Detmold/Wolfsburg – Es ist ein Prozess der besonderen Art, der sich seit vergangenem Freitag am Landgericht in Detmold, einer 70.000-Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen, abspielt. Ulf Allhoff-Cramer, ein 61-jähriger Biobauer, klagt niemand Geringeren als Volkswagen (VW), den zweitgrößten Autobauer der Welt.

Laut Allhoff-Cramer, der bei seiner Klage von Greenpeace unterstützt wird, ist der Konzern mitverantwortlich für die Klimakrise und schade damit seinem Hof und dem zugehörigen Wald. Durch den millionenfachen Verkauf klimaschädlicher Fahrzeuge verstärke Volkswagen die Erderwärmung und verursache so auch künftig Einbußen in der Landwirtschaft.

Vor Gericht will der Bauer nun durchsetzen, dass der Autokonzern "übermäßige" Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid unterlässt und spätestens ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr verkaufen darf. Bis dahin soll VW zudem seine CO2-Emissionen um 65 Prozent gegenüber 2018 senken.

VW beteuert, ohnehin auf Elektromobilität zu setzen.
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Kritischer Richter

Volkswagen hatte die Forderungen bereits im Vorfeld des Prozesses zurückgewiesen. Eine "individuelle Haftung für allgemeine Folgen des Klimawandels" gebe es nicht. Die wesentlichen Entscheidungen in Sachen Klimakrise müsse der Gesetzgeber treffen. Einzelne Klagen seien nicht geeignet, um den Herausforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden. Volkswagen trage mit einem breiten Angebot an Elektroautos zu einem schnellen Umstieg auf die Elektromobilität bei.

Beim Prozess am Freitag äußerte sich nun auch der zuständige Richter kritisch zur Klage. Er bezweifle, dass es ein Recht auf den Erhalt "treibhausgasbezogener Freiheit" gebe, wie es die Kläger einfordern. Sie müssen laut Gericht nun genau darlegen, welche Schäden der Landwirt erlitten habe. Das Urteil will das Gericht im September verkünden.

Shell-Klage als Vorbild

Die erfolgreiche Klimaklage "Urgenda" gegen die Niederlande hatte 2020 einen regelrechten Boom an Verfahren ausgelöst. Die meisten davon richteten sich gegen Staaten. Erfolgreich war etwa die deutsche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. In Österreich scheiterte Greenpeace am Verfassungsgerichtshof.

Vor rund einem Jahr waren es dann einmal mehr die Niederlande, die einen Präzedenzfall schufen: Das Den Haager Bezirksgericht verurteilte den Ölriesen Shell dazu, seine Emissionen drastisch zu reduzieren – die erste erfolgreiche Klimaklage gegen ein Unternehmen. Shell hat gegen das Urteil berufen. Das Verfahren dürfte sich daher noch mehrere Jahre ziehen. (Jakob Pflügl, 23.5.2022)