Für Susanne Kaufmann steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt.

Foto: Susanne Kaufmann, Hotel Post Bezau by Susanne Kaufmann

Die Produktionshalle von Ingo Metzler.

Foto: Susanne Kaufmann, Hotel Post Bezau by Susanne Kaufmann

In Serpentinen schlängelt sich die Straße durch sattgrüne Wiesen aufs sogenannte Bödele hinauf und gewährt einen malerischen Ausblick bis zum Bodensee. Unten in den Tälern bilden die Häuser kleine Gruppen – das Setting im Bregenzerwald entspricht ganz dem alpinen Klischee. Nun ja, nicht ganz ... Denn inmitten der traditionellen Häuschen mit verwitterten Schindelfassaden mischt sich auffallend oft moderne Architektur.

Die Rede ist aber nicht von weißen Kuben, die im krassen Kontrast zur Umgebung stehen. Es wirkt alles recht stimmig, denn für die zeitgenössischen Gebäude wurden architektonische Traditionen der Region aufgegriffen und neu interpretiert. Die Fähigkeit zu diesem Spagat zeichne die Mentalität im Bregenzerwald aus, sagt die Unternehmerin Susanne Kaufmann. "Architektur und Handwerk haben hier einen hohen Stellenwert. Das inspiriert die ganze Region. Es gibt großes kreatives Potenzial im kleinen Bregenzerwald."

Geplanter Umbau

Das Hotel Post Bezau
Foto: Susanne Kaufmann, Hotel Post Bezau by Susanne Kaufmann

Auch sie selbst schöpft daraus. 2003 gründete sie eine Kosmetikmarke und wurde damit weltweit erfolgreich. Ihre Kundschaft reicht von New York bis Hongkong. Dabei wollte sie doch bloß eine eigene Beauty-Linie für das Hotel Post in Bezau, das seit fünf Generationen von ihrer Familie geführt wird, entwickeln.

"Ah, zu Susanne Kaufmann wollen Sie? Es heißt, sie will das schöne Hotel abreißen!", hört man mehrmals auf dem Weg zum Termin. Im Hotel Post angekommen, munkeln auch manche Gäste über die vermeintlichen Pläne. Und was sagt Susanne beim gemeinsamen Mittagessen dazu? "Das Gebäude ist in die Jahre gekommen, kann den modernen ökologischen Standards kaum mehr entsprechen oder klimaneutral werden."

Um für die nächsten Jahrzehnte wieder ein starkes Statement setzen zu können, wolle man neu bauen. Wobei "neu" nur bedingt richtig ist. Bestehendes wird wiederverwertet – vom Beton bis zu ganzen Zimmern. "Wir möchten mit dem Projekt zeigen, dass man auch Gebäude recyceln kann."

Aufgrund starker Schwankungen bei Verfügbarkeit und Preisen von Baumaterialien wird der ursprüngliche Zeitplan – kommenden Dezember wollte man für 14 Monate zusperren – adaptiert. Den Umbau wird jedenfalls Oskar Leo Kaufmann verantworten, der wie bereits sein Vater Architekt ist.

Holistischer Ansatz

Seine Schwester Susanne unterstützt Hoteldirektorin Stephanie Rist in strategischen Fragen. So soll das neue Hotel kleiner, das Konzept noch spitzer werden. "Wir konzentrieren uns auf Detox. Das beherrschen wir, und darin unterscheiden wir uns von anderen Wellness-Hotels", sagt Kaufmann. Man verfolge einen holistischen Ansatz: Ernährung, Sport, Schlaf und natürlich auch Beauty-Treatments mit den eigenen Pflegeprodukten.

Warum diese den Namen ihrer Erfinderin tragen, wenn sie doch dezidiert für das Hotel Post entwickelt wurden? "Ich war überrascht", erzählt Susanne Kaufmann von dem Moment, als sie die Tuben und Tiegel mit ihrem Namen darauf präsentiert bekam.

"Wieso soll da mein Name draufstehen?", habe sie ihr Team gefragt. "Sie hatten damals wohl eine Intuition, dass das Ganze über die Grenzen Bezaus hinausgehen werde." Sie sollten damit recht haben. Die Marke erlebe derzeit schnelles Wachstum in Märkten wie Österreich und Deutschland, wo das Unternehmen schon lange präsent ist, ebenso wie in Frankreich, Großbritannien und den USA. Auch der eigene Onlineshop wachse kräftig.

