Sozialismus mit Herz: Der aufstrebende Poet Ludger (David Kross) wird von seinem Stasi-Führungsoffizier (Henry Hübchen) unter die Fittiche genommen.

Foto: Konietzny/Constantin

Spätestens seit Lubitschs Sein oder Nichtsein ist filmische Satire ein wohltuendes Gift: Es zersetzt jene Übermacht, die den Totalitarismus kennzeichnet. Für viele ausspionierte, von der Staatsmacht angeworbene Ex-Bürger der DDR mag der Spreewaldgurken-Humor des Filmregisseurs Leander Haußmann daher eine willkommene Entlastung darstellen.

Man soll sich über die mausgrauen Mitarbeiter aus Mielkes "MfS" ein letztes Mal nach Herzenslust mokieren. Auch die Beamten von "Horch und Guck" sind schließlich nur sprechgehemmte Menschen voller Hautunreinheiten gewesen. Sie horchten andere aus, gehorchten aber ihrerseits bloß dem Systemzwang. Dieser wird in Haußmanns Stasikomödie folgendermaßen weggewitzelt: "Drei Dinge sind des Tschekisten (Synonym für Stasi-Beamte, Anm.) größte Gefahr: Liebe und Sexualität!" Komisch? Na, eben!

Der Film bildet nach Sonnenallee und NVA den letzten Teil einer Trilogie. Wiederum erstrahlt der Arbeiter-und-Bauernstaat im Lichte der Verklärung. Der Romancier und Ex-Bürgerrechtler Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf) will sich ein letztes Mal seine Stasi-Akte zu Gemüte führen. Ein Akt heiterer Selbstvergewisserung, der im Beisein von Gattin (Margarita Broich) und Familie bei Schnittchen und Sekt wie ein Nostalgieabend ablaufen soll.

Wurmstichige Republik

Böse Überraschungen können bei so viel selbstgerechter Bigotterie nicht ausbleiben. Entlang vieler Rückblenden, animiert von einem roten Ampelmännchen, erzählt Haußmann die Agonie der späten, wurmstichigen DDR als "Coming of Age"-Klamotte nach. Gedreht wurde vor den (längst ausgebesserten) Kulissen des Prenzlauer Bergs, die man so heute nur noch in Breslau (Polen) findet. Jung-Ludger (David Kross) wird von der Stasi angeworben: weil er als letzter DDR-Bürger bei Rot nicht die Straße überquert.

Fortan springt dieser Simplicissimus Deutsch unschuldig wie ein Zonen-Reh durch Betten und Bars der volkseigenen Bohème. Beat-Legende Allen Ginsberg (!) macht der Opposition die Aufwartung; schöne, junge Genie-Anbeterinnen haben nichts Besseres im Sinn, als mit dem erstbesten Poeten, der ein paar Sätze in die Maschine gehackt hat, in die Kiste zu hüpfen. Kulturell wird hingegen alles unterschlagen, was die Samisdat-Tradition kurz vor 1989 ausgemacht hat.

Und doch wird man dieses dürftige Komödchen wohlwollend in die Filmannalen aufnehmen. Der Dank hierfür gebührt einzig und allein Henry Hübchen: Dieser famose Ex-Frank-Castorf-Schauspieler gibt als "Oberstleutnant Siemens" Ludgers Führungsoffizier. Mit ihm allein und ähnlich subversiv Aufgedrehten ließen sich noch ganz andere Trilogien über das Vermächtnis der DDR drehen. (Ronald Pohl, 19.5.2022)