Am 30. März lichtete die Sonde Solar Orbiter den Südpol der Sonne ab – so scharf wie nie zuvor.
Foto: ESA & NASA/Solar Orbiter/EUI Team

Wenn man 1.200-mal die Erde umrundet, springt dabei ein fiktiver Zählerstand von 48 Millionen Kilometern heraus. In dieser Distanz flog Ende März die Raumsonde Solar Orbiter an der Sonne vorbei. Was für uns aber nach einer immensen Strecke klingt, ist für das Raumschiff in Forschungsmission extrem nah: So dicht kam es an das Zentrum unseres Sonnensystems bisher noch nie heran, die Entfernung beträgt weniger als ein Drittel des Abstands zwischen Sonne und Erde. Nun sind die Messdaten von diesem Vorbeiflug angekommen und ausgewertet. Mit dabei sind die bisher schärfsten Bilder des Sonnensüdpols und der äußeren Atmosphäre.

Der heiße äußere Bereich der Sonne wird als Korona bezeichnet. Hier bewegen sich Plasmaströme, die mehr als eine Million Grad Celsius heiß sind. Wie sie sich bewegen, hängt unter anderem von Magnetfeldern ab. Solar Orbiter, die Sonde, die von der europäischen Raumfahrtorganisation Esa in Kooperation mit der Nasa 2020 auf den Weg geschickt wurde, beobachtet mit verschiedenen Instrumenten unter anderem die Teilchen- und Strahlungsausbrüche, zu denen es in der Sonnenkorona kommt.

Am unteren Bildrand ist mittig eine "kuriose Struktur" zu sehen, wie es in einer Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung heißt: Von ihr gehen strahlenförmig Plasmaflüsse aus. Der Durchmesser dieser Struktur beträgt 25.000 Kilometer, zum Vergleich wird der Umfang der Erde angezeigt.
Foto: ESA & NASA/Solar Orbiter/EUI Team

Seltsamer Fund

Durch den geringen Abstand und die Messinstrumente können Bereiche in hoher Auflösung dargestellt werden, aus denen der Großteil der Sonnenaktivität stammt. Dabei wurden die beteiligten Forschungsteams auch auf eine eigenartige Struktur aufmerksam, von der Plasmaflüsse strahlenförmig abgehen. Es hat bereits den Beinamen "the hedgehog", also "der Igel", erhalten. "Ein derartiges Phänomen haben wir bisher noch nie gesehen", sagt Hardi Peter vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, das mit einigen Instrumenten an der Sonde beteiligt ist. "Es ist unklar, was dort genau vor sich geht und wie diese Struktur entsteht."

European Space Agency, ESA

Bemerkenswert sind auch die Aufnahmen des Südpols der Sonne – eine Region, die wie auch der Nordpol von der Erde aus kaum sichtbar ist. Außerdem konnte die Sonde einen starken und seltenen Strahlungsausbruch am 31. März aufnehmen, der der höchsten Kategorie X angehört. Um herauszufinden, warum solche Ausbrüche genau stattfinden und wo sie ausgelöst werden, liefern die Daten und Bilder wichtige Hinweise.

Neue Daten erwartet

Dass die Daten erst kürzlich angekommen sind und ausgewertet werden konnten, liegt daran, dass die Weltraumsonde im Moment sehr weit von der Erde entfernt ist und daher eine relativ schlechte Datenübertragungsrate hat. Zusätzliche Daten werden erst in nächster Zeit die Erde erreichen.

Zwar sind drei Sonden schon näher an der Sonne gewesen, doch hatten diese keine abbildenden Instrumente dabei. Solar Orbiter hingegen konnte beim bisherigen Höhepunkt der Mission sowohl die Oberfläche der Sonne scannen als auch ihre Atmosphäre und Umgebung. Zusätzlich werden elektromagnetische Felder und Teilchen, von denen die Sonde umgeben ist, registriert. Der nächste Höhepunkt steht übrigens im Oktober an: Dann wird Solar Orbiter bis auf 42 Millionen Kilometer an die Sonne herankommen, umgerechnet nur noch 1.050 Touren um die Erde. (sic, 18.5.2022)