Bild nicht mehr verfügbar.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu (links) und sein US-Amtskollege Antony Blinken.

Foto: Reuters / Eduardo Munoz

"Es war ein sehr gutes Gespräch", sagte ein grinsender Mevlüt Çavuşoğlu in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nach einem Treffen mit seinem amerikanischen Kollegen Antony Blinken in New York. Blinken habe viel Verständnis für die türkischen Sicherheitsprobleme gezeigt. Fast zeitgleich mit dem Treffen zwischen dem türkischen und dem amerikanischen Außenminister telefonierte der türkische Sicherheitsberater İbrahim Kalın mit dem US-Sicherheitsberater Jake Sullivan. Auch dieser sagte anschließend, man solle den türkischen Forderungen entgegenkommen.

Mit den Gesprächen in den USA ist der Reigen eröffnet worden, um auszuloten, welche Forderungen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan durchsetzen kann, damit die Türkei einem Nato-Beitritt der beiden skandinavischen Länder Schweden und Finnland zustimmt. Welch großen Wert die übrigen Nato-Länder dem Beitritt beimessen, zeigt auch US- Präsident Joe Biden, der am Donnerstag den finnischen Präsidenten und die schwedische Regierungschefin im Weißen Haus empfängt.

Rüstung und Terrorvorwürfe

Da ein Beitritt ohne türkische Zustimmung nicht möglich ist, versucht Erdoğan nun so viele eigene Anliegen wie möglich durchzusetzen. Zunächst einmal sollen Sanktionen der USA, die diese wegen des Kaufs des russischen Raketenabwehrsystems S-400 durch Erdoğan verhängt haben, möglichst wieder aufgehoben werden. Die USA hatten die Türkei deswegen aus dem Programm für ihr modernstes Kampfflugzeug F-35 hinausgeworfen, was Erdoğan gerne rückgängig machen würde. Ersatzweise soll der Kongress wenigstens der Lieferung modernisierter F-16-Kampfflugzeuge zustimmen, die bis jetzt das Rückgrat der türkischen Luftwaffe ausmachen. Auf der Rüstungsebene fordert die Türkei auch die Aufhebung von Embargos, die Deutschland und andere europäische Länder nach dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien verhängt hatten.

Während bei diesen Punkten ein Entgegenkommen möglich scheint, wird es bei der sogenannten Terrorfrage sehr schwierig. So wie die USA und europäische Nato-Länder seinerzeit der Türkei vorwarfen, sie würde die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) insgeheim unterstützen, wirft die Türkei den USA und diversen europäischen Ländern seit langem vor, sie in ihrem Kampf gegen die kurdischen "PKK-Terroristen" nicht ernst zu nehmen, sondern im Gegenteil der PKK indirekt auch noch unter die Arme zu greifen.

In Syrien hatte sich die US-Armee im Kampf gegen den IS in erster Linie der kurdischen YPG-Miliz als Bodentruppe bedient, die enge ideologische Beziehungen zur PKK unterhält. US-Präsident Donald Trump hatte die Unterstützung der YPG schon einmal auf Drängen Erdoğans heruntergefahren, von Biden erwartet Erdoğan nun die Einstellung der Waffenlieferungen an die YPG.

Signal an Moskau

Schweden, das jetzt der Nato beitreten will, war lange ein bevorzugtes Exilland für PKK-Kader und andere politisch verfolgte Kurden. Erdoğan wirft der schwedischen Regierung deshalb vor, insgesamt mit den Kurden zu sympathisieren. Er will nun nicht nur verbale Zusicherungen der beiden Nordländer haben, sondern auch schriftliche Zusagen über die Auslieferung von rund 30 Exilanten von Schweden erreichen, darunter neben kurdischen Aktivisten auch wegen des Putschversuchs verurteilte Mitglieder der Gülen-Sekte.

Beide skandinavischen Länder signalisierten erst einmal grundsätzliche Gesprächsbereitschaft, doch Erdoğan will die Verhandlungen lieber über die USA als direkt mit Stockholm und Helsinki führen. Eine angekündigte Verhandlungsdelegation beider Länder lud er wieder aus.

Alle diese Aktionen dienen natürlich auch dazu, dem russischen Präsidenten Putin zu signalisieren, dass die Türkei auch zukünftig als Moderator für mögliche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland ein geeigneter Partner ist. Nach wie vor beteiligt sich Erdoğan ja nicht an den Sanktionen gegen Russland und hofft stattdessen auf viele russische Touristen in diesem Sommer. Russisches Geld belebt schon jetzt den türkischen Immobilienmarkt. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 19.5.2022)