Wien – Die aktuelle Regierungsumbildung beschäftigte am Mittwoch auch den Nationalrat. In die ursprüngliche Tagesordnung wurde eine Regierungserklärung eingeschoben, bei der sich die neuen Regierungsmitglieder den Parlamentariern vorstellen konnten. Darunter war auch der neue Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), der eine Stunde zuvor von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt wurde. Sein enger Terminkalender hielt den neuen Minister nicht davon ab, seine neue Aufgabe als eine "große Ehre" zu bezeichnen. "Ich bedanke mich für das Vertrauen und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit mit allen Parlamentsparteien", sagt Totschnig.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) wurde vor der Nationalratssitzung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt.
Foto: BKA/ Florian Schrötter

Die zuvor erfolgte Angelobung dürfte für den neuen Minister jedenfalls entspannter abgelaufen sein als die darauffolgende Nationalratssitzung. Denn die Regierungsumbildung sorgte für dementsprechend angespannte Stimmung im Parlament. Die Regierungsmitglieder waren um die Vermittlung von Stabilität bemüht: "Die letzte Woche war geprägt von Veränderungen. Ich kann aber versichern, dass die Regierung handlungsfähig ist", betont Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). Er verteidigte unter anderem die Zusammenlegung der Agenden Wirtschaft und Arbeit in das Ministerium von Martin Kocher (ÖVP) und freute sich besonders über den neuen Digitalisierungs-Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP). Das umstrukturierte Landwirtschaftsministerium sei nun laut Nehammer klar strukturiert und könne sich nun auf die wesentlichen Themen wie etwa die Lebensmittelversorgung und den Klimawandel fokussieren.

Hitzige Debatte im Parlament

Lobende Worte fand auch sein Vize Werner Kogler (Grüne). Er appellierte, den ausgeschiedenen Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck (beide ÖVP) mehr Respekt entgegenzubringen und ihre Leistungen wertzuschätzen. "Die Krisen in den letzten Monaten und Jahren forderten von den beiden Ministerinnen einiges ab, das muss man anerkennen", sagte Kogler in seiner Rede. Diesen Dankensworten schloss sich auch der türkise Klubobmann August Wöginger an, er sieht die Regierung wie Nehammer als "absolut handlungsfähig".

Mit den Lobeshymnen war es aber schnell vorbei: Die Zwischenrufe während der Reden der Regierungsmitglieder ließen bereits erahnen, wie die Opposition auf die Rücktrittsserie und die Regierungsumbildung reagieren wird. Vonseiten der größten Oppositionspartei – der SPÖ – hagelte es Kritik: "Die Regierung ist seit Monaten damit beschäftigt, ihre Minister auszutauschen und mit allen Mitteln den Laden irgendwie zusammenhalten", zog Jörg Leichtfried eine verheerende Bilanz. Aus der Ära Kurz habe die ÖVP nichts gelernt, die Partei sei mit sich selbst beschäftigt. "Sie führen dieses Land nicht durch die Krise, sie holen die Krise zu uns ins Land", fügte Leichtfried hinzu. Die Sozialdemokraten brachten deshalb einen Neuwahlantrag im Plenum ein, sie wünschen sich die sofortige Beendigung der Gesetzgebungsperiode.

Bures musste Kickl und Maurer unterbrechen

Für harsche Töne im Parlament ist FPÖ-Parteichef Herbert Kickl ohnehin bekannt, er sieht die Glaubwürdigkeit der Regierung als nicht gegeben und bezeichnete den Zustand der Republik als desaströs. "Die jetzige Regierung wird nur durch die Angst vor den nächsten Wahlen zusammengehalten, aber am Wahltag wird der Tag der Abrechnung kommen", meint Kickl im Plenum.

Kaum ein Regierungsmitglied war vor seiner Kritik sicher: Der Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) falle nur durch seine Frisur auf, und die neuen Staatssekretäre seien die neuen "Wunderwuzzis" der Regierung. Für die Beschreibung des Innenministers Gerhard Karner (ÖVP) als "Totalversager" fing er sich aber eine Ermahnung von Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) ein. Der eingebrachte Misstrauensantrag der FPÖ gegen die gesamte Bundesregierung wurde von keiner anderen Fraktion unterstützt.

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl (rechts) übte Kritik an Kanzler Karl Nehammer und seinem neuen Regierungsteam.
Foto: APA/ Roland Schlager

Die Reaktion vonseiten der Regierungsparteien ließ nicht lange auf sich warten, Klubobfrau Sigrid Mauer (Grüne) bezeichnete Kickl als "den schlechtesten Innenminister der Zweiten Republik". Auch sie wurde von Präsidentin Bures unterbrochen mit der Begründung, die Ehre des Hauses zu wahren. Im weiteren Verlauf ihrer Rede hob sie die laut ihr gegebene Handlungsfähigkeit der Regierung hervor und nahm dafür unter anderem die Umsetzung des Klimatickets und den Teuerungsausgleich als Beispiel.

Eine handlungsfähige Regierung sei gerade in Krisenzeiten wichtig, das sieht auch Parteichefin Beate Meinl-Reisinger (Neos) so. Aber: "Das Instrument der Regierungserklärung nutzt sich schon ein wenig ab. Sollen wir uns die neuen Namen in der Regierung überhaupt noch merken?", spielte Meinl-Reisinger auf die häufigeren Regierungsrochaden in der Vergangenheit an.

Schwierigkeiten bei Agenden von Florian Tursky

Neben Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler nahm Staatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP) ebenfalls das erste Mal auf der Regierungsbank Platz. Mit ihm sollen die Themenbereiche Digitalisierung und Telekommunikation im Finanzministerium gebündelt werden. Allerdings dürfte das EU-rechtswidrig sein, wie der Medienjurist Hans-Peter Lehofer gegenüber Ö1 erläuterte. Das Finanzministerium verwaltet nämlich über die Staatsholding Öbag auch Unternehmen wie die Telekom Austria. Die EU schreibt allerdings eine strikte Trennung zwischen Eigentümern und Regulierungsorganen vor, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Im Finanzministerium will man sich dessen bewusst sein – man arbeite an einer Lösung. (Max Stepan, 18.5.2022)