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Der von Affenpocken verursachte Ausschlag unter einem Mikroskop.

Foto: Reuters / CDC

New York / Melbourne/ Wien – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einer Ausbreitung der Affenpocken in Europa. Der Europa-Chef der WHO, Hans Kluge, sagte am Freitag, er sei besorgt, dass sich die Ausbreitung des Virus in den Sommermonaten in der Region beschleunigen könnte. Massenveranstaltungen, Festivals und Partys könnten die Übertragung vorantreiben. Außerdem seien vielen Menschen die Symptome unbekannt. Die WHO berief für Freitag eine Sitzung dazu ein.

Nach Ausbrüchen von Affenpocken in Großbritannien, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich und den USA hat Deutschland am Freitag seinen ersten Fall gemeldet. Entdeckt worden sei er vom Institut für Mikrobiologie der Deutschen Bundeswehr, teilte die Nachrichtenagentur Reuters mit.

Österreich bereitet sich vor

In Österreich wurde bisher kein Fall der Affenpocken gemeldet. Die Gesundheitsbehörden bereiten sich aber vor: Das Contact-Tracing soll im Fall des Falles Anfang kommender Woche startklar sein, erfuhr die APA am Freitag aus dem Gesundheitsministerium. Die WHO hat ja zu einer Nachverfolgung aller Kontakte von Infizierten aufgerufen.

"Aktuell werden Falldefinitionen und -abgrenzungen erarbeitet, um im Rahmen einer Meldepflicht ein adäquates Fall- und Kontaktpersonenmanagement umsetzen zu können", hieß es aus dem Gesundheitsressort. Für eine Entscheidung, ob die Affenpocken künftig zu den meldepflichtigen Erkrankungen zählen sollen und Infizierte auch in Quarantäne müssen, brauche es einheitliche internationale Vorgaben, diesbezügliche Abstimmungen laufen zwischen der WHO und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Dabei geht es um eine übereinstimmende Falldefinition, also zum Beispiel anhand welcher Parameter die Krankheit diagnostiziert und nachgewiesen wird. Auch für den Nachweis der Affenpocken könnten labortechnische PCR-Tests verwendet werden.

Bis ein einheitliches internationales Vorgehen beschlossene Sache ist, gehen die Gesundheitsbehörden nach der bekannten Symptomatik vor. Im Laufe des Freitag wird daher den Bundesländern, den Fachgesellschaften sowie Ärztinnen und Ärzten vom Gesundheitsministerium ein Informationsschreiben übermittelt. Dies soll in den Gesundheitseinrichtungen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber der an sich sehr seltenen Infektion beitragen.

Hautveränderungen beobachten

Die Ausbrüche machen Sorgen, weil die Viruserkrankung, die sich durch engen Kontakt ausbreitet und zuerst bei Affen gefunden wurde, hauptsächlich in West- und Zentralafrika und nur sehr selten andernorts auftritt. Das deutsche Robert-Koch-Institut riet dazu, bei verdächtigen Symptomen – insbesondere bei Reiserückkehrenden aus (West-)Afrika – eine Affenpockeninfektion in Betracht zu ziehen. Da es sich bei vier Fällen in Großbritannien um Männer handelt, die Sex mit Männern haben, sollten auch Männer mit ungewöhnlichen Hautveränderungen und Läsionen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten, unverzüglich zum Arzt gehen.

Nagetiere als Hauptwirt

Die Affenpocken werden durch ein Virus ausgelöst, das Fiebersymptome sowie einen charakteristischen Hautausschlag verursacht. Es verbreitet sich durch engen Kontakt, sowohl durch Übertragungen von Tieren als auch – wenn auch seltener – zwischen Menschen. Es wurde 1958 erstmals bei Affen gefunden, Nagetiere gelten inzwischen als Hauptwirt. Die Krankheit verläuft in der Regel mild, obwohl es zwei Hauptstämme gibt: den Kongo-Stamm, der schwerwiegender ist – mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu zehn Prozent –, und den westafrikanischen Stamm, der in etwa einem Prozent der Fälle tödlich verläuft. Die Fälle in Großbritannien werden dem westafrikanischen Stamm zugeordnet.

"In der Vergangenheit sind nur sehr wenige Fälle exportiert worden. Vor diesem Jahr ist das nur achtmal vorgekommen", sagte Jimmy Whitworth, Professor für internationale öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Er bezeichnete die Ausbreitung als "höchst ungewöhnlich", riet aber dazu, nicht in Panik zu verfallen: "Das wird keine landesweite Epidemie auslösen, wie es bei Covid der Fall war, aber es handelt sich um den ernsten Ausbruch einer ernsten Krankheit – und wir sollten ihn ernst nehmen."

Weltweit immer mehr Fälle bekannt

In Spanien meldeten die Gesundheitsbehörden am Donnerstag die ersten sieben Fälle. Es gebe zudem 22 Verdachtsfälle, alle in der Region Madrid. Auch in Belgien wurde einem Bericht zufolge ein erster Fall von Affenpocken nachgewiesen. Die infizierte Person habe sich beim Institut für Tropenmedizin in Antwerpen gemeldet, berichtete der Sender VRT am Donnerstagabend unter Berufung auf die Forscherin Isabel Brosius. Die infizierte Person sei nicht sehr krank, hieß es, ihre Kontakte würden ermittelt. In den USA war am Mittwoch im Bundesstaat Massachusetts ein erster Fall bei einem Mann gemeldet worden, der vor kurzem nach Kanada gereist war. In Großbritannien war der erste Fall Anfang Mai bekannt geworden, dort wurden bisher sieben Fälle bestätigt. (APA, red, 20.5.2022)