Die Zeiten, in denen er nicht wusste, wie er die Gehälter seiner Mitarbeiter zahlen sollte, sind vorbei. Josef Priglinger erzielt trotz Krise Rekordumsätze und baut im hügeligen Mühlviertel eine Produktion nach der anderen.

Josef Priglinger: "Preisverhandlungen sind derzeit abgeschafft."
Foto: Florian Voggeneder

STANDARD: Ihre Gerätehäuser, Minigaragen und Freizeitboxen gehen weg wie die warmen Semmeln. Haben die Österreicher so viel zu verstauen?

Priglinger: Ganz Europa hat viel zu verstauen. Werbung weckt ja Wünsche. Für den Garten braucht es Rasenmäher, Scheibtruhe, Werkzeug. Wir machen dafür langlebige Produkte. Plastik wird nach fünf, zehn Jahren porös, Holz wird schimmlig, hat im Außenbereich viele Nachteile. Stahl ist der ideale Werkstoff.

STANDARD: Seit wann ist eine Blechhütte im Garten salonfähig? Ist der gute alte Holzschuppen Geschichte?

Priglinger: (lacht) Sagen Sie zum Auto Blechauto? Aber die Leut’ sagen Blechhütten. So was ärgert mich. Von 1990 bis 2000 gab es die Holzgerätehauswelle. Heimwerker haben Hütten anhand von Bausätzen rasch zusammengebaut. Und es gab amerikanische Blechhäuser von minderer Qualität. Ich sah im Metall meine Lücke, es bietet so viele Möglichkeiten.

STANDARD: Sind Sie ein Gewinner der Corona-Krise?

Priglinger: Wir sind zuvor zweistellig gewachsen und tun dies nach wie vor. Die Bäume wachsen zwar nicht in den Himmel, aber der Plafond ist noch lange nicht erreicht. Schauen Sie sich Keller und Garagen an – alles ist voll. Die Leute kaufen viel und schmeißen wenig weg. Beflügelt hat uns in der Pandemie sicher, dass die meisten daheim waren und in ihren Garten investiert haben. In der Mittel- und Oberschicht ist viel Geld da. Viele fragen nicht lange, was es kostet, sondern wollen das Beste.

STANDARD: Alle Welt klagt über Lieferengpässe und teure Rohstoffe. Bekommen Sie ausreichend Stahlblech?

Priglinger: Wir hatten Angst, dass uns das Material ausgeht. Dank der Chipkrise in der Autoindustrie, die weniger Ausstoß hat und daher weniger Blech braucht, hat sich das jedoch beruhigt. Jetzt fehlen ihr Kabelbäume aus der Ukraine. Auch davon profitieren wir indirekt. Wir bekommen genug Material, es ist allerdings sehr teuer. Ausschreibungen, um den Bestbieter zu ermitteln, gibt es keine mehr. Preisverhandlungen sind abgeschafft. Was es kostet, erfährt man kurz vor der Lieferung.

STANDARD: Wie stark belasten Sie die steigenden Energiepreise? Was wäre im Falle eines Gasembargos?

Priglinger: Wir decken ein Drittel des Strombedarfs mit Photovoltaik ab und bauen eine Hackschnitzelanlage, da wir viel Abfallholz haben. Ein Gasembargo wäre dennoch eine Katastrophe. Dann steht die Stahl-, Glas- und Papierindustrie. Dann können auch wir unsere Leute heimschicken.

STANDARD: Hat die Industrie zu spät in alternative Energien investiert?

Priglinger: Russisches Gas war günstig und wurde als saubere Energie angepriesen. Vor zehn Jahren hätte einem jeder den Vogel gezeigt, hätte man ums doppelte Geld in Saudi Arabien eingekauft. Gas war opportun, und wir waren damit international konkurrenzfähig. Man kann das heute keinem vorwerfen. Jetzt steigen die Energiekosten – Europa verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Das wird uns Wohlstand kosten.

Josef Priglinger investiert in Solarenergie und Biomasse als Energiequellen. Ein Gasembargo wäre dennoch eine Katastrophe, sagt er. "Dann können wir unsere Leute heimschicken."
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STANDARD: Sie erweitern Ihre Produktion seit Jahren unentwegt. Wird man des vielen Bauens nicht müde?

