Es war ein Bild in einem euphorischen Artikel zum Verkehr der Zukunft, das Jonathan Fetka (32) inspirierte. Darauf trifft ein alter Mann auf dem Gehsteig auf einen selbstfahrenden Lastenroboter. "Das wirkte auf mich regelrecht dystopisch", sagt Fetka. "‚Sollen wir jetzt auch noch die Gehsteige mit Fahrzeugen teilen? Das kann doch nicht die Zukunft sein‘, war meine erste Reaktion."

Fetka hat die Untergrundlogistik am Beispiel Wiens durchgerechnet.
Foto: Johanna Jelinek

Als Raumplanungsstudent der TU Wien, der sich bereits in Projekten mit autonomem Fahren auseinandergesetzt hatte, machte er sich ans Werk, um über etwas völlig Neues nachzudenken.

Herausgekommen ist eine Diplomarbeit, die für den vom Klimaschutzministerium vergebenen Zukunftspreis Mobilität nominiert wurde. Unter dem Titel "Städtische Logistik in den Untergrund?" setzt sich Fetka minutiös mit der Frage auseinander, wie man in einer Stadt der Zukunft den Gutteil des Gütertransports von der Straße in den Untergrund verlegen könnte. Damit das Ganze nicht zu utopisch wirkt, hat Fetka die Untergrundlogistik am Beispiel Wiens durchgerechnet. Dafür hat er eine Vielzahl an Verkehrs- und Warenstromdaten ausgewertet und daraus ein Basistunnelsystem mit mindestens 165 Kilometer Länge abgeleitet.

Vom Lkw in "Tunnel-Cabs"

Die Grundidee: An neuralgischen Punkten an den Stadtgrenzen im Westen, Süden oder Norden werden Güter vom Lkw in kleine selbstfahrende "Tunnel-Cabs", die für zwei Paletten Platz bieten, verladen. Die fahren dann durch die Lasten-Tunnel ein Stationsnetz in der Stadt an, wo die Waren via Lift nach oben gebracht und weiterverteilt werden. "Im besten Fall mit Lastenrädern", sagt Fetka. Mit zwei Milliarden Euro Baukosten könnten schon bis zu 70 Prozent der Lkw-Transporte im Untergrund erledigt werden, errechnete er. Die Investition hätte dabei überproportional große Auswirkungen auf die Umwelt – und zwar positive.

Der derzeitige Güterverkehr macht zwar lediglich rund zehn Prozent des gesamten Straßenverkehrs aus. Lkws und Lieferwagen sind aber für 25 bis 40 Prozent der Verkehrsbelastungen verantwortlich – von CO2- und Feinstaubausstoß bis hin zur Lärmentwicklung. "Ich habe mich selbst gewundert, dass mit eher geringen Investitionen ein derart großer Effekt erzielt werden könnte", sagt Fetka. In der Literatur werde jedoch mit eben diesen Zahlen gearbeitet.

Andere Standards als für U-Bahn-Bau

Ein Kilometer U-Bahn kostet um die 300 Millionen Euro. Das wäre etwa 30-mal so viel, wie für den Bau von Lastentunneln berechnet wird. "Aber bei U-Bahnen für den Personentransport sind andere Sicherheitsstandards zu beachten, und der Durchmesser beträgt sechs bis sieben Meter. Das ist ein Kostenfaktor." Lastentunnel wären wesentlich einfacher ausgerüstet und hätten maximal 2,8 Meter im Durchmesser.

Ob man diesen Plan jemals umsetzen wird? "Vielleicht", sagt Fetka: "In der Forschung gibt es durchaus schon handfeste Ergebnisse." Selbstfahrende Tunnel-Cabs wurden schon von internationalen Forschungsteams getestet. Und in der Schweiz arbeite man bereits an der West-Ost-Untertunnelung für den Gütertransport. "Dafür wurden bereits die gesetzlichen Rahmenbedingungen beschlossen. Es tut sich was." (Norbert Regitnig-Tillian, 23.5.2022)