Wird das neue "Fifa" zum kostenlosen Service-Game?

Foto: EA

Eine rund 30-jährige, sehr erfolgreiche Geschäftsbeziehung lässt man nicht leichtfertig enden. Deshalb wurden die Gerüchte, Electronic Arts könnte sich mit der Fifa nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen, kaum ernst genommen. Umso überraschender kam Anfang Mai die Bestätigung beider Seiten, dass der unwahrscheinliche Fall tatsächlich eingetreten ist und eine der erfolgreichsten Videospiel-Franchises aller Zeiten, "Fifa", ab dem nächsten Jahr einen neuen Namen tragen wird: "EA Sports FC". Wird die Reihe aber auch ohne den eingesessenen Namen mehrere Millionen Stück verkaufen und weiterhin die Kasse von EA überschwemmen? Die Antwort ist klar: Ja, wird sie.

Beiderseitiges Einverständnis

Ausgangspunkt der Trennung scheint die Fifa gewesen zu sein. Bisher hatte der Fußballverband von EA etwa 150 Millionen Dollar pro Jahr für die "Fifa"-Lizenz kassiert. Das ist eine Menge Geld, doch ist den Herren bei der Fifa offenbar nicht entgangen, dass EA allein mit seinen virtuellen Sammelkarten in "Ultimate Team" im Jahr 2021 einen Nettoumsatz von rund 1,5 Milliarden Dollar erzielt hat – ein Wert, der vor vier Jahren nur halb so hoch war. Vielleicht wollte die Fifa an diesem Wachstum teilhaben. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass der Fußballverband über die nächsten zehn Jahre angeblich 2,5 Milliarden Dollar, also fast das Doppelte, für die Lizenz einstreifen wollte.

Auch von EA initiierte Kooperationen mit anderen Firmen wurden von der Fifa regelmäßig torpediert. Auf der anderen Seite flirtete die Fifa aber mit dem EA-Konkurrenten Epic Games, um beispielsweise einzelne Spieler im Spiel "Fortnite" zu platzieren, was EA wiederum zunehmend unglücklich werden ließ. Am Ende blieb nur die Trennung, und nun gehen also beide Weltmarken trotz der erfolgreichen Vergangenheit eigene Wege. Aber was heißt das für den Fußballfan, der in den letzten Jahren einer von 150 Millionen "Fifa"-Spielern war?

Fifa as a service

Dank unzähliger Einzel-, Team- und Verbandslizenzen wird sich an der inhaltlichen Aufstellung bei "Fifa" – sorry, bei "EA Sports FC" – voraussichtlich wenig ändern. Einzelne Klubs aus den verschiedensten Ländern haben EA bereits öffentlich die Treue geschworen, und damit wird man weiterhin den kommerziell so erfolgreichen "Ultimate Team"-Modus mit Sammelkarten von realen Spielern befüllen und Hobbykickern Zugriff auf ihre Lieblingsmannschaft geben können. Einzig Welt- und Europameisterschaften werden wohl aus dem Programm fliegen, aber ganz ehrlich: Die Events haben in den letzten Jahren ohnehin verloren – zunächst wegen Corona und der damit verbundenen leeren Stadien, aber auch aufgrund von strittigen Austragungsorten, Stichwort Katar.

Ansonsten ist man mit Partnern wie Microsoft und Sony gut aufgestellt – "Fifa 22" kann man mittlerweile in beiden Abo-Diensten kostenlos herunterladen. Vielleicht eine Idee für die Zukunft, das "Fifa"-Geld so zu investieren, das Grundspiel günstiger oder gar gratis anzubieten, solange man im virtuellen Shop ohnehin das meiste Geld verdient. "Fifa" als Service-Game, das jedes Jahr primär die Kader aktuell hält, aber sonst keine Feature-Listen mehr erfinden muss, um einen Neukauf zu rechtfertigen. Kein "EA Sports FC 24" oder "25". Das Service-Game heißt dann einfach "EA Sports FC".

"Fifa"-Konkurrenz

Und was macht die Fifa künftig, um ihr Lizenzgeschäft am Laufen zu halten? Laut der "New York Times" hat der Fußballverband beschlossen, die Lizenz künftig an mehrere Studios zu verteilen. Erste Früchte dieser neuen Kooperationen will man sogar noch in diesem Jahr ernten. Dabei wird es sich allerdings um leichtere Kost handeln, also keine Simulation, wie es "Fifa" im Ansatz sein wollte. Aber auch EA will bereits 2024 einen direkten Konkurrenten präsentieren, so der Fifa-Präsident Gianni Infantino in einer Pressemitteilung. Holt man sich etwa Konami an Bord, um der lädierten "PES"-Marke zu altem Glanz zu verhelfen? Noch wahrscheinlicher scheint eine Kooperation mit den sportaffinen Menschen von 2K, die EA bereits in Sachen Basketball vom Feld gestoßen haben.

Zwei gleichwertige Fußballsimulationen, die um die Gunst der Spieler rittern? Ältere Fußballfans erinnern sich an Zeiten, als dieses Match von Konami und EA bestritten wurde. Diesen Zweikampf, mit welchem Gegenspieler auch immer, zurückzubringen kann als Ansporn für die Entwicklerstudios sicher nicht schaden. Nur eine Sorge bleibt: Wenn sich die Lizenzhalter irgendwann mit beiden Kontrahenten unterhalten und es am Ende kein einzelnes Spiel mehr mit allen Teams und Klubs geben wird, sondern ein bisschen England hier und ein wenig Italien da, könnte das beim Fußballfan sauer aufstoßen. Aber mal schauen. "Pro Evolution Soccer" hatte mit weniger Lizenzen lange Zeit das bessere Spiel. Möglich scheint also alles. Möge der Bessere gewinnen, und am besten die Spieler gleich mit. (Alexander Amon, 22.5.2022)