Priglinger: Ein wenig, wir bauen seit 2008 ja in einer Tour. Wir waren zuerst in einer alten Kleiderfabrik eingemietet, kauften dann immer wieder was dazu. Das Mühlviertel ist so schön hügelig. Ein Industriebetrieb braucht jedoch halbwegs ebene und aufgeschlossene Baugründe. So sind wir hier halt rundum mittlerweile auf drei Standorte verteilt.

STANDARD: Warum ist keines Ihrer Werke im günstigeren Ausland?

Priglinger: Früher haben mir viele geraten outzusourcen, aber das tue ich mir nicht an. Ich habe mir Werke in Tschechien angesehen. Material, das wir verarbeiten, kostet dort genauso viel wie hier. Im Mühlviertel habe ich bessere Arbeitskräfte. Der Lohnanteil ist nicht so hoch, da wir hochautomatisiert sind. Ich bin in Österreich immer gut gefahren.

STANDARD: Sie verkaufen Ihre Ware über Baumärkte. Der Handel konzentriert sich immer stärker. Wie viel Spielraum bleibt einem da als Lieferant?

Priglinger: Erpressen lassen brauchen wir uns nicht. Wenn einer die nötigen Preiserhöhungen nicht akzeptiert, lassen wir es halt bleiben. Wir verlieren dann zwar an Umsatz, draufzahlen werde ich aber nicht.

STANDARD: Der Arbeitsmarkt rundum ist ausgetrocknet. Wie rekrutieren Sie ausreichend Mitarbeiter?

Priglinger: Es gibt 1.000 Euro für jeden Mitarbeiter, der einen Mitarbeiter anwirbt. Wir machen Infotage und Werbung. Wir haben in Rohrbach eine Arbeitslosenrate von 0,7 Prozent – der Bezirk hat die wenigsten Arbeitslosen in ganz Österreich.

STANDARD: Wie das?

Priglinger: Im Mühlviertel muss man früh mit anpacken, denn es ist ein karges Land. Mit zehn Jahren sitzt man am Traktor oder hilft im Stall mit. Das bringt eine gewisse Arbeitshaltung mit sich. In Wien werden die Kinder ein bisserl anders erzogen. Wir zahlen natürlich auch weit über Kollektivvertrag. Bei uns verdient ein Facharbeiter mehr als 3.000 Euro, ein Hilfsarbeiter kommt auf 2.800 Euro.

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STANDARD: Wie viele Frauen haben Sie in der Produktion?

Priglinger: Wir sind heute frauendominiert. Viele kommen aus dem Lebensmittelhandel. Bei uns haben sie geregelte Arbeitszeiten, und an den Wochenenden für die Familien frei. Sie verdienen bei uns auch mehr. Wir sprechen Frauen seit Jahren gezielt an. Es stellte sich raus, dass sie motorisch oft besser, flinker sind als Männer. Die Pin-ups in den Kantinen mussten davor natürlich runter.

STANDARD: Was halten Sie von Vier-Tage-Woche und Homeoffice?

Priglinger: Geht nicht. Wer das will, der muss sich was anderes suchen. Ich will nicht zu viel Homeoffice. Unsere Firmenkultur und der Informationsaustausch leiden darunter.

STANDARD: Was, wenn bei Ihnen Männer in Kinderkarenz wollen?

Priglinger: Ich habe drei Kinder und verstehe das Anliegen. Es hängt davon ab, ob einer in einer Führungsposition ist oder nicht. Ist er ersetzbar, habe ich damit kein Problem.

STANDARD: Sollte die Regierung den Druck auf Arbeitslose erhöhen, damit sie Jobs rascher annehmen?

Priglinger: Die Regierung macht vieles mit Hausverstand. Druck gibt es sicher schon genug. Manche liegen natürlich in der Hängematte und pfuschen daneben.

STANDARD: Wie viel Spielraum sehen Sie für die nächste Lohnrunde?

