Für viele seiner Fans überstrahlt Musks beruflicher Erfolg all seine Verfehlungen.

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Ist Elon Musk ein Lügner? Viele bezeichnen ihn als Visionär, dessen Vorhersagen meistens, aber eben nicht immer eintreffen. Kritik an ihm sei in erster Linie Neid, ist oft zu lesen. Mit knapp 96 Millionen Followern – oft im wahrsten Sinne des Wortes – auf Twitter und seiner auch wegen finanzieller Interessen, Stichwort Kryptoszene, loyalen Gefolgschaft, hat der US-Unternehmer viel Rückenwind bei seinen zahlreichen Online-Auftritten.

Viele seiner Aussagen werden allerdings mittlerweile als Marktmanipulation verstanden. Widersprüchliche oder rechtswidrige Aussagen werden akribisch festgehalten, was auch dank Musks offenherziger Kommunikation auf Social Media einfach vollzogen ist. Da aktuell eine Klage mehrerer Twitter-Aktionäre auf den Tesla-Chef wartet, scheint es ein guter Zeitpunkt zu sein, einige von Musks Aussagen genauer anzusehen.

Kauf von Twitter "einfrieren"

Musk hat auf Twitter knapp 96 Millionen Follower, die er regelmäßig mit Witzen, Fotos und Informationen zu seinen nächsten Entscheidungen versorgt. Der Kauf dieser Nachrichtenplattform sorgte für große Wellen, auch weil Musk sich entgegen den am Horizont aufbäumenden Regulierungsvorschlägen der EU für mehr Meinungsfreiheit und weniger Moderation auf der Plattform starkmacht.

Sein größter Bluff war allerdings, als er den Kauf "einfrieren" lassen wollte. Angemerkt sei, dass eine Pausierung solch eines Deals rein rechtlich gar nicht möglich ist, immerhin hat er einen verbindlichen Vertrag zur Übernahme unterschrieben. Es handelt sich also eher um ein öffentliches Signal von Musk. Analysten mutmaßten insofern schon damals schnell, dass es ihm in Wirklichkeit darum gehen könnte, den Preis für den Deal zu senken.

Diesem Urteil schließen sich jetzt auch mehrere Twitter-Aktionäre an. Zunächst einmal habe Musk vor Bekanntgabe seiner Übernahmepläne neun Prozent von Twitter gekauft, was man laut US-Gesetz innerhalb von zehn Tagen hätte öffentlich machen müssen. Musk überschritt diese Frist um das Doppelte. Weiters habe Musk Tweets veröffentlicht und öffentliche Statements gemacht, um Zweifel an dem Deal zu nähren und den Preis nach unten zu treiben, um später aus dem Vertrag aussteigen oder zumindest den Preis neu verhandeln zu können, heißt es vonseiten der Kläger. Sein Vorgehen sei illegal und widerspreche den vertraglich getroffenen Vereinbarungen.

Musk sagt, er sei in armen Verhältnissen aufgewachsen

Musks Vater, selbst Ingenieur, besaß laut mehreren Zeitungsberichten unter anderem eine Smaragdmine. "Business Insider South Africa" titelte 2018, nachdem das Nachrichtenmagazin mit Musks Vater gesprochen hatte, dass der junge Elon Smaragde aus der Familie an Tiffany und andere Schmuckanbieter verkaufte. "Wir waren sehr reich," wird Errol Musk zitiert, "manchmal konnten wir den Safe wegen des vielen