Die Idee geht direkt auf einen der Google-Gründer zurück: Sergey Brin war es, der Mitte der Nullerjahre vorschlug, die Straßen der Welt fotografisch zu erfassen. Für Brin war das eine logische Erweiterung von Googles selbstgesetztem Auftrag, das Wissen der Welt kostenlos zugänglich zu machen.

Gesagt, getan: Schon bald danach wurden Kameras auf Autos gepackt und damit zunächst einmal der Google-Campus in Mountain View bildlich erfasst. Der Test verlief erfolgreich, also machte sich Google daran, ein echtes Produkt aus dem Experiment zu machen – und dieses sollte schon bald folgen.

Offizieller Startschuss

Am 25. Mai 2007 präsentierte Google die erste Version von Street View der Öffentlichkeit. Die Abdeckung war zum Start noch relativ bescheiden: Lediglich fünf US-Städte ließen sich auf diesem Weg virtuell beschreiten, darunter San Francisco, Las Vegas und New York. Die Begeisterung war trotzdem groß – das Unbehagen allerdings auch.

Ein Google-Street-View-Auto in Wien.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Schnell entspann sich eine Debatte über Privatsphäre. Street View wäre so etwa wie ein digitaler Spanner, der Menschen in die Fenster und den Garten schaue, so der Vorwurf. Die Debatte erhitzte sich dabei dermaßen, dass im Jahr 2009 die Einwohner des kleinen Orts Broughton in der britischen Grafschaft Buckinghamshire für weltweite Schlagzeilen sorgten, indem sie mit vereinter Kraft ein Street-View-Auto in die Flucht schlugen. Dies aus der Angst, dass die Aufnahmen von Einbrechern genutzt werden könnten.

Österreich bei den Gegnern ganz vorne mit dabei

In Österreich war die Rezeption kaum besser – ganz im Gegenteil. Als die Google-Autos im Jahr 2010 hierzulande ihre ersten Runden drehten, wurde eines davon im oberösterreichischen Steyregg gar von einem mit einer Spitzhacke ausgestatteten Pensionisten attackiert. Dieser wollte sich beim "Garteln" nicht fotografieren lassen, gab er später zu Protokoll.

Doch auch die heimischen Datenschutzbehörden konnten sich mit Street View zunächst nicht so recht anfreunden, nicht zuletzt um die Höhe der angebrachten Kamera drehte sich die Debatte. Also wurden die Google-Fahrten in Österreich wieder eingestellt, die Bilder nie veröffentlicht.

Die "Treppe ins Nichts" am Dachstein
Foto: Google

Eine späte "Einigung"

Erst sieben Jahre später kam es zu einer Einigung, bei der sich Google zu allerlei Dingen verpflichtete, die man zu dem Zeitpunkt allerdings ohnehin schon alle freiwillig vornahm – etwas das Unkenntlichmachen von Gesichtern sowie die Möglichkeit, eine Löschung von Bildern gezielt zu beantragen. Andere 2011 erteilte Auflagen, darunter das Verbot, in der Nähe von Kirchen oder Schulen Aufnahmen zu machen, wurden stillheimlich wieder fallengelassen.

Ausnahmefall: Deutschland

Damit war Österreich übrigens noch nicht einmal die Bastion der Street-View-Gegner. Diese Rolle kommt Deutschland zu, wo es bis heute nur wenige und extrem veraltete Straßenaufnahmen gibt. Dem war eine ziemlich erhitzte öffentliche Diskussion vorangegangen, die dazu führte, dass viele Hausbesitzer ihre Gebäude unkenntlich machen ließen.

Bis heute betont Google, dass man keine Pläne habe, die Fahrten in Deutschland wiederaufzunehmen. Innerhalb Europas bleibt Deutschland damit ein recht einsamer weißer Fleck auf der Street-View-Karte.