Priglinger: Jeder spürt die Teuerung. Es wird einen Ausgleich geben müssen. Das ist evident. Aber in Wahrheit zahlen wir hier alle über Kollektivvertrag. Wir bekämen ja die Mitarbeiter sonst auch gar nicht.

STANDARD: Die steigende Inflation schwächt Haushaltseinkommen. Was braucht es für eine Entlastung finanziell schlechtergestellter Menschen?

Priglinger: Schwache Einkommensgruppen wurden in der Vergangenheit immer wieder entlastet. Gelingt es jedoch, die kalte Progression abzuschaffen – dann Hut ab.

STANDARD: Das würde primär Besserverdienern dienen.

Priglinger: Die Regierung kann nicht alles abfedern. Man kann sie nicht für alles verantwortlich machen. In Österreich herrscht Vollkasko-Mentalität. Sobald etwas unrund läuft, wird nach ihr gerufen. Ich stehe dazu: Es darf keine sozialen Spannungen geben. Mindestlöhne soll man anheben. Eine gewisse Eigenverantwortung gehört aber auch her.

STANDARD: Viele Energieversorger verdreifachen gerade ihre Gewinne.

Priglinger: Der Ruf nach Regulierung ist gefährlich. Ich finde es aber unmoralisch und verwerflich, was viele Versorger und Mineralölkonzerne unter dem Titel Risikoaufschlag verdienen. Da gehört was getan.

STANDARD: Sie haben Biohort 1997 über ein Management-Buy-out übernommen. Würden Sie sich das in Zeiten wie diesen noch trauen?

Priglinger: Ja, auch wenn sich Rahmenbedingungen verändert haben. Meine größte Hürde war die Finanzierung. Ich pilgerte zu neun Banken, acht gaben mir einen Korb. Wir haben letztlich rund zwölf Millionen Schilling zusammengebracht. Das war viel Geld. Es gab Phasen mit echten Existenzängsten, in denen ich nicht wusste, wie ich die Gehälter pünktlich zusammenkriege. Ab dem Jahr 2000 waren wir schuldenfrei – da war mir klar, es geht gut.

2023 übergibt Josef Priglinger sein Büro an seinen Sohn Maximilian. "Ich bin kein Sesselkleber."
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STANDARD: Sie finanzieren die Expansion nun aus dem Cashflow ...

Priglinger: Wir sparen brav. Ich habe keine verschwenderischen Hobbys, keine Jacht am Meer, keine Luxusautos. Meine Motorräder habe ich verkauft. Ich fuhr damit durch ganz Europa. Aber die Konzentration lässt mit dem Alter nach. Es ist gut, dass bisher nichts passiert ist. Jetzt wurde ich Jäger und habe zu golfen begonnen. Das kann ich bis ins hohe Alter machen.

STANDARD: Ihr Sohn will mit Biohort den Sprung in die USA schaffen. Ist dieser Markt das Risiko wert?

Priglinger: Für mich hat Europa noch so viel Potenzial. Wir brauchen Amerika nicht. Mein Sohn möchte es sich aber ansehen. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, den Markt kennenzulernen. Arbeit haben wir aber auch hier mehr als genug. Ich wollte nie so groß werden, ich wäre schon auf 30 Mitarbeiter stolz gewesen. Und die Lebensqualität steigt nicht mit der Unternehmensgröße. Aber ich habe Verantwortung für die Region hier. Das gibt Energie, weiter zu wachsen.

STANDARD: Sie bereiten seit Jahren die Übergabe an die nächste Generation vor und haben angekündigt, mit 65 Jahren Ihr Büro zu räumen. Das ist in einem Jahr.

Priglinger: Wer eine Firma aufgebaut hat, bleibt ein Leben lang Unternehmer. Ich habe zuletzt aber jedes Jahr einen Tag weniger gearbeitet. Ins operative Geschäft mische ich mich nicht mehr ein. Im Februar übergebe ich das Büro an meinen Sohn Maximilian. Ich bin kein Sesselkleber, zum Glück gesund und habe genug Hobbys. Sollte mich wer brauchen, dann klappe ich mein Notebook auf und rede mit den Leuten. Hausverbot bekomme ich ja keines. (Verena Kainrath, 28.5.2022)