An die 3500 Objekte wird der preisgekrönte Roboter abarbeiten.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Ein Vierteljahrhundert verbrachte der Komponist Alban Berg mit seiner Frau Helene in ihrer Wohnung in Wien-Hietzing. Welche Rolle Bücher im Leben des Künstlerehepaars spielten, lässt sich heute noch erahnen. Im ersten Stock der Trauttmansdorffgasse 27 gibt es über 3500 Bücher, Partituren und Zeitschriften, die sich im Besitz der Berg-Stiftung befinden. Das Bücherregal im Wohnzimmer ist eine wahre Fundgrube. So finden sich in den Werken jede Menge Eintragungen und Notizen, etwa in Mayers Konversationslexikon oder im kontroversen Moderne-Klassiker Geschlecht und Charakter von Otto Weininger. Aber auch Fotos und getrocknete Blumen kann man in Bergs Büchern entdecken, die dem Komponisten als Lesezeichen dienten.

Um den Bestand zu bewahren und ihn öffentlich zugänglich zu machen, sollen die wertvollen Schriften in den kommenden zwei Jahren digitalisiert werden. Vor allem die Zeitschriften sind in einem kritischen Zustand, weil das Papier um 1900 stark säurehaltig war und sich nach und nach von selbst zersetzt. Gescannt wird seit kurzem mit einem automatischen Buchscanner, der nun im Arbeitszimmer der Berg-Wohnung steht.

Die drei von der Uni

Entwickelt wurde das Gerät von drei ehemaligen Studenten der TU Wien, darunter Stephan Tratter, der demonstriert und erklärt: Zunächst wurde mit Staubsaugern experimentiert, um die Technik zu entwickeln. Nach vier Jahren intensiven Tüftelns, Bauens und Programmierens war der Prototyp fertig. Die drei gründeten das Start-up Treventus, 2007 wurde das Gerät auf der CeBIT in Hamburg mit dem Europäischen Innovationspreis ausgezeichnet. Mittlerweile ist der Roboter in über 60 Ländern weltweit im Einsatz – in Bibliotheken, Universitäten, Parlamenten und sogar Geheimdiensten. "Das Scanprinzip ist eigentlich ganz einfach", sagt Tratter. "Man legt das Buch halb geöffnet in die Halterung, eine Düse bläst die Seite auf, scannt sie ein und blättert sie um. Je nach Papierstärke lässt sich der Luftdruck individuell einstellen."

Drei bis vier Wochen dauert die Fertigung eines Roboters, der Preis liegt bei 65.000 Euro. Kaufen musste die Alban-Berg-Stiftung das teure Gerät nicht, vereinbart wurde stattdessen ein Mietvertrag. Derzeit arbeiten die Entwickler an neuen Einsatzbereichen für das Gerät: "Wenn wir einen entsprechenden Datenpool haben, können wir künstliche Intelligenz darauf trainieren, unvollendete Schriften oder Kompositionen zu Ende zu bringen, auch jene von Alban Berg", sagt Tratter. Klingt gut. Das ist aber derzeit noch Zukunftsmusik. (Miriam Damev, 18.5.2022)