Solche Erlebnisse graben sich ins Gedächtnis ein: ein geradezu gargantuesker Anschiss von einer Möwe.

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Die Zeitung Heute berichtet in dieser Woche, dass neuerdings vor der Staatsoper in Wien Krähen auf Fußgänger "losgehen". Und "losgehen" bedeutet da nicht etwa nur penetrantes Ankrächzen oder anzügliches Schnäbeln, sondern heftige Attacken, die eine Dame sogar zu Sturz brachten und ihr eine blutende Kopfwunde eintrugen. Mit dem Opernbesuch war es danach vermutlich Essig.

Ich nehme diese Meldung gern zum Anlass, diese Woche über böse Vögel zu schreiben. Damit laufe ich – Triggerwarnung! – natürlich Gefahr, nichts Wesentliches zur moralischen Tiefe und zum politischen Bekenntniswillen beizutragen, die momentan die Ukraine-, Pandemie- und Inflationsberichterstattung auszeichnen. Sehen Sie sich also bitte vor!

Opfer einer direkten Vogelattacke per Schnabel oder Klaue bin ich selbst nie geworden. Ich kenne nur die Geschichte von einem Vorarlberger Jogger, dem sich beim Laufen urplötzlich ein Greifvogel von hintoben in die Kopfschwarte krallte und nicht mehr losließ, vermutlich, weil er die Haarpracht mit einem beweglichen Nest verwechselt hatte. Wohl aber habe ich ein Erlebnis aus dem Themenkreis "Kackende Krähen, defäzierende Dohlen und andere Schweinevögel" beizusteuern.

Gefahr aus den Lüften

Es ist etliche Jahre her, da saß ich, in Gesellschaft plaudernd, in einem Strandcafé im bretonischen Saint-Malo, als ich plötzlich, im wahrsten Wortsinn "out of the blue", wie die Angelsachsen sagen, einen geradezu gargantuesken Anschiss von einer Möwe erfuhr, den sie exakt in Genitalhöhe auf meinen Shorts deponierte.

Leider war die Gesellschaft nicht reif und diskret genug, über dieses Missgeschick hinwegzusehen, sondern brach vielmehr in röhrendes Gelächter aus und erging sich in ätzenden Spekulationen, ob ich nicht möglicherweise von einer fliegenden Kuh besudelt worden sei. Von der Menge her hätte es jedenfalls gepasst.

Solche Erlebnisse graben sich ins Gedächtnis ein. Ein alter Freund von mir hat eine Riesenkarriere als Bankdirektor gemacht, aber wenn ich an ihn denke, denke ich zuerst nicht an seine finanzielle Expertise, sondern an den Tag, als ihm eine Taube mitten auf der Wiener Reichsbrücke ebenso unvermutet wie punktgenau auf seine rechte Geheimratsecke schiss. Böse Vögel: in der Tat eine Gefahr aus den Lüften, die man niemals unterschätzen sollte. (Christoph Winder, 21.5.2022)