Ein gefährliches Spiel wirft die grüne Ministerin Leonore Gewessler der Industrie vor.

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Wien – Hohe Wellen schlägt ein geleaktes internes Papier, in dem die Industriellenvereinigung (IV) eine Aufweichung der Klimaziele erreichen will. Die IV bekenne sich zwar zum Klimaschutz, aber wegen der Ukraine-Krise dürfe man nicht zum politischen Tagesgeschäft zurückkehren. Konkret will die IV die Politik zu einer Klimaklausur zum Entwurf eines realistischen Fahrplans hin zur CO2-Neutralität einladen. Allein, bei den Grünen und Umweltschützern trifft der IV-Vorstoß auf grundsätzliches Unverständnis.

Weniger Tempo

"Wer jetzt wieder weg von den Klimazielen will und weniger Tempo fordert, führt uns direkt zurück in den Schoß von Wladimir Putin", kontert die grüne Energie- und Klimaministerin Leonore Gewessler gegenüber dem Kurier. Dies sei ein gefährliches Spiel und noch dazu unsinnig. "Wer Österreich auf dem Weg aus der Abhängigkeit von russischem Gas Steine in den Weg legt, spielt mit der Sicherheit und der Souveränität unseres Wirtschaftsstandorts", betont Gewessler.

Der Umweltschutzorganisation Global 2000 stößt der Wunsch der IV sauer auf, bestehende Gasheizungen nicht anzufassen: "Damit blockiert die IV eine sichere und saubere Wärmeversorgung für alle Menschen in Österreich." Die Industrie wolle 900.000 Haushalte in Gas-Geiselhaft halten. "Im Elfenbeinturm der IV hat man offenbar jedes Gespür für die Sorgen und Nöte der Menschen verloren", kritisiert Klima- und Energiesprecher Johannes Wahlmüller.

Ruf nach Unterstützung

Eine weitere Forderung der IV: "zielgerichtete Unterstützung statt Gießkannenprinzip". Damit meint sie die Forderung nach einer Strompreiskompensation im Volumen von 200 Millionen Euro, die der stromintensiven Industrie indirekte CO2-Kosten ersetzt. In der EU hätten diese Möglichkeit bereits 13 Staaten in Anspruch genommen, was die IV als einen "definitiven Wettbewerbs- und Standortnachteil für Österreich" ansieht. Mittelfristig gebe es keinen Ersatz für zwei Drittel der aus Russland stammenden Gasmengen, heißt es in dem IV-Papier weiter. "Russisches Gas ist mittelfristig alternativlos. Ohne Gas drohen Produktionsstillstand und Massenarbeitslosigkeit."

"Der schnelle Umstieg auf Erneuerbare und mehr Klimaschutz ist der einzige Weg raus aus der Abhängigkeit von Russlands Erdgas", entgegnete Gewessler. Es brauche mutige Entscheidungen und wirksame Gesetze. "Die Bremser und Blockierer hatten lange genug Zeit. Die Ausreden kennen wir mittlerweile."

Die IV erklärt zu dem geleakten Papier, dass sie ihre Positionen bereits kommuniziert habe. Beim Klimaschutz sei die Industrie kein Bremser, sondern Vorreiter. (aha, 29.5.2022)