Finanzministerium, Hintere Zollamtsstraße 2b, niemand trägt Maske, die Luft ist schwül. Im achten Liftstock residiert seit 13 Tagen Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband. Tursky ist Tiroler, gerade noch war er Büroleiter von Landeshauptmann Günther Platter, ein tiefschwarzer ÖVP-Mann. Von den Wänden in Turskys neuer Arbeitswelt hängen dünne Seile, an denen Bilder befestigt werden können. Die alten wurden gerade abgehängt. "Ich bin noch neu", sagt Tursky und lotst uns in sein kahles Büro.

STANDARD: Man bekommt das Gefühl, mit Karl Nehammer ist die länderdominierte ÖVP zurückgekehrt. Denken Sie, Sie säßen jetzt hier, wenn Sie kein Tiroler wären?

Tursky: (lacht) Ich kenne Karl Nehammer sehr lange – seit 17 oder 18 Jahren. Wir sind uns an verschiedenen Stationen immer wieder begegnet, wir schätzen uns. Das war auch der Grund, warum er mich angerufen und gefragt hat, ob ich dieses neue Staatssekretariat übernehmen will. Die Geschichte zeigt aber auch, dass es in Tirol viele Personalreserven gibt, dass die Tiroler Volkspartei gut aufgestellt ist. Beides erklärt für mich meine Besetzung.

STANDARD: Hätten Sie es in Ordnung gefunden, wenn nach dem Abgang von Margarete Schramböck niemand aus Tirol Teil der Regierung gewesen wäre?

Tursky: Ich glaube, dass Diversität der Bundesregierung grundsätzlich guttut. Dazu zählt auch, dass Vertreter aus der Stadt, vom Land, aus verschiedenen Gesellschaftsschichten kommen. Aber ich glaube nicht, dass es wichtig ist, dass bis ins letzte Bundesland alles abgedeckt wird.

STANDARD: Wie oft telefonieren Sie noch mit Günther Platter?

Tursky: Schon mehrmals in der Woche auf jeden Fall.

STANDARD: Tauschen Sie sich mit dem Kanzler genauso oft aus?

Tursky: Ja, Karl kommuniziert ständig mit anderen Regierungsmitgliedern – auch abseits der klassischen Treffen, wo man ja kaum Zeit hat, sich strategisch auszutauschen.

"Ich glaube, dass Diversität der Bundesregierung grundsätzlich guttut", sagt Florian Tursky.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Man weiß noch nicht viel über Sie. Wo ordnen Sie sich politisch ein – links oder rechts in der ÖVP? Sind Sie streng konservativ oder in gesellschaftspolitischen Fragen liberal?

Tursky: Ich komme ursprünglich aus der Schülervertretung. Das ist sicher, wo und wie ich politisch sozialisiert wurde: sehr unparteipolitisch, es ging um möglichst gute Vertretung. An sich habe ich ein gesellschaftspolitisch liberales Weltbild – wahrscheinlich auch durch mein Alter und weil ich im städtischen Bereich aufgewachsen bin. Ich verbinde das mit dem Traditionsbewusstsein, das man in Tirol mitgegeben bekommt.

STANDARD: Was verstehen Sie darunter, gesellschaftsliberal zu sein?

Tursky: Wo ich aufgewachsen bin, war vieles ganz normal, worüber jahrelang diskutiert wurde – etwa die Rechte von Homosexuellen.

STANDARD: Sie gehören keinem der großen ÖVP-Bünde an, kommen aus der Jungen Volkspartei. Sie sind aber auch Cartellbruder. Hat Ihnen die Studentenverbindung beruflich geholfen?

Tursky: Da wird viel hineininterpretiert. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich auf den verschiedenen beruflichen Stationen jemals einen Vorteil gehabt hätte, weil ich im Cartellverband bin. Ich habe dort aber sehr viele Leute kennengelernt.

STANDARD: Später waren Sie zwei Jahre lang Geschäftsführer eines Start-ups mit Fokus auf 3D-Fotografie.

Tursky: Damals hatten mehrere Tiroler die Idee, ein 3D-Start-up zu entwickeln. Es ging darum, Aufnahmen von Menschen zu machen und daraus Anwendungen zu entwickeln – zum Beispiel für die Bekleidungsindustrie.

STANDARD: Das Unternehmen gibt es nicht mehr. Woran ist es gescheitert?

Tursky: Vielleicht hatten wir nicht die richtige Technologie oder die richtigen Technologiepartner an der Hand. Ich habe dort aber viel gelernt: Businesspläne erstellen, Investoren suchen, Finanzierung, Mitarbeiterführung. Ich weiß jetzt auch, was es heißt, zu scheitern.

