Aufgrund der Rekordgewinne in vielen ATX-Unternehmen steigt auch der Anteil, der an die Aktionäre ausgeschüttet wird.

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Anleger, die in Unternehmen investiert haben, die im heimischen Leitindex ATX notieren, können sich freuen. Aufgrund der teilweisen Rekordgewinne steigen auch die Ausschüttungen und werden heuer erstmals die Grenze von 3,5 Milliarden Euro überschreiten. Das geht aus dem Dividenden-Report 2022 hervor, den die Arbeiterkammer Wien erstellt hat.

Im Vorjahr haben die heimischen Unternehmen nach Corona-bedingten Rückgängen erneut Rekordgewinne verbuchen können. Die ausgewiesenen Zuwächse liegen bei fast allen Unternehmen deutlich über dem sehr guten Konjunkturjahr 2019. Von den 20 im ATX gelisteten Unternehmen haben 18 bereits ihre Jahreszahlen veröffentlicht, die in den Report eingeflossen sind. Das kumulierte, den Aktionären zurechenbare Ergebnis dieser 18 Konzerne stieg um das Doppelte (plus 102 Prozent) auf 10,03 Milliarden Euro. Die Marke von zehn Milliarden Euro wurde damit erstmals überschritten.

Offen sind noch die Jahreszahlen von der Voestalpine und von Do & Co. Doch bereits die Zahlen zum dritten Quartal dieser beiden Unternehmen weisen laut Markus Oberrauter, AK-Ökonom und Autor des Dividenden-Reports, auch dort auf stark steigende Gewinne hin.

Den höchsten Gewinn in absoluten Zahlen erwirtschaftete 2021 – wie bereits im Jahr davor – die OMV mit 2,09 Milliarden Euro. Auf Platz zwei rangiert die Erste Group mit 1,9 Milliarden Euro. Der dritte Platz geht an die Raiffeisen Bank International (RBI) mit einem Gewinn von 1,3 Milliarden Euro.

Auf dem Weg zur Milliarde

Der Verbund konnte im Jahr 2021 seinen Gewinn zwar um 38,4 Prozent steigern, hat mit 873,6 Millionen Euro aber die Milliardengrenze noch nicht erreicht. Doch das erste Quartal des Energiekonzerns zeigt schon, wohin die Reise geht: Von Jänner bis Ende März erwirtschaftete der Verbund beim Konzernergebnis ein Plus von 255,6 Prozent auf 514,4 Millionen Euro – daraufhin wurde die Jahresprognose auf 1,5 bis zwei Milliarden Euro angehoben. Die Ausschüttungsquote soll zwischen 45 bis 55 Prozent liegen, womit den Aktionären rund eine Milliarde Euro zuzurechnen wäre.

Die Bawag schaffte mit einem Rekordgewinn von fast einer halben Milliarde (479,9 Millionen Euro) den Sprung in die besten fünf.

Von den 18 Unternehmen plant nur die RBI aufgrund der Vorsorgen für Russland und die Ukraine, heuer keine Dividende auszuschütten. Die Immofinanz hat zum Auswertungszeitpunkt noch keine Entscheidung über eine Dividende getroffen. Aufgrund der guten Gewinnentwicklung und der bisherigen Ausschüttungspolitik erwarten Analysten auch dort steigende Dividenden.

15 Unternehmen (mit Ausnahme der Bawag) haben bereits angekündigt, die Dividende im Vergleich zum Vorjahr kräftig zu erhöhen. An der Spitze der Ausschüttungen steht ebenfalls die OMV, die 752 Millionen Euro an die Anleger auszahlt. Platz zwei geht an die Erste Group, die 682 Millionen Euro ausschütten möchte. "Bei beiden Unternehmen handelt es sich um die höchste Dividendenzahlung in den vergangenen zehn Jahren", sagt AK-Ökonom Oberrauter. Platz drei geht an den Verbund, der für das Vorjahr 364,8 Millionen Euro an seine Anleger auszahlen wird.

Ein Drittel geht an die Anleger

Damit schütten die Konzerne in Summe rund ein Drittel ihrer Gewinne aus. Laut Oberrauter ist das eine vernünftige Quote. Wenn allerdings in außerordentlichen Hauptversammlungen Zusatzausschüttungen aufgrund der guten Gewinnsituation im laufenden Jahr beschlossen werden, würde das dem Ökonomen sauer aufstoßen. "Die Frage ist ja schon, wie es in dem derzeit wirtschaftlich und politisch unsicheren Umfeld weitergeht", sagt Oberrauter. Noch laufe der Ertragsmotor, und den Unternehmen gehe es gut. Wegen der vor allem politischen Unsicherheiten empfiehlt der Ökonom, bei einer maßvollen Ausschüttung zu bleiben.

Die Post etwa schüttet nahezu den gesamten Gewinn an die Anleger aus. Die Post wurde als "Volksaktie" etabliert, daher lasse sich die hohe Ausschüttung erklären. Oberrauter fände es hier aber besser, würde auch in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen investiert.

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich in den Ergebnissen des ersten Quartals der ATX-Konzerne noch nicht widergespiegelt – die Gewinnentwicklung setzte sich bisher fort. Aktuell liegen von zehn ATX-Unternehmen die Ergebnisse zum ersten Quartal vor. Sieben von ihnen konnten ihre Gewinne im Vergleich zum ersten Quartal 2021 steigern.

Der Höhe nach sticht vor allem das Verbund-Ergebnis hervor. Der Energiekonzern konnte von den stark gestiegenen Preisen für Strom profitieren. Das Konzernergebnis stieg um 255,6 Prozent auf 514,4 Millionen Euro. Auch die OMV hat in den ersten drei Monaten gut verdient – überschattet wurde das Ergebnis jedoch von den Abschreibungen auf die Pipeline Nord Stream 2 und wegen der Konsolidierung des Anteils am Juschno-Russkoje-Gasfeld. Der Quartalsgewinn ist dadurch auf 546 Millionen Euro (2021: 654 Millionen Euro) zurückgefallen.

Mangel an Fachkräften

Die Energiekonzerne stehen wegen der Zufallsgewinne aufgrund der hohen Kosten für Strom und Gas derzeit in der Debatte. Eine Abschöpfung dieser Übergewinne, um damit wirtschaftlich schwache Haushalte zu fördern, wird diskutiert. Die Energiewende bekommt neuen Schwung. Josef Thoman weist in diesem Zusammenhang auf den Fachkräftemangel hin, der auch im Energiesektor enorm ist.

"Techniker, allen voran Elektroingenieure fehlen", sagt Thoman. Damit hinke man auch beim Ausbau der Netze hinterher, der dringend nötig wäre, damit die Energiewende gelingen könne. Windräder müssen aufgestellt, Photovoltaikanlagen installiert werden. Netzbetreiber klagten schon lange über den Mangel an Fachkräften. Der Zuwachs aus Fachhochschulen komme zu langsam. Thoman sieht daher auch die Energieunternehmen in der Pflicht: Übergewinne könnten auch in die Ausbildung fehlender Fachkräfte investiert werden. (Bettina Pfluger, 19.5.2022)