So sah es aus, das Magazin, das dem Wirtschaftsbund Millionen brachte und zuletzt im Oktober erschien.

Foto: APA/Stiplovsek

Es liest sich wie das Who's who der größten Vorarlberger Unternehmen, ist aber eine Liste der fleißigsten Inserenten des Wirtschaftsbund-Magazins "Vorarlberger Wirtschaft". Das vom Wirtschaftsbund herausgegebene Heft wurde nach Aufkommen der Affäre rund um die ÖVP-Teilorganisation bekanntlich eingestellt. Zuvor erschien das Heft neunmal jährlich, das letzte Mal im Oktober, und diente dem Wirtschaftsbund als Cashcow. Seit 2016 wurden mit Inseraten 4,5 Millionen Euro eingenommen. Da dieses Geld aus Sicht der Finanzprüfer nicht ausreichend versteuert wurde, brachten diese bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch mittlerweile eine Anzeige ein.

Eine Auswertung aller seit 2017 erschienenen Magazine, die dem STANDARD, Ö1 und dem "Falter" vorliegt, zeigt nun, welche Firmen wie stark zu diesen Einnahmen beigetragen haben. Die landeseigene Hypo führt die Tabelle an, 120.000 Euro gingen demnach seit Februar 2017 an den Wirtschaftsbund. 102.000 Euro gaben im gleichen Zeitraum Raiffeisen und die Volksbank für Inserate im ÖVP-Blatt aus.

Warum Rauch und Alpla besonders spannend sind

Dann folgen unter anderem der Fruchtsafthersteller Rauch, der Automobilzulieferer Hirschmann und die Firma Ball. Letztere beiden Unternehmen gehören ebenfalls der Unternehmerfamilie Rauch. Warum diese Unternehmen speziell erwähnt werden, hat mehrere Gründe. Einerseits, weil der Geschäftsführer von Rauch Finanzreferent beim Wirtschaftsbund ist. Jürgen Rauch soll Anfang Juni deswegen auch im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss aussagen.

Andererseits aber auch, weil der Vorarlberger Verein Bodenfreiheit eine Auffälligkeit zwischen dem Inseratenaufkommen und Entscheidungen für eine für Rauch beziehungsweise Ball wichtige Betriebserweiterung in Ludesch, aber auch bei der Firma Alpla in Fußach sieht. Alpla ist ebenfalls unter den größten Inserenten und soll in den letzten Jahren 60.000 Euro für Werbung in dem Magazin ausgegeben haben.

Es steht für den Verein bei den Rauch-Unternehmen und Alpla also die Frage im Raum, ob sich die Unternehmen durch die Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin eine positive Beurteilung erhofft haben.

Wer wann inserierte

Tatsächlich fällt auf, dass Rauch-zugehörige Unternehmen vor allem 2019 stark inserierten. Der Fruchtsafthersteller schaltete 2017 nur zwei Inserate, 2018 waren es vier und 2019 dann 15 Inserate. 2020 sank die Zahl wieder auf vier, im letzten Jahr schaltete man sieben Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin. Hirschmann schaltete 2017 und 2018 jeweils ein Inserat, 2019 dann acht, 2020 sieben Inserate. Fohrenburger, die Brauerei stand damals noch im Eigentum von Rauch, schaltete bis zum Mai 2019 kaum, dann gleich sechsmal hintereinander, danach wieder eher nur sporadisch.

Alpla inserierte 2017 nur einmal, im Jahr darauf gab es vier Inserate. 2019 fand sich dann Alpla-Werbung in jeder Ausgabe des Wirtschaftsbund-Magazins, 2020 nur noch in jeder zweiten Ausgabe, 2021 waren es noch weniger Inserate. Die Landesregierung gab Ende Mai 2019 ihr Okay für die Erweiterung.

Unternehmen und ÖVP dementieren etwaige Zusammenhänge

Die Unternehmen dementieren, wegen der Erweiterungen verstärkt inseriert zu haben. Daniel Wüstner, Unternehmenssprecher von Rauch, sagt auf Anfrage, dass es "einen Zusammenhang mit der angestrebten Grünzonen-Erweiterung in Ludesch selbstverständlich nicht" gebe. Vielmehr habe man mit den Schaltungen "PR für den Standort" gemacht, dazu fühle man sich als großes Unternehmen im Ländle verpflichtet.