Große Zahlen

Weltweit sieht die Situation erheblich anders aus: Street View ist mittlerweile in mehr als hundert Ländern verfügbar, die abgedeckten Straßen haben eine Länge von mehr als 16 Millionen Kilometern, wie Ethan Russet, Director of Product Google Maps, in einem Pressegespräch vorrechnet.

Sicher eine der beeindruckendsten Spezialsammlungen von Street View: Hoch die Wand von "El Capitan" im Yosemite Nationalpark.
Foto: Google
Street View auf der ISS.
Foto: Google

Das entspricht 220 Milliarden 360-Grad-Aufnahmen, und zwar längst nicht nur von Straßen. Google hat seine Kameras über die Jahre an die unterschiedlichsten Plätze gebracht. Vom Yosemite Nationalpark bis zum Great Barrier Reef oder auch zahlreiche Museen, all das ist mittlerweile bei Street View verfügbar.

Für diese zahlreichen Spezialaufnahmen hat man sich über die Jahre auch allerlei anderer Vehikel bedient. Auf Fahrrädern und Booten wurden die Kameras ebenso angebracht wie auf dem Rücken von Kamelen und Schafen – und natürlich Menschen, die etwa durch Fußgängerzonen gehen oder sogar Berge erklimmen.

Nachschlag

Den 15. Geburtstag begeht Google, wie es sich gehört: mit einer Reihe von Neuankündigungen. Zunächst will man das eigene Archiv weiter öffnen. Ab sofort soll es auch unter Android und auf iPhones möglich sein, in der Zeit zurückgehen und ältere Fotos eines Ortes zu durchstöbern. Das ist zwar schon bisher möglich – allerdings nur am Desktop.

Langfristig aber wohl noch wichtiger: Google hat eine neue Generation der Street-View-Kamera entwickelt. Keine sieben Kilogramm soll diese leicht sein und damit auch erheblich besser an die jeweiligen Bedürfnisse anpassbar. Das bedeutet vor allem, dass die Kamera prinzipiell auf jedes Auto angebracht werden kann, was für Google mehr Optionen bei der Fahrzeugwahl bietet. In diesem Gehäuse sind dann sieben Kameras zu finden, die ein 360-Grad-Bild mit insgesamt 140 Megapixeln erzeugen.

Das Street View-Fahrrad in Stonehenge
Foto: Google

Dieser Aufbau soll es ermöglichen, das Street-View-Material künftig deutlich häufiger als bis jetzt zu aktualisieren. Natürlich erleichtert so eine vergleichsweise kleine Kamera aber gerade auch den Einsatz unabhängig von Fahrzeugen.

Details

Übrigens bieten schon jetzt aktuelle Street-View-Autos die gleiche Auflösung, aber das neue Modell weist bessere Sensoren auf, wie Steven Silverman, Hardwarechef des Street-View-Projekts, auf Frage des STANDARD betont. Die wahren Qualitätsvorteile entstehen bei neuen Bildern jedoch ohnehin durch bessere Algorithmen, zumal hier immer stärker künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.

Apropos: Google nutzt diese Aufnahmen längst nicht nur, um den Nutzern eine virtuelle Reise durch andere Länder zu ermöglichen. So werden diese Bilder auch für die Verbesserung der Google-Maps-Informationen herangezogen, etwa Straßenschilder analysiert oder auch Details zu Geschäften ausgelesen, wenn diese gut genug sichtbar sind.

Immersive View soll die Zukunft von Google Maps bilden – und wäre ohne die Daten von Street View undenkbar.
Foto: Google

Blick in die Zukunft

Zudem sind die zahlreichen bei Street View angesiedelten Daten auch die Grundlage für ein erst vor kurzem angekündigtes, neues Maps-Feature: Mit der "Immersive View" soll eine hochdetaillierte 3D-Ansicht von ausgewählten Städten erzeugt werden, bei der sogar Licht- und Wetterverhältnisse verändert werden können. Den Street-View-Entwicklern dürfte also auch für die nächsten 15 Jahre die Arbeit nicht ausgehen. (Andreas Proschofsky, 24.5.2022)