STANDARD: Mit Digitalisierung und Breitband werden bei Ihnen nun zwei sehr große Themenbereiche gebündelt. Warum eigentlich?

Tursky: Ich denke, es ist gescheit, wenn wir die Software mit der Infrastruktur zusammenführen. Dadurch kommt zusammen, was zusammengehört. Es ist ein Querschnittsstaatssekretariat, mit Kontakt zu vielen Ressorts – etwa Bildung und Sicherheit.

Tursky zufolge ist in Sachen Digitalisierung in der Pandemie vieles aus Not entstanden. Dabei sei auch die Abhängigkeit von bestimmten Ressourcen ersichtlicher geworden.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Juristen bezeichnen den Schritt als EU-rechtswidrig, weil das Ministerium, das die teilstaatliche Telekom Austria verwaltet, nun zugleich als Regulierungsorgan fungiert.

Tursky: Das gibt es immer wieder, dass Eigentümerschaft und Regulierung im gleichen Ressort sind. Bei der Telekommunikation hat die EU besonders strenge Regeln. Die Regulierungsbehörde hatte bei uns schon zuvor eine weit gefasste Unabhängigkeit, jetzt wurde das rechtlich noch genauer abgegrenzt.

STANDARD: Sie haben also keine Sorge, dass Sie einen Teil Ihrer Agenden letztlich doch wieder abgeben müssen?

Tursky: Nein, das Bundesministeriumsgesetz ist eingebracht worden und gewährleistet das.

STANDARD: Wo steht Österreich bei der Digitalisierung im EU-Vergleich?

Tursky: In ersten Gesprächen wird mir immer gesagt, dass wir weit sind – vor allem was Infrastruktur und digitale Anwendungen in der Verwaltung betrifft. Das Hauptproblem ist, dass viele nicht davon wissen. Da will ich mich selbst an der Nase nehmen, ich habe auch weit nicht alles gekannt, als ich mich einführen habe lassen. Meine Hauptaufgabe der ersten Monate wird sein, die Nutzung zu erhöhen.

STANDARD: Die Regierung hat tausende Laptops und Tablets an Schulen geliefert. Jetzt geht es darum, die Einrichtungen zukunftsfit zu machen. Was muss dafür als Nächstes passieren?

Tursky: Ich bin in den einzelnen Themen noch nicht hundertprozentig drinnen. Ich höre von bestens eingerichteten Schulen, aber auch von welchen, wo noch mit Overheadprojektor unterrichtet wird. Wichtig ist, Lehrerinnen und Lehrer zu befähigen und mitzunehmen. Wenn ich ein Smartboard habe, heißt das noch nicht, dass es benutzt wird. Ich komme selber aus einer Lehrerfamilie und kenne das. Wenn man das jahrelang anders gemacht hat, muss man beim Umstieg mitgenommen werden.

STANDARD: Datenschützer kritisieren stets die steigende Abhängigkeit von den großen IT-Konzernen. Seit der Pandemie verlassen sich Schulen mehr denn je auf Software von Microsoft, Google und Co. Sehen Sie einen Wert in einer Open-Source-Strategie?

Tursky: Ja, ich glaube, dass viel in dieser Pandemie aus der Not heraus geboren wurde, nicht nur in der Bildung. Man hat einfache Lösungen gesucht. Wir haben auch gesehen, wie abhängig Europa von verschiedenen Ressourcen ist – Masken, russisches Gas – und letztlich auch von Digitalkonzernen. Das ist ein großes Problem.

STANDARD: Heißt das, Sie würden Linux in der Verwaltung begrüßen?

Tursky: Das traue ich mich noch nicht zu beantworten.

STANDARD: Sollte Österreich einen Bundestrojaner, so wie er im Regierungsprogramm vorgesehen ist, selbst einführen oder ausländische Überwachungssoftware wie Pegasus kaufen?

Tursky: Prinzipiell denke ich, dass es wichtig ist, dass wir uns in der IT-Sicherheit und in der Cybersecurity sehr gut aufstellen. Dafür müssen wir auch Geld in die Hand nehmen.

STANDARD: Ganz etwas anderes: Wählen Sie Alexander Van der Bellen?

Tursky: Ich werde als Tiroler den anderen Tiroler unterstützen. Wir sind sogar in die gleiche Schule gegangen – zeitversetzt, versteht sich. (Muzayen Al-Youssef, Katharina Mittelstaedt, 25.5.2022)