Beinahe deckungsgleich klingt das Statement des Unternehmenssprechers von Alpla. Einer der Kommunikationsschwerpunkte sei 2018 und 2019 "die Standort-PR in Vorarlberg, die wir unter anderem auch durch PR-Beiträge in der 'Vorarlberger Wirtschaft' betrieben haben", gewesen, antwortet Erik Nielsen. 2020 hätte man die Kommunikationsaktivitäten dann "neu ausgerichtet, ausgeweitet und internationalisiert. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeitskommunikation." Dies habe dazu geführt, dass das Budget für die Standort-PR generell reduziert worden sei.

Nicht nur von den betroffenen Unternehmen, auch aus der ÖVP – respektive von Wirtschaftsbund-Obmann Karlheinz Rüdisser – kommt ein Dementi bezüglich etwaiger Zusammenhänge. Die Inserate hätten sich ab dem zweiten Halbjahr 2018 gemehrt, weil Jürgen Kessler das System auf die Spitze getrieben habe. Kessler hatte im Dezember 2017 als Direktor übernommen, zuvor war er Stellvertreter gewesen.

Warum Betriebserweiterungen in Vorarlberg für Zündstoff sorgen

Betriebserweiterungen sorgten in den letzten Jahren im Ländle vor allem dann für Zündstoff, wenn es um Flächen aus der sogenannten Landesgrünzone ging. Das war sowohl bei Alpla als auch bei der Erweiterung in Ludesch der Fall. Die Landesgrünzone ist eine Ende der 1970er definierte, über 136 Quadratkilometer lose zusammenhängende Freifläche vom Bodensee bis in den Walgau, die das Landschaftsbild und Naherholungsgebiete erhalten sowie landwirtschaftliche Flächen sichern soll. Wenn Unternehmen für ihre Erweiterungen Flächen aus dem Gebiet herausnehmen wollen, müssen sie das argumentieren und entsprechende Kompensationsflächen einbringen – was in der Praxis aber nicht immer der Fall ist, zumindest wenn es um die Qualität der eingetauschten Flächen geht.

Grafik: Der Standard

Das Gebiet, in dem Alpla erweiterte, berührte nicht nur die Landesgrünzone, sondern auch die sogenannte blaue Zone, die Gebiete markiert, die für den Hochwasserschutz wichtig sind. Und die von der geplanten Rauch-Erweiterung betroffenen Böden waren außerdem von allerbester Qualität und boten Zugang zu einem unterirdischen Grundwassersee, aus dem das Wasser für Red Bull, das am Standort abgefüllt wird, stammt.

Die ungültige Volksabstimmung

Die Betriebserweiterung in Ludesch emotionalisierte aus diesen Gründen stark. Zwar kamen aus der Politik rasch positive Signale, in der Bevölkerung formierte sich aber genauso schnell Widerstand – eine Volksabstimmung über die Erweiterung fand dann am 10. November 2019 statt. Wenige Tage vorher versprachen die Geschäftsführer der zu vergrößernden Unternehmen zwar noch fünf Millionen Euro für die Gemeinden – gestaffelt auf zehn Jahre –, wenn das Votum für sie ausgehe. Sie hatten dennoch das Nachsehen, zumindest vorerst. Denn der Verfassungsgerichtshof kippte das Votum, weil nur gewählte Vertreter in der Gemeinde Volksabstimmungen anordnen dürften, nicht aber Bürgerinnen. Ob Rauch und Ball ihre Standorte in Ludesch massiv vergrößern können, ist noch immer unklar.

Wie die Entscheidungen zustande kommen

Das grüne Licht, das es für Vergrößerungen braucht, die die Landesgrünzone berühren, gab es allerdings schon. Geben kann das die Vorarlberger Landesregierung, in der die ÖVP seit 1945 immer die Mehrheit hatte. Im Falle der Alpla-Erweiterung stimmten die zwei grünen Landesräte beispielsweise dagegen, alle ÖVP-Regierungsmitglieder dafür.

