Im Elektronenmikroskop sind links die entwickelten, annähernd ovalen Affenpockenviren erkennbar, rechts unterentwickelte Virionen.
Foto: Cynthia S. Goldsmith, Russell Regnery / CDC / Reuters

Manch einer fühlt sich an den Beginn der Corona-Pandemie erinnert, als viele das Risiko für eine schwerwiegende globale Gesundheitskrise noch als gering einschätzten. Affenpockenviren gelten als relativ ungefährlich und dürften sich in überschaubarem Ausmaß ausbreiten, heißt es. Für diese Einschätzung von Fachleuten gibt es auch plausible Grundlagen. Immerhin war das Monkeypox virus (MPV) bereits vor dem aktuellen Ausbruch bekannt.

Verwechselt werden können die typischen Pocken auf der Haut beispielsweise mit Windpocken oder Syphilis, sagt Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin der Klinik Schwabing, der zwei MPV-Patienten in München behandelte. Deshalb sei es wichtig, bei Hautveränderungen fachärztliches Personal zu befragen. Bisherige Fälle zeigen allerdings, dass es bei Affenpocken manchmal nur eine oder wenige Pusteln gibt, die vielleicht kaum auffallen.

Enger Kontakt auch beim Sex

Wendtner analysierte gemeinsam mit Roman Wölfel, dem Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, auch Körperflüssigkeiten der Betroffenen. Dabei zeigte sich, dass der Erreger teils im Sperma nachgewiesen werden konnte. Das bedeutet, dass die Viren auch durch Sex übertragbar sein könnten. Wölfel ist mit der Einschätzung jedoch vorsichtig: "Tatsächlich hat Sexualität nicht nur etwas mit dem Übertragen von Samenflüssigkeit zu tun, sondern in den meisten Fällen mit engem Körperkontakt." Daher sei noch nicht genau zu sagen, über welchen Weg das Affenpockenvirus beim aktuellen Ausbruch hauptsächlich übertragen wurde. Durch Superspreader-Events erkrankten nun zufällig überdurchschnittlich viele schwule und bisexuelle Männer sowie Transpersonen, doch auch Frauen und Kinder sind betroffen.

Um die Ausbreitung einzudämmen, ist es derzeit wichtig, Kontaktketten nachzuverfolgen und Betroffene isoliert zu behandeln. Langzeitfolgen sind selten, etwa ein narbiges Abheilen der Pocken, sagt Wendtner. Schwere und potenziell lebensgefährliche Verläufe seien bei Affenpocken bisher bei schlechter medizinischer Versorgung und bei Menschen mit erheblich geschwächtem Immunsystem aufgetreten.

DNA- und RNA-Viren

In solchen Fällen ließe sich auch eine Pockenimpfung mit dem Wirkstoff Imvanex in Betracht ziehen. Noch vier Tage nachdem jemand mit dem Virus in Kontakt gekommen ist, könne eine Impfung die Krankheit abwehren, schreibt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC. Auch ein milderer Verlauf und ein geringeres Risiko, andere anzustecken, sind dadurch möglich. Geimpft werde der Experteneinschätzung zufolge aber eher im Einzelfall, etwa bei besonders gefährdeten Kontakt- und Betreuungspersonen.

Diese Hautprobe stammt von einem Affen, der von MPV befallen war.
Foto: CDC / Reuters

Neben dem, was von bisherigen Ausbrüchen bekannt ist, zeigt auch die grundlegende Genetik des Virus, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vergleichbar mit Coronavirus-Varianten ausbreiten wird. So gibt es Unterschiede zwischen DNA-Viren, wie der Affenpockenvirus einer ist, und RNA-Viren, zu denen unter anderem Coronaviren gehören. DNA-Viren können prinzipiell ein größeres Genom haben. Der Erreger der Affenpocken beispielsweise hat ein etwa siebenfach größeres Genom als Sars-CoV-2.Noch ein Unterschied: "Bei der Vermehrung der DNA-Viren treten weniger Mutationen auf, daher sind sie sehr stabil", sagt Stephan Aberle, Virologe an der Med-Uni Wien. Sie haben mehr Reparaturmechanismen als RNA-Viren. Das heißt, dass sich nicht so schnell wie bei Covid-19 viele Varianten bilden.

50 Mutationen festgestellt

Wie genau sich die Affenpocken-Erreger, die derzeit anscheinend verstärkt von Mensch zu Mensch übertragen wurden, von früheren Formen unterscheiden, wird derzeit im Detail untersucht. "Wir haben bisher keine großen Veränderungen gesehen, die sofort ins Auge springen", sagt Wölfel, der das erste MPV-Genom in Deutschland beim aktuellen Ausbruch sequenzierte – das heißt: Er ließ es vollständig ablesen, um zu sehen, an welchen Stellen sich das Virus weiterentwickelt hat.

Ein Genom, das in Portugal sequenziert und veröffentlicht wurde, zeigt rund 50 einzelne Veränderungen im Vergleich mit einem Virus aus dem Jahr 2018. Ein Anzeichen dafür, dass MPV ungewöhnlich schnell mutiert ist? Wölfel erläutert, dass die Anzahl dieser punktuellen Abwandlungen allein noch nicht bedeutsam sein muss. "Es kann aber sein, dass winzige Veränderungen an der falschen Stelle große Auswirkungen haben." Auch eine einzelne Mutation könne etwa dazu führen, dass ein Gen blockiert oder enthemmt wird.

"Es ist noch etwas zu früh, um dem eine Bedeutung zu geben", sagt auch Aberle. Die aktuellen Analysen dürften in einigen Wochen aber ein klareres Bild von den Mutationen des Virus zeichnen – und im Zusammenspiel mit dem Infektionsverhalten des Erregers helfen, die Ausbreitung einzudämmen. (Julia Sica, 28.5.2022)