Zum ersten Mal blühte im Botanischen Garten der Universität Wien eine Titanenwurz. Die Blüte begann am Sonntag um 14.30 Uhr, hieß es auf der Internetseite des Botanischen Gartens. Der Blütenstand kann mehr als drei Meter hoch werden und zählt zu den größten Blumen der Welt. Neben der beeindruckenden Größe fällt er durch einen bestialischen Gestank auf. Die Blütezeit währt nur etwa zwei Tage und ist laut den Forschenden eines der spektakulärsten Naturereignisse überhaupt.

Am Sonntag, dem erste Tag der Blüte, bemüht sich die Titanenwurz, besonders zu stinken.
Foto: STANDARD/Regine Hendrich

"Gigantischer unförmiger Penis"

Die Pflanze, deren lateinischer Name Amorphophallus titanum "gigantischer unförmiger Penis" bedeutet, konnte daher nur bis Montagabend in Wien-Landstraße besichtigt werden. Die Titanenwurz aus der Familie der Aronstabgewächse kommt aus Indonesien und lockt dort mit ihrem riesigen Blütenstand winzige Insekten an, die als Bestäuber dienen. Der große Kolben an der Spitze des Blütenstands erwärmt sich dabei und setzt einen Gestank frei, der an einen verwesenden Kadaver erinnert.

Das Wiener Exemplar stand zuvor im Botanischen Garten der Universität Salzburg, wo es 2019 mit einem über zwei Meter hohen Blütenstand geblüht hat. Die riesige Knolle der Pflanze hat seit ihrem Umzug nach Wien ihr Gewicht unter der Obhut von David Prehsler und Kollegen von der "Core Facility Botanischer Garten" auf 80 Kilogramm verdoppelt.

Die Titanenwurz im Botanischen Garten hat für regen Besucherandrang gesorgt.
Foto: APA/UNIVERSITÄT WIEN/JAN KNICKMANN

Wissenschaftliche Untersuchungen

Während der kurzen Zeit der Blüte führten Experten verschiedene Untersuchungen zur Bestäubungsbiologie der riesigen Blume durch, wie Florian Etl von der Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik der Uni Wien am Montag erklärte. Die Strategie der Titanenwurz ist es höchstwahrscheinlich, mit dem Gestank Aaskäfer anzulocken, sie rund 24 Stunden im unteren Teil der riesigen Blüte festzusetzen und dann als Träger ihrer Pollen wieder in die Umwelt zu entlassen. Dazu gebe es einige wenige Beobachtungen aus Sumatra.

Experten gehen auch davon aus, "dass es eine Fallenblume ist", wie auch einige andere Aronstab-Gewächse, sagte Etl. Dazu zählen übrigens auch der in Österreich heimische Gefleckte Aronstab oder Zimmerpflanzen wie Philodendron oder Calla. Die Fallentheorie wurde für die Titanenwurz allerdings "noch nie wirklich bewiesen". Dazu muss gezeigt werden, dass sich auf der Innenseite der kesselartigen Struktur Rutschflächen befinden.

Die Blüte aus der Nähe – und im unmittelbaren Dunstkreis ihres Lockstoffes.
Foto: STANDARD/Regine Hendrich

Schnitte am Kessel

Um zu beweisen, dass es sich um eine "Kesselfallenblume" handelt, entnahmen die Botaniker am Sonntag und Montag Proben von dem Kessel, dem prominenten Stab in der Mitte sowie den Blüten, die dann unter dem Elektronenmikroskop analysiert werden. Außerdem dokumentieren sie, wie es auf der Pflanze ausgesetzten Käfern ergeht.

Besonders am Sonntag – dem Tag mit der stärksten Geruchentwicklung – ließen sich womöglich beispielsweise rutschige Wachse finden, die bei Kontakt mit Insektenbeinen quasi abreißen, und die Tiere von der Gleitfläche am Kesselrand tiefer hinunter zu den Tausenden kegelförmigen weiblichen Blüten befördern. Der erste Tag der Blüte könne als "weiblicher Tag" bezeichnet werden, an dem sich die Pflanze bemüht, besonders zu stinken und damit Käfer anzulocken, die hoffentlich männliche Pollen von Artgenossen tragen.

Am 27. Mai hatte die Titanenwurz eine Höhe von knapp zwei Metern erreicht.
Foto: BGUW_B. Knickmann

Seltene Stinkerin blüht erst wieder in drei Jahren

Am Montag folgte der "männliche Tag", an dem die Pollen der aktuell blühenden Titanenwurz einen Träger suchen. Daher müssen die Aaskäfer gefangen bleiben. Die Pollen haben die Wiener Forscher dann gesammelt, sie sollen ebenso analysiert werden. Sie lassen nämlich auch Rückschlüsse auf den Bestäuber zu. Nach rund 24 Stunden in der Blüte können die Käfer dann wieder entkommen und sich auf den Weg zu einer anderen solchen, synchronisiert blühenden Pflanze machen. Diese sind jedoch eher selten in Sumatras Wäldern, was erklärt, warum sie sich derartige Mühe gibt, den Aasgeruch in der Umgebung zu toppen.

Die Wiener Blüte trägt den Namen "Willi".
Foto: STANDARD/Regine Hendrich

Nach dem Ende der Wiener Blüte, die zu Ehren des Wiener Botanikers und Erforschers der Aronstabgewächse Heinrich Wilhelm Schott (1794–1865) auf den Namen "Willi" getauft wurde, sei erst wieder in rund drei Jahren mit einem solchen Ereignis zu rechnen, erklärte Etl. (red, APA, 29.5.2022)