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Das Waldschlössl in Unterburgau umfasst eine Liegenschaft von rund 24.633 Quadratmetern und steht heute im Besitz von Igor Schuwalow. Immobilienexperten schätzen die Villa (255 m2) samt Seegrundstück und Nebengebäuden auf einen Wert von über 15 Millionen Euro.

Foto: picturedesk.com / Franz Neumayr

Das kanadische Ehepaar hat gegen den Wettergott den Kürzeren gezogen – und in einem hölzernen Pavillon direkt am See vor dem Regen Schutz gesucht. Man sei mit dem Fahrrad durch Österreich unterwegs. Bevorzugt würde man da die Seen erkunden. Hallstätter See, Mondsee, Traunsee und eben heute der Attersee. Aber nicht nur, um die Radler- mit der Badehose zu tauschen.

"Wir haben von den Prominenten und den Villen am See gehört. Das wollen wir uns anschauen", erzählt die rüstige Pensionistin. Wenige Minuten später läuft die Gustav Klimt am Steg in Unterach ein. Und nimmt die Gäste aus Kanada auf. Zu einer Seerundfahrt mit Villenblick und Promi-Erläuterung.

Diskretion am Ufer

Immer schon war der Attersee ein überaus beliebter Siedlungsort. Das Naturjuwel mit dem einzigartigen Farbton zwischen Grün-Blau bis Türkis – geschuldet den Armleuchteralgen, deren Kalkplättchen das Licht reflektieren – faszinierte in der Jungsteinzeit, bot den Kelten Wohnraum und ließ Großindustrielle und gut betuchte Bürgerfamilien im auslaufenden 19. Jahrhundert hier ihre Prachtbauten am Ufer errichten. Hinzu kamen viele Künstlerpersönlichkeiten. Größen wie Johannes Brahms, Ignaz Brüll, Victor Léon, Gustav Klimt und Gustav Mahler steckten einst die Füße ins klare Salzkammergut-Wasser, nicht selten vom eigenen Seegrund aus.

Die Zweitwohnsitzer gehören damals wie heute zum See wie der seltene Perlfisch. Mit einem Unterschied: Diskretion wird heute großgeschrieben. War um 1830 das Eintreffen der Aristokratie – nicht wenige wurden mit Sänften von Bad Ischl an den Attersee getragen – noch ein großes Volksfest, so kriegt man heute von der Prominenz am See wenig bis gar nichts mit. Normalerweise.

Doch diesen Sommer scheint alles anders zu sein. Plötzlich ist das sonst so ruhige Südufer des Attersees in den Fokus des Weltgeschehens gerückt. Hier stehen in unmittelbarer Nähe zu den Ausläufern des Höllengebirges die exklusivsten Villen. Der Berghof von Elisabeth Auersperg-Breunner, Tochter des verstorbenen Milliardärs Friedrich Karl Flick, die Villa Campeau – ehemals im Eigentum des Industriellen Gerhard Andlinger, heute im Besitz der Familie Turnauer –, das riesige Pferdegestüt samt Villen der italienischen Süßwarenmilliardäre Perfetti. Und: das Waldschlössl in St. Gilgen-Burgau. Besitzer der Edelimmobilie ist Igor Schuwalow, Ex-Vizepremier von Russland, heute Vorsitzender der Wneschekonombank und enger Putin-Vertrauter.

Impfen am See

Viel wird rund um den See über die reichen Russen erzählt. So soll einmal der Gemeindearzt gerufen worden sein, weil der Sohn von Schuwalow erkrankt war. Der Arzt konnte aber kein Russisch, als Übersetzer soll damals im Waldschlössl der russische Staatspräsident Wladimir Putin ausgeholfen haben. Und man erzählt sich, dass die russische Oligarchenfamilie für alle Corona-Impfungen an den See gereist ist, weil man dem russischen "Sputnik"-Impfstoff nicht vertraute.

40 Aktivisten besetzten vergangenen Samstag die Villa eines Russen.
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Doch die Zeit der heiteren Oligarchen-Anekdoten ist vorbei. Die Kriegswirren in der Ukraine, speziell die umfassenden Sanktionsmaßnahmen der EU gegen russische Oligarchen, haben indirekt den Attersee erreicht. Auch das Vermögen von Igor Schuwalow ist eingefroren. Im Privatjet wurden bereits persönliche Gegenstände via Salzburg abtransportiert. Zuletzt wurde das Waldschlössl gar von Aktivisten mehrere Stunden besetzt.