"Wir haben weltweit Kundschaft, die unseren Clean-Beauty-Ansatz schätzt. Es geht mir dabei nicht nur um Inhaltsstoffe, sondern auch um Verpackung, Herstellungsprozess, Materialbeschaffung und den Umgang mit Menschen. Das alles zählt für mich."

Behutsame Expansion

Das Labor, in dem er mit Susanne Kaufmann neue Rezepturen entwickelt.
Foto: Susanne Kaufmann, Hotel Post Bezau by Susanne Kaufmann

An über 350 Verkaufsstellen sind ihre Produkte erhältlich, zusätzlich natürlich auch im eigenen Onlineshop. Susanne Kaufmanns Ziel ist es, "global zu wachsen und dabei aber unsere Philosophie beizubehalten". Vor zweieinhalb Jahren hat sie sich hierzu einen Investor ins Boot geholt. Mehrheitseigentümer ist nun Manzanita Capital mit Sitz in London. Dort hat das Unternehmen "Susanne Kaufmann" nun auch ein Büro. Weiters gibt es noch einen Standort in München und ebenso einen in Bezau. Die Gründerin selbst ist für alles Kreative zuständig. "Produkte zu entwickeln ist, was ich am liebsten mache", sagt sie.

Das passiert gemeinsam mit dem langjährigen Geschäftspartner Ingo Metzler. Wenige Kilometer von Bezau entfernt steht dessen Bergbauernhof mit Hofladen und Produktion. Auf dem Freigelände vor dem Stall tollen Ziegenkitze herum. Zu ihrem Meckern gesellt sich das Geräusch von Kuhglocken. 20 Kühe hält Metzler und circa 100 Ziegen.

Bei der Erzeugung von Käse bleibt viel Molke übrig, aus welcher der Landwirt Kosmetikprodukte herstellt. Seine Expertise nutze Kaufmann bei der Entwicklung ihrer eigenen Beauty-Linie. Gemeinsam haben die beiden 2003 die ersten 24 Produkte entwickelt. Seither ist viel passiert.

Abfüllung per Hand

Aufgrund des großen Erfolgs der Kosmetik von Susanne Kaufmann musste Metzler expandieren. Im Jahr 2017 ließ er eine neue Produktionsstätte errichten. Die umfasst ein aus Holz gefertigtes Lager, ein kleines Labor, in dem Metzler und Kaufmann Rezepturen für neue Produkte entwickeln, und eine Schaugalerie, von der aus Gäste die Produktion beobachten können. 20 Personen stellen hier täglich circa 2.000 Susanne-Kaufmann-Artikel her.

Die Zutaten werden in Maschinen, die bis zu 300 Kilo fassen, über maximal drei Stunden zu Cremen und Lotionen gerührt. Teilweise erfolgt die Abfüllung per Hand – wie bei dem nächsten Produktlaunch: eine Reisegröße für Körperlotion und Shampoo, die aus einem einzigen Stück Kunststoff gefertigt ist, das zu 75 Prozent aus wiederverwertetem Kunststoff besteht und zu 100 Prozent recycelbar ist.

Im Zuge des im Mai abgeschlossenen Marken-Refreshs samt leicht adaptiertem Logo hat man noch nachhaltigere Verpackungslösungen und neue hochwertige Inhaltsstoffe aus dem alpinen Raum gesucht. Bei der gesamten Wertschöpfungskette wird auf Regionalität geachtet.

Nachhaltigkeit im Mittelpunkt

Kaum zu glauben, dass die ganze Welt aus der Produktionshalle im Bregenzerwald aus beliefert wird. Auch Vertriebspartner in anderen Ländern sind zu nachhaltigem Vorgehen angehalten: "Ich kommuniziere viel mit den Retailern, motiviere sie, früh genug zu bestellen, damit wir die Artikel umweltfreundlicher transportieren können und sie nicht per Flugzeug verschicken müssen. Ich habe auch beim Launch der neuen Verpackungen unsere Handelspartner gebeten, die Ware im bisherigen Design nicht zurückzuschicken, um sie auszutauschen. Das wäre nicht mit unserer Philosophie, bei der Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht, vereinbar", erzählt Susanne Kaufmann.

Bei all dem vorbildlichen Verhalten fragt man sich: Hat diese Frau denn gar keine Laster? "Bei einem guten Wein kann ich schwer widerstehen", lacht sie. Den gibt es beim gemeinsamen Mittagessen im Hotel leider nicht – würde aber auch nicht wirklich zum Detox-Menü passen. (Michael Steingruber, RONDO, 3.6.2022)