Ukrainische Kämpfer im Donbass.

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Kiew/Moskau – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bekräftigte am Samstag in Gesprächen mit der schwedischen Regierungschefin Magdalena Andersson und Finnlands Präsidenten Sauli Niinistö seine Forderungen rund um einen Nato-Beitritt der Länder. Er forderte konkrete Schritte gegen den Terrorismus. Auch müsse ein Waffenembargo gegen die Türkei nach dem Einfall in Syrien 2019 aufgehoben worden, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu Erdoğan nach dem Telefonat mit Andersson.

Schweden müsse seine "politische, finanzielle und militärische Unterstützung" für terroristische Gruppen einstellen und "Embargos für die Verteidigungsindustrie" beenden, die es nach einer türkischen Militäroperation gegen die syrische Kurdenmiliz verhängt hat, hieß es in der Stellungnahme aus Ankara. Dies seien zwei "konkrete und ernsthafte Schritte", die erkennen ließen, dass Stockholm die Sicherheitsbedenken der Türkei teile, sagte Erdoğan der schwedischen Regierungschefin.

Andersson sagte anschließend, sie habe betont, dass Schweden eine Zusammenarbeit im Kampf gegen den internationalen Terrorismus begrüße und eindeutig hinter dem Kampf gegen den Terrorismus sowie der Einstufung der verbotenen Partei PKK als Terrororganisation stehe. Sauli Niinistö twitterte nach seinem Telefonat mit Erdoğan, es sei ein offenes Gespräch gewesen. Ein Nato-Beitritt Finnlands werde die Sicherheit beider Partner stärken. "Finnland verurteilt jede Form von Terrorismus", betonte Niinistö. Der Dialog werde fortgesetzt.

Kein russisches Gas für Finnland

Finnland erhält auch kein Gas aus Russland mehr. Der russische Staatskonzern Gazprom hat die Lieferungen am Samstagmorgen wie angekündigt eingestellt. Gazprom teilte zur Begründung mit, dass der finnische Versorger Gasum seine Zahlungen – nicht wie von Präsident Wladimir Putin gefordert – in Rubel bezahlte. Nach Angaben von Gazprom erhielt Finnland im vergangenen Jahr zwei Drittel seines Gases aus Russland. Das waren demnach insgesamt 1,49 Milliarden Kubikmeter Gas.

Das Unternehmen in Espoo informierte am Samstagmorgen ebenfalls über die Einstellung der Lieferungen. Gasum werde ab sofort und während der Sommersaison Gas aus anderen Quellen über die Balticconnector Pipeline an die Kunden liefern, hieß es in der Mitteilung. Das Netz funktioniere weiter normal. Zuvor hatte Russland auch Polen und Bulgarien den Gashahn abgedreht, weil sie nicht in Rubel zahlen.

Offensive im Donbass verstärkt

Indes hat Russland am Samstag seine Offensive im Donbass im Osten der Ukraine verstärkt. Schwere Kämpfe meldete die Ukraine aus dem Bezirk Luhansk. Das ukrainische Militär erklärte, neun Vorstöße seien abgewehrt worden. Dabei sollen in den vergangenen 24 Stunden fünf Panzer und zehn gepanzerte Fahrzeuge zerstört worden sein. Um 20.00 Uhr MEZ sollen demnach an vier verschiedenen Orten die Gefechte angehalten haben. Die Angaben konnten nicht verifiziert werden.

Nach ukrainischen Angaben setzte die russische Armee an der gesamten Frontlinie im Donbass Flugzeuge, Artillerie, Panzer, Raketen, Mörser und Marschflugkörper für Angriffe auf öffentliche Infrastruktur und Wohngebiete ein. Dabei seien im Bezirk Donezk mindestens sieben Menschen getötet worden.

Der Luhansker Gouverneur Serhij Gaidai teilte mit, die russischen Truppen versuchten Siewierodonesk zu zerstören, es werde von den Früh- bis in die Abendstunden gekämpft. Siewierodonesk wird zusammen mit seiner Zwillingsstadt Lysytschansk auf der anderen Seite des Flusses Siwerskiy Donets seit Beginn des Krieges von ukrainischen Truppen trotz zahlreicher Angriffe gehalten. Nach Angaben Gaidais zerstörten die Russen am Samstag eine Brücke zwischen beiden Städten.

Selenskyj: "Haben Russland das Rückgrat gebrochen"

Unterdessen bekräftigte der ukrainische Unterhändler Mychailo Podoljak, es werde keinen Waffenstillstand um den Preis territorialer Abtretungen geben. "Die (russischen) Streitkräfte müssen das Land verlassen, und danach wird die Wiederaufnahme des Friedensprozesses möglich sein", sagte er Reuters. Ein Waffenstillstand werde nur dazu führen, dass Russland sich neu formieren werde, um dann umso heftiger anzugreifen.

Ungeachtet der Niederlage in der Hafenstadt Mariupol hat die ukrainische Armee nach Überzeugung von Präsident Wolodymyr Selenskyj Russlands Streitkräften großen Schaden zugefügt. Die Ukraine habe der russischen Armee "das Rückgrat gebrochen", sagte Selenskyj in einem am Samstag ausgestrahlten Fernsehinterview. "Sie werden die nächsten Jahre nicht mehr auf die Beine kommen", sagte der 44-Jährige.

Selenskyj während des Fernsehinterviews.
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Kurz zuvor hatten sich die letzten mehr als 2400 ukrainischen Verteidiger der Hafenstadt im Südosten des Landes ergeben und in russische Gefangenschaft begeben.

Kiew werde sich alles zurückholen, betonte Selenskyj. Eine Rückkehr zu den Frontlinien von vor dem 24. Februar – der Tag, an dem Russlands Angriffskrieg begann – werde bereits als Sieg gelten. "Das wird bedeuten, dass sie uns nicht erobert und wir unser Land verteidigt haben", sagte der Staatschef. Der Weg dorthin werde jedoch sehr schwierig. Am Ende stehe dann die Diplomatie.

Ausweitung der Sanktionen gefordert

Selenskyj pocht auf eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland. Nach einem Telefonat mit dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi unterstrich er die Notwendigkeit, dass die Blockade der ukrainischen Seehäfen aufgehoben wird. In einem Tweet dankte er Draghi für die bedingungslose Unterstützung des Wunsches, Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Der Krieg in der Ukraine kann nach Ansicht von Selenskyj letztlich nur durch Diplomatie beendet werden. Der Krieg werde "blutig sein, es wird heftige Kämpfe geben, aber endgültig enden wird er nur durch Diplomatie", sagte der Staatschef am Samstag dem ukrainischen Fernsehsender ICTV. "Es gibt Dinge, die wir nur am Verhandlungstisch erreichen können." Die Ergebnisse der Verhandlungen müssten "gerecht" für die Ukraine sein. (APA, red, 21.5.2022)