Und die Schattenseiten der Sommerfrische sorgen auf lokalpolitischer Ebene für Unmut. Oder vielmehr die nachfragenden Journalisten. Otto Kloiber, Bürgermeister von St. Gilgen, sagt "prinzipiell einmal gar nichts dazu". Er habe keiner Zeitung ein Interview gegeben und werde jetzt "nicht mit dem STANDARD anfangen". Nur so viel: "Die Villa war am Markt und wurde rechtmäßig erworben. Aber ja, der Krieg in der Ukraine ist ein Irrsinn."

Auch der Amtskollege im nahen Unterach, Georg Baumann, zeigt sich auffallend wortkarg: "Ich weiß eigentlich gar nichts zu dem Thema. Man bekommt von den Russen bei uns im Ort nichts mit." Vor allem aber scheint man in der kleinen Gemeinde direkt am See nur sehr unwillig über die reichen Gäste reden zu wollen. "Wenn sie meinen Namen nicht schreiben, können wir gern plaudern", stellt die resolute Besitzerin eines kleinen Geschäfts klar.

Eine Geldfrage

Tatsächlich seien die prominenten Zweitwohnbesitzer im Ort nicht präsent: "Dort drüben wohnen ein paar der reichsten Menschen Europas. Ja glauben Sie, da geht einer von denen in der Früh Semmerln oder eine Zeitung kaufen? Bitte, der war der Vize vom Putin." Und im Ort störe dies auch keinen: "Wir wissen: Dort wohnt der Russ’. Mehr nicht." Obwohl: "Natürlich lassen die sehr viel Geld in der Region. Die sanieren ihre Villen ausschließlich mit heimischen Firmen." Nachsatz: "Aber ich möchte nicht für ihn arbeiten, da muss man moralisch gesehen schon sehr schmerzbefreit sein."

Und die aktuelle Situation rund um den Krieg in der Ukraine, die Sanktionen, die medial viel beachtete Hausbesetzung – drückt das nicht auf das Heile-Welt-Image am See? "Der Krieg ist furchtbar und absolut zu verurteilen. Aber: Den Herrn Schuwalow jucken doch die Sanktionen nicht. Das Anwesen gehört einer Liechtensteiner Firma, offiziell ist der doch ein armer Mann. Und überhaupt. Was sollen die Sanktionen bringen? Geht der Russ’, kommt der Chines’ – hamma Teifi tauscht."

Touristisches Miteinander

Der Unteracher Bruno Gritzky kommt gerade vom Einkaufen – und sieht die Situation deutlich weniger entspannt: "Ich finde die Sanktionen sehr sinnvoll. Denen gehört das Geld weggenommen. Sie haben es ja auch jemandem genommen." Christian Hieke, Chef im örtlichen Lebensmittelgeschäft, wirft ein, dass die Sanktionen "nur sehr bedingt" greifen würden: "Die Bauarbeiten an der Villa laufen im Moment ganz normal weiter." Und auch Hieke betont, dass die reichen Seegäste viel Geld in der Region lassen würden: "Davon lebe auch ich mit meinem Geschäft. Aber natürlich hat das zwei Seiten: Du darfst nicht nachdenken, woher das Geld kommt."

Bleibt die trotzdem Frage, ob die aktuelle Diskussion dem Sommerfrische-Image nachhaltig unschöne Kratzer verpasst – oder vielmehr der Mythos Attersee genährt wird? Angelina Eggl, Geschäftsführerin des Tourismusverbands Attersee-Attergau, sieht den guten Ruf nicht gefährdet: "Natürlich wünsche ich mir als Touristikerin andere Bilder, die um die halbe Welt gehen. Aber man muss das akzeptieren, wir leben in einer Demokratie. Es war nicht die erste Hausbesetzung, und es wird nicht die letzte Hausbesetzung sein."

Man blende aber nichts aus: "Den Krieg in der Ukraine heiße ich absolut nicht gut. Aber ich mag dieses Schwarz-Weiß-Denken nicht – gute Russen, böse Russen." Es würden "viele bekannte Herrschaften aus verschiedensten Ländern" am See leben und diesen als Rückzugsort sehen. Eggl: "Wir respektieren das, solange sich alles im gesetzlichen Rahmen bewegt. Mir ist es wichtig, dass für alle Gruppen – Gäste, Zweitwohnsitzer und Einheimische – ein gutes Miteinander möglich ist." (Markus Rohrhofer, 29.5.2022)