Einen tätowierten Fußballer nennen ihn die einen, Zlatan, Ibrakadabra oder schlicht Gott nennen ihn andere.

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Nach der Party.

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Ein Gemälde.

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"Ich fühle mich wie Benjamin Button. Ich wurde alt geboren und werde jung sterben." Also sprach Zlatan Ibrahimovic im vergangenen Oktober anlässlich seines 40. Geburtstags. Die zunehmende Jugend des 120-fachen schwedischen Internationalen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die fußballerische Karriere von Ibrakadabra dem Ende zuneigt.

So mischten sich am Sonntagabend in den Jubel um den Gewinn der italienischen Meisterschaft mit dem AC Milan, die Ibrahimovic mit Zigarre und Champagner feierte, auch nachdenkliche Töne. "Ich werde weiterspielen, wenn ich mich körperlich gut fühle. Meine Entscheidung wird bald getroffen, ich hatte viele körperliche Probleme, aber ich werde mich bald entscheiden", sagte der Starstürmer, dessen Vertrag in Mailand ausläuft.

Treffer überall

Ibrahimovic konnte vor allem zu Beginn der Saison viel zum Erfolg der Rossoneri beitragen, die nach elf Jahren Durststrecke Inter Mailand entthronten und nun wie die Stadtrivalen bei 19 Scudetti halten. Sieben Treffer gelangen ihm in den zehn Partien, bei denen er in den ersten 17 Runden der Serie A mitwirkte. Darunter war (beim 2:0 gegen den seinerzeitigen Verfolger AS Roma) sein 150. Treffer in Italiens Oberhaus, zugleich der 400. in nationalen Ligen seit 1999.

AC Milan

Ob in Schweden, den Niederlanden, Italien, Spanien, Frankreich, England oder den USA (Los Angeles Galaxy) – der Mann aus Malmö hat überall getroffen. Und er hat fast überall Titel geholt – insgesamt waren es bisher 32. Der zweite Scudetto mit Milan war der insgesamt fünfte in Italien. Dreimal war Ibrahimovic mit Inter erfolgreich gewesen. Zwei Meisterschaften mit Juventus Turin wurden auch ihm im Rahmen eines Bestechungsskandals um die "Alte Dame" aberkannt.

Europäisch unvollendet

Meister wurde Ibrahimovic auch mit Ajax Amsterdam (dreimal), dem FC Barcelona und Paris Saint-Germain (viermal) – insgesamt kamen zwölf einschlägige Triumphe zusammen. Ein weniger erquicklicher Ausflug nach England gipfelte im Gewinn der Europa League 2017 mit Manchester United – der wichtigste europäische Titel, den der zweimalige schwedische Sportler des Jahres holen konnte.

Die Sammlung begonnen hat der Sohn der Kroatin Jurka Gravic und des Bosniers Sefik Ibrahimovic, die im Malmöer Problemviertel Rosengård eine neue Heimat gefunden hatten, erst nach seinem Wechsel von Malmö FF zu Ajax. Wie sich das schon daheim nur schwer zu bändigende Supertalent beim niederländischen Rekordmeister durchsetzte, zeichnet eine Dokumentation ("Becoming Zlatan") aus dem Jahr 2015 und ein im vergangenen Jänner angelaufener Spielfilm nach, der wie seine schon 2011 erschienene Biografie den schlichten Titel "I Am Zlatan" trägt.

KinoCheck Indie

Der Ruf seiner Disziplinlosigkeit eilte dem 1,92 Meter großen Torjäger voraus. Und Ibrahimovic, der sich lange als verkanntes Genie sah, pflegte die für einen Profi hinderlich angesehenen Charaktereigenschaften wie Starrsinn, Jähzorn und Unverlässlichkeit. Faulheit attestierte er sich selbst, allerdings lernte er schnell, einerseits sein Potenzial voll auszuschöpfen und andererseits den Zauber des polarisierenden Unangepassten zu pflegen, der sich kein Blatt vor dem Mund nimmt. Seine Wickel mit Mitspielern und Trainern sind legendär wie seine Sprüche.

"Zum Frühstück hatte ich Schweden. Zum Mittagessen Europa. Zum Abendessen habe ich die Welt übernommen", fasste er einmal sein Schaffen zusammen. Die jüngere Konkurrenz kommt oft schlecht weg. "Ich habe kein Problem damit, zu leiden. Für mich ist das Leiden wie das Frühstück. Aber viele Menschen verstehen das Leiden nicht, weil die neue Generation nur sehr wenig tun muss, um etwas zu erreichen", sagte er im Frühherbst seine Karriere.

Löwenzähmerin

Die verdanke er auch seiner um elf Jahre älteren Freundin Helena Seger, einem Ex-Model. "Sie hat den Löwen in mir gezähmt", sagte Ibrahimovic dem "Zeit"-Magazin: "Ohne sie wäre ich für meine Mitmenschen vermutlich eine Zumutung."

Das Paar hat zwei Söhne, Maximilian und Vincent, die den berühmten Vater bald viel öfter sehen dürften. Der am 30. April bekanntgewordene Tod seines Managers Mino Raiola (54), den Ibrahimovic "Freund, Bruder, Vater" nannte, macht einen nochmaligen Transfer des einst bestbezahlten Fußballers der Welt eher unwahrscheinlich. (Sigi Lützow, 24.5.2022)