für Flüchtlingsbetreuung in Niederösterreich verantwortlichen Ressort von Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) bestätigt man das.

Inspektionen des Hauses, auch ein unangekündigter Besuch um zehn Uhr abends, hätten keinerlei Beanstandungen gebracht, sagt ein hoher Beamter. Man hoffe, zeitnah zu einem Abschluss zu kommen. (Irene Brickner, 17.5.2022)