Auch wenn man scheinbare körperliche Makel entfernt, ist das kein Garant für Liebe.

Foto: Shaun Oelf

Während das Publikum seine Plätze aufsucht, wartet Buhle Ngaba schon auf der Bühne des Nestroyhoftheaters und macht einen erfrischend schrulligen Eindruck. Ein bisschen Schlafzimmerblick, ein paar übertrieben coole Gesten, überzeichnet lässiges Lächeln. Diese Figur wirkt sofort wie eine, die vom Leben gerupft wurde und das gleich ausspielen wird.

Die 1991 geborene südafrikanische Autorin (u. a. The Girl Without A Sound, 2016) und Performerin hat als Charakter für ihr Solo Swan Song eine junge Frau gefunden, die an einer genetisch bedingten Krankheit leidet: Ihre Schulterblätter stehen ab wie Flügel. Das macht die Teenagerin in den Augen ihrer Umgebung zu einem Monster.

Liebe und Anderssein

Aufgesetzt ist diese Coming-of-Age-Geschichte auf der guten alten Schwanen-Metapher, die den europäischen und russischen Tanz seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts umtreibt: mit Schwanensee, dem berühmtesten Ballett überhaupt, oder Anna Pawlowas gefeiertem Solo Der sterbende Schwan. Passend zur Ambivalenz des Motivs entwickelt Ngabas Figur eine Hassliebe zu ihrem Äußeren. Dann kommt Oliver. Mit der Ironie einer Rückschau auf gescheiterte Affären erzählt die "Schwanenprinzessin", wie sie ihre Schulterblätter vor ihm verbirgt, wie er sie eines Tages nach dem Sex trotzdem entdeckt und meint, das könne ja operiert werden. Der Eingriff wird erfolgreich durchgeführt, aber Oliver verschwindet doch eines Tages.

Swan Song untermischt mit Liebe verbundene Hoffnungen mit dem Fluch des Andersseins in auf Anpassung konditionierten Gesellschaften. Die junge Frau fängt sich, aber die Operationsnarben stehen für Verluste: Kerl weg, Flügel weg. Aus diesem Schmerz hat Ngaba ein berührendes Stück gemacht. (ploe, 18.5.2022)