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Michael Ludwig fühlt sich in seiner Rolle als Krisenmanager wohl. Womöglich etwas zu wohl, wie der Parteitag der Wiener SPÖ am Samstag nahelegte. Einmal mehr kostete es der Wiener Bürgermeister dort aus, den unerschütterlichen Macher zu geben. Die augenscheinlichsten Mittel dazu: Die 2,5G-Regel bei dem roten Großevent in der Messe und die Beibehaltung der Maskenpflicht in den Wiener Öffis, die Ludwig vehement verteidigte.

So richtig Ludwigs Corona-Kurs inhaltlich ist, wird jedoch immer mehr klar: Ewig wird er die Pandemie-Karte nicht spielen können. Das ist ihm freilich bewusst. Um sich weiter als Krisenmanager gerieren zu können, krallte er sich in seiner Rede daher den Krieg in der Ukraine und die Teuerung. Hintangestellt blieb dagegen eine altbekannte Krise: der Klimawandel. Diese und der auch parteiintern ausgetragene Disput um den Lobautunnel erwähnte Ludwig vergleichsweise spät und lustlos.

Ludwigs Strategie ist klug und logisch. Das Image, Wien sicher durch turbulente Zeiten zu steuern, hat ihm und seiner mächtigen SPÖ-Landesorganisation geradezu berauschende Umfragewerte in der Bevölkerung beschert. Die Genossinnen und Genossen dankten es ihm, indem sie ihn mit 94,4 Prozent als Wiener Parteichef bestätigten.

Die Krise als Motor für den Höhenflug – das kennt auch Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner. Die Turbulenzen in der ÖVP haben die SPÖ in Umfragen auf Platz 1 katapultiert und die Diskussionen um ihre Person weggewischt. Ludwig träumte am Parteitag gar laut von einer roten Bundeskanzlerin.

Aber sonst? Welche Initiativen und Visionen aus eigener Kraft hat die Sozialdemokratie da zu bieten? Wenige, wie der Landesparteitag offenbarte. So viele altbekannte Forderungen (Ganztagsschule forcieren, Arbeitszeit verkürzen, Pensionen sichern) und Lobgesänge auf Errungenschaften des Roten Wien zu hören waren, so wenige innovative Ansagen und große Würfe wurden verlautet. Wie das geht, scheint die SPÖ angesichts der permanenten Krise vergessen zu haben. Doch klar ist: Die Sozialdemokratie muss auch wieder eigene Pflöcke einschlagen. Denn ewig wird sie sich nicht auf die Krisen verlassen können. (Stefanie Rachbauer, 28.5.2022)