Formal zuständig ist der Landesrat für Raumplanung. Der Bereich ressortierte in den letzten Jahren beim Wirtschaftslandesrat, den traditionell die ÖVP stellt. 2019 war das mit Karlheinz Rüdisser jener Mann, der nun interimistisch den Wirtschaftsbund leitet, weil Anfang April bekanntlich Direktor und Obmann zurücktreten mussten. Sein Nachfolger Marco Tittler ist ebenfalls im Wirtschaftsbund-Vorstand. Für seine Entscheidung bei Betriebserweiterungen kann der Landesrat auf Gutachten aus allen betroffenen Abteilungen zurückgreifen, außerdem wird eine Umweltprüfung durchgeführt – und es gibt auch Empfehlungen eines Raumplanungsbeirats, der mit Expertinnen und Praktikern besetzt ist.

Verein kritisiert Fokus auf Wirtschaft

Der Verein für Bodenfreiheit kritisiert, dass diese Empfehlungen großteils ignoriert würden. Nur die stets positive Stellungnahme der Wirtschaftsabteilung zähle. Die Dementis der Firmen seien nicht überraschend. "Aber man kann sich auf diese Statements selber einen Reim bilden", sagt Vorstandsmitglied Martin Strele.

Spannend ist das Thema auch vor dem Hintergrund, dass ein Manager Landeshauptmann Markus Wallner vorwirft, für Wirtschaftsbund-Inserate geworben zu haben und dafür Entgegenkommen des Landes, etwa bei Betriebsgenehmigungen, in Aussicht gestellt zu haben. Wallner bestreitet das, Ermittlungen laufen.

2019 als Super-Inserate-Jahr

Im Falle von Rauch sind die Inserate nicht der einzige Geldfluss an die ÖVP im Zeitraum vor der Entscheidung in Bezug auf die Betriebserweiterung. 2018 und 2019 flossen insgesamt 225.000 Euro an Spenden – über kleinere Firmen – an die Bundes-ÖVP.

Hier gibt es auch den zweiten interessanten Konnex mit dem Inseratenaufkommen und dem Jahr 2019. Denn auch bei Unternehmen, bei denen keine Betriebserweiterung anstand, fällt auf, dass sie in dem Jahr besonders stark inserierten – davor und danach wieder eher sporadisch. 2019 war einiges los: Einerseits Nationalratswahl, Sebastian Kurz war für den Wahlkampf auch mehrmals in Vorarlberg. Im Ländle aber mindestens genauso relevant war die etwas später stattfindende Landtagswahl. Und wenige Monate später standen auch noch die Wirtschaftskammerwahl und die Gemeinderatswahl an, die wegen Corona dann aber wenige Tage vorher auf den Herbst 2020 verschoben wurde.

ÖVP und Geld mit Mascherl

Wenn es also um die Frage geht, ob Firmen über Inserate versteckte Parteienfinanzierung betrieben, wie es die Opposition bezüglich der Wirtschaftsbund-Affäre immer wieder in den Raum stellte, dann ist die Konzentration auf das Jahr 2019 augenscheinlich.

Aus Sicht der Firmen und der ÖVP gibt es allerdings keinen Zusammenhang. Landeshauptmann Wallner versicherte, dass kein Geld aus Inseraten an die ÖVP geflossen sei. Die beiden Zahlungen, die es vom Verein 2014 und 2019 an die Partei gegeben habe – einmal 400.000 Euro und einmal 500.000 Euro –, würden aus Mitgliedsbeiträgen stammen: "Hätte er (Jürgen Kessler, Anm.) keinen einzigen Euro durch Inserate eingenommen, wir hätten gleich viel bekommen. Die Behauptung, wir hätten Inserate lukriert, um die Landespartei zu finanzieren, kann ich nicht nachvollziehen."

Wer aus der Reihe tanzt

Bleibt die Frage, ob es eigentlich auch Unternehmen gibt, die nicht im Wirtschaftsbund-Magazin inserierten. Unter den größten Arbeitgebern des Landes ist das tatsächlich nur eine Firma. Bei Omicron Electronics wolle man Geschäft und Politik nicht vermischen, lautet die pragmatische Erklärung. "Der Wirtschaftsbund ist eine Parteiorganisation. Damit war die Sache klar." (Lara Hagen, 20.5.2022)