Abfälle aus der Maisernte enthalten Kohlenstoff, der sich in der Tiefsee langfristig speichern lässt.

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Die Welt ist auf dem Weg, sich um drei Grad zu erhitzen – zumindest wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert. Klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre zu holen und einzuspeichern kann neben Erneuerbaren-Ausbau und Dekarbonisierung dazu beitragen, die Klimakrise einzudämmen. Ein Schluss, den auch der Weltklimarat IPCC immer wieder in seinen Berichten zieht. Nicht zwingend braucht es dafür aber komplexe Anlagen, die das CO2 aufwendig aus der Luft saugen, wie es etwa in Island bereits passiert. Eine ganz natürliche Lösung liegt – buchstäblich – schon lang in der Landschaft herum.

Dort, wo die Maisfelder abgeerntet sind, bleiben goldgelbe Strohballen zurück. Sie entstehen, wenn Landwirte anfallendes Stroh zusammenpressen. Die Ballen sparen Platz, lassen sich gut einlagern und dienen als Nährstoff für den Boden. Manche Landwirte setzen das Stroh als Futtermittel ein.

Kohlenstoff langfristig binden

Schon vor zwanzig Jahren schlugen US-Wissenschafter vor, die Ballen für einen eher ungewöhnlichen Zweck zu nutzen. Sie hatten die Idee, die Maisabfälle im Meer zu versenken, um Kohlenstoff langfristig zu binden – und damit das Klima zu schützen.

Nachdem sich lange niemand für "Crop Residue Ocean Permanent Sequestration" (dauerhafte Einlagerung von Pflanzenresten) interessiert hatte, griff David Mitchel, Unternehmer und Elektroingenieur aus Kalifornien, die Idee gemeinsam mit Wissenschaftern und Umweltschützern wieder auf. Sie wollen Maisernteabfälle sammeln, in etwa 700 Kilogramm schwere Ballen verpacken, aufs Meer transportieren und dort in der Tiefe versenken. Die Idee klingt zwar absurd, ergibt aus chemischer Sicht aber durchaus Sinn.

Gute Ballen, versenkt

Schon während Pflanzen wachsen, nehmen sie Kohlenstoff aus ihrer Umgebung auf. Mais gehört zu den Kulturpflanzen, die besonders viel CO2 speichern. Was der Mais an Kohlenstoff speichert, bleibt in den Abfällen aus der Ernte gebunden – also in den Blättern, Wurzeln und Stängeln. Für das Klima ist das zunächst einmal eine gute Nachricht: Mehr Kohlenstoff in den Pflanzen bedeutet weniger davon in der Atmosphäre. Leider ist der Effekt nur temporär, der Kohlenstoff nicht für immer gebunden. Zersetzen sich die Abfälle, geben sie das CO2 wieder frei.

Genau hier setzen Forschende an: Maisabfälle in der Tiefsee zu versenken kann nämlich verhindern, dass das CO2 freigesetzt wird. Am Meeresgrund in zwei bis drei Kilometer Tiefe herrscht ein enormer Druck. Mit gerade einmal vier Grad ist das Wasser eiskalt. Hier unten enthält es zudem nur wenig Sauerstoff. Das führt dazu, dass sich die Abfälle aus der Maisernte extrem langsam zersetzen. Rund tausend Jahre bräuchten sie dafür. Und der entscheidende Punkt: In all dieser Zeit bleibt der gespeicherte Kohlenstoff fest eingeschlossen. Hierin besteht auch der große Vorteil im Vergleich zu Bäumen, die sich bekanntlich gut zur CO2-Speicherung eignen: Sie binden den Kohlenstoff deutlich kürzer. Außerdem bekommen sie eher Krankheiten oder fallen Bränden zum Opfer, die das eingespeicherte CO2 auf einen Schlag freisetzen.

Günstigere Methode

Vor der Küste der Monterey Bay in Kalifornien haben Forschende die ungewöhnliche Methode bereits getestet. Sie versenkten einen Ballen Maisabfälle in mehr als zwei Kilometer Tiefe. Viele Jahre später lag er unverändert in der Dunkelheit, die unwirtliche Umgebung erfüllte ihren Zweck. Genau so, wie von den Forschenden erhofft. Das kalifornische Monterey-Bay-Aquarium-Forschungsinstitut untersucht den Ballen seitdem regelmäßig.

Lohnt es sich für den Klimaschutz also, Mais- oder andere Getreideabfälle künftig zuhauf in der Tiefsee zu versenken? Das Team um Crops ist zuversichtlich. Zwar müssten die Abfälle aus der Landwirtschaft aufwendig eingesammelt, transportiert und versenkt werden. Doch insgesamt sei die Methode deutlich günstiger als andere Verfahren der Kohlenstoffspeicherung.

Das Forschungsteam schätzt, dass sich das CO2 mit der Methode zu einem Preis von etwa 90 Euro pro Tonne abtrennen lässt. Bei Anlagen, die derzeit in Betrieb sind, kostet die Tonne bis zu 1000 Euro. Eine Milliarde Tonnen CO2 könnten schätzungsweise entsorgt werden, wenn Heuballen weltweit in der Tiefsee landen.

Geringes Risiko

Platz für die Maisabfälle gibt es jedenfalls genug. Mehr als die Hälfte der Erdoberfläche besteht aus Gebieten, die tiefer als drei Kilometer im Meer liegen. Würde man hundert Jahre lang jährlich eine Milliarde Tonnen Maisabfälle in der Tiefsee einlagern, würde das am Ende nur 0,01 Prozent des Meeresgrundes einnehmen. Entsprechend gering sind laut den Forschenden die Auswirkungen der Heuballen auf die Ozeane und die Ökosysteme. Bisher fehlt es noch an Studien, die das genauer untersuchen. Mittlerweile sprechen sich jedoch einige Studien für das Verfahren aus.

Ob Strohballen zur CO2-Speicherung im Meer versenkt werden oder nicht: Allein der Tiefseebergbau sorgt dafür, dass auf dem Meeresgrund künftig mehr los sein wird als heute. Die Automobil- und die Elektronikbranche pochen darauf, dort unten nach wertvollen Metallen zu graben. Die kommerzielle Ausbeutung der Tiefsee könnte Ökosysteme zerstören, die der Menschheit bisher unbekannt sind. (Florian Koch, 28.5.2022)