Es gibt Schmuckstücke, die für die breite Allgemeinheit wie aus der Zeit gefallen scheinen. Diademe etwa, die gelegentlich noch bei Hochzeiten und allenfalls bei Bällen getragen werden. Auf dem Red Carpet hatte der im Englischen als "tiara" bezeichnete Schmucktyp bislang eher keine Tradition. Das könnte sich nun ändern.

Aus dem aktuellen Dorotheums-Angebot: Ein Diadem aus altem europäischen Adelsbesitz mit Altschliffbrillanten und –diamanten (18,2 ct), das man auch zu einem Collier oder zu Broschen umfunktionieren kann.
Foto: Dorotheum

Anlass gab die jüngste Gala im Metropolitan Museum of Art in New York, die als eines der prominentesten und exklusivsten Modeevents der Welt gilt. Erstmals fand sie 1948 statt, und sie zählt seit langem zu den wichtigsten Einnahmequellen der zugehörigen Fachabteilung des Museums, die sich selbst finanzieren muss.

Die Tickets kosten 35.000 Dollar, die Tische zwischen 200.000 und 300.000 Dollar. 2021 summierte sich das Fundraising auf 16,4 Millionen Dollar, heuer verzeichnete man mit 17,4 Millionen Dollar einen Rekordwert. Für die Entwicklung von einer lokalen philanthropischen Veranstaltung zu einem Event des Superlativs zeichnet Anna Wintour verantwortlich: die Chefredakteurin der amerikanischen Vogue und künstlerische Leiterin von Condé Nast, die 1999 die Leitung der Gala übernahm.

Einflussreiche Vogue-Chefin

Wintour ist eine der mächtigsten und auch einflussreichsten Frauen in der Modebranche. Der stets akkurat geschnittene Bob und die obligate Sonnenbrille sind ihre Markenzeichen. Ihre Outfits dienen Fashionistas selbstredend als Quelle der Inspiration. Ihren Met-Auftritt in Chanel-Adjustierung krönte sie mit einem hochkarätigen Diadem, bei dem es sich um ein Familienerbstück aus dem Jahr 1910 handeln soll.

"Vogue"-Chefin Anna Wintour mit ihrem Vintage-Diadem von 1910 aus Familienbesitz.
Foto: APA / AFP / Angela Weiss

Anderntags ernannte CNN diesen Vintage-Haarschmuck zu dem Accessoire des Galaabends. Denn auch andere Häupter hatten solche Kreationen geziert: Youtuberin Emma Chamberlain trug eine aus dem Hause Cartier von 1911, Schauspielerin Tommy Dorfman eine fast 200 Jahre alte Variante.

Europäischer Schmucktyp

Hamish Bowles, Modejournalist und Herausgeber des Magazins The World of Interiors, hatte sich dagegen für eine Version entschieden, die einem Kranz mit vergoldeten Federn glich. Entworfen wurde es einst von Fulco di Verdura, einem italienischen Herzog und Juwelier, der in den 1920er- und 1930er-Jahren mit Chanel zusammenarbeitete.

Der Dresscode des Galaabends stand unter dem Motto "Gilded Glamour" und bezog sich auch auf die laufende Met-Ausstellung, die den Ursprung und die Geschichte amerikanischer Mode feierte.

Beim Diadem handelt es sich allerdings um einen Schmuck, dessen Herkunft nicht europäischer sein könnte. Seine Geschichte reicht in Form von in Gold und Silber gefertigten Blattkränzen bis in die Antike zurück: Während die halbmondförmige Bekrönung in Griechenland der rituellen Zierde von Götterstatuen und Priestern diente, fungierte sie in Rom als herrschaftliches Symbol und wurde sowohl von männlichen als auch von weiblichen Mitgliedern hochstehender Familien getragen.

Vom antiken Blattkranz zur Mitgift

Im Laufe der Jahrhunderte wurden Diademe Bestandteil der Mitgift adeliger Häuser und zum obligaten Hochzeitsschmuck. Der ab dem späten 18. Jahrhundert grassierende Antikenhype verhalf zu steigender Nachfrage und mündete in eine neue Hochblüte. Davon profitierten nicht nur Juweliere in Paris und London, sondern auch solche in Wien. Innerhalb von deren Sortiment galten Diademe als Kabinettstücke, die zumeist auf Auftrag gefertigt wurden.

Anlässlich des Thronjubiläums der Queen veranstaltet Sotheby’s in London ab 28. Mai (bis 15. Juni) eine Sonderausstellung, in der knapp 50 Diademe königlicher und adeliger Herkunft zu sehen sein werden. Darunter diese Smaragd- und Diamant-Tiara, die einst Prinz Albert für seine Ehefrau Königin Victoria 1845 entwarf und vom Kronjuwelier Joseph Kithing angefertigt wurde.
Foto: Sotheby's

Gemessen am einstigen Produktionsumfang blieben jedoch vergleichsweise wenige erhalten. Jene, die etwa als zu Brosche, Clips und Collier zerlegbar konzipiert waren, wurden über den Erbweg oftmals filetiert, erzählt Astrid Fialka-Herics, Chefin der Juwelensparte des Dorotheums, wo regelmäßig Diademe versteigert werden.

Vollständig erhaltene Ensembles gelten als Raritäten und erzielen immer wieder Spitzenpreise. Besonders dann, wenn eine prominente Herkunft, wie jene des Hauses Habsburg, dokumentiert ist. So erzielte ein Diadem aus dem einstigen Besitz von Erzherzogin Marie-Valerie von Österreich 2019 stattliche 442.500 Euro: Neben zahlreichen Brillanten und Diamanten (25 ct) hatte der k. k. Hof- & Kammerjuwelier A. E. Köchert 1890/95 dafür auch 21 prachtvolle Orientperlen verarbeitet.

Art-déco-Modell bescherte Auktionsrekord

Den vorläufigen Auktionsrekord hält ein um 1930/35 von Cartier in London gefertigtes Art-déco-Modell mit Aquamarinen (70 ct) und Diamanten (4 ct), das auch als Halsreif getragen werden kann. Der Schätzwert hatte sich im Vorfeld der Auktion im Juni 2020 auf 34.000 bis 70.000 Euro belaufen, der Hammer fiel dank des starken Interesses dann erst bei 582.800 Euro.

Dass in der am 2. Juni im Dorotheum anberaumten Juwelenauktion gleich vier solcher Schmuckstücke angeboten werden, ist angesichts der Seltenheit dem reinen Zufall geschuldet, wie Fialka-Herics versichert. Zu den besonderen Diademen gehört ein mit Altschliffdiamanten und -brillanten (20 ct) verziertes aus altem europäischem Adelsbesitz mit variablem Einsatz als Collier oder Broschen. Dem Schätzwert zufolge sollte man dafür ein Budget von wenigstens 40.000, wenn nicht 70.000 Euro oder mehr parat haben. (Olga Kronsteiner, 22.5.2022)