Tomaten und Sonne könnten gemeinsam die Vitamin-D-Versorgung von Menschen verbessern (Symbolbild).
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Im Sommer denken tendenziell weniger Österreicherinnen und Österreicher über Vitamin-D-Mangel nach. Im Gegensatz zu dunklen Jahreszeiten ist das Zeitfenster größer für einen kurzen Spaziergang bei Tageslicht, um die nötige Portion Sonne zu tanken. Vereinfacht gesagt wird Vitamin D3 gebildet, indem UV-Licht eine Vorstufe, das Provitamin D3, umwandelt. Je nach Hauttyp und Jahreszeit sollten fünf bis zwanzig Minuten in der Sonne reichen, während Gesicht und Arme unbedeckt sind.

Während in den Sommermonaten teilweise Depots im Körper angelegt werden, ist es im Winter umso wichtiger, das Provitamin vermehrt mit der Nahrung aufzunehmen, wobei auch dadurch nur ein Teil des nötigen Pensums erreicht wird. Allein das kann aber je nach Ernährung, Stoffwechsel, Wohnort und Verfügbarkeit schwierig sein. Ein Forschungsteam ließ nun gentechnisch veränderte Tomaten wachsen, die mit dem nötigen Provitamin angereichert sind – und so einem Vitamin-D-Mangel entgegenwirken können.

Milliarden Menschen mit Mangel

Dabei handelt es sich keinesfalls um ein seltenes Problem: Schätzungen zufolge sind eine bis drei Milliarden Menschen von dieser Mangelerscheinung betroffen, womöglich also die halbe Weltbevölkerung. In Zentraleuropa betrifft das vor allem Babys, ältere, chronisch kranke und pflegebedürftige Personen, Personen mit dunkler Hautfarbe und jene, die sich wenig draußen aufhalten oder kleidungstechnisch bedeckt halten. Das Vitamin ist wichtig für gesunde Muskeln und Knochen – fehlt es, so kann das Risiko steigen, an Krebs, Demenz oder Parkinson zu erkranken.

Helfen können medizinische Präparate, davor muss ärztliches Personal allerdings klären, ob ein Mangel vorliegt und wie dieser am besten behandelbar ist. Für manche kann es ausreichen, mehr Eier, Käse, Fisch oder Pilze zu essen. Mit entsprechenden Abneigungen oder einer veganen Ernährung ist das mitunter schwierig.

Nun berichtet ein internationales Forschungsteam im Fachjournal "Nature Plants", dass es gelungen sei, Tomaten so anzupassen, dass sie besonders viel Provitamin D3 enthalten. Dieser Stoff – fachlich auch unter dem Namen 7-Dehydrocholesterin bekannt – kann nicht nur in Vitamin D3 umgewandelt werden, sondern auch in Cholesterin. Abhängig ist das unter anderem davon, welche Enzyme vorhanden sind. Damit mehr Provitamin in der Tomatenpflanze angesammelt wird, musste die Forschungsgruppe also ein Enzym blockieren, das den Stoff in Cholesterin umbaut.

Angereicherte Lebensmittel

Der Versuch gelang, die Früchte und Blätter enthielten messbar mehr von dem Vitamin-D-Vorläufer. Es gab keine Hinweise darauf, dass dadurch das Wachstum der Pflanze beeinträchtigt wurde. Genauer untersucht werden muss der Fall, wenn die Pflanzen auf dem Feld wachsen und mehr Stress ausgesetzt sind. Die Forschungsarbeit zeigt: Wenn man eine dieser Tomaten isst, entspricht die Zufuhr etwa der D3-Menge, die in zwei mittelgroßen Eiern vorhanden ist – oder in 28 Gramm Tunfisch. Menschen, die keine oder wenige Tierprodukte essen, könnten dadurch einen Mangel zumindest teilweise ausgleichen.

Bis es diese Variante des Gemüses – bei dem es sich botanisch eigentlich um eine Beere handelt – einmal im Handel zu kaufen gibt, ist noch einer weiter Weg zu beschreiten. Die Pflanze wurde noch nicht für kommerzielle Nutzung und den Anbau außerhalb eines Labors optimiert. Auch andere Forschungsgruppen arbeiten an der gentechnischen Veränderung von Tomaten und anderen Pflanzen. Es gibt etwa violette Paradeiser, die den antioxidativen Farbstoff Betanin enthalten, und eine in Japan bereits zugelassene Sorte, die eine Extrazufuhr mit dem wichtigen Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ermöglicht.

Anbau in Großbritannien statt in Italien

Die Erlaubnis, die Pflanzen im Außenbereich anzubauen, gibt es bereits – interessant werde sein, die Umwandlung von Provitamin zu Vitamin D3 in den Pflanzen unter natürlichem Sonnenlicht zu beobachten, meint das Team. Leitautorin Cathie Martin vom John Innes Institute in Norwich scherzt, dass dies zwar "im Vereinten Königreich zum Scheitern verurteilt" sei. Bei einem Kooperationspartner in Italien wären die Bedingungen anders, dort würde es aber etwa zwei Jahre dauern, die Zulassungen zu erhalten.

Die neue Pflanze sei ein vielversprechendes Beispiel, das die Anwendungsmöglichkeiten genetischer Modifizierungen zeigt, sagt der britische Pflanzenbiologe Johnathan Napier vom britischen Agroforschungsinstitut Rothamsted Research, der nicht an der Studie beteiligt war. Die Pflanzenforscherin Dominique Van Der Straeten von der Universität Gent in Belgien, die an einem kommentierenden Begleitartikel beteiligt war, merkt an, dass es sich bei vitaminangereicherten Pflanzen allerdings "nur um einen von mehreren Ansätzen handelt, mit dem wir Menschen helfen können". Um Mangelernährung anzugehen, sei eine Kombination verschiedener Maßnahmen nötig. (sic, 24.5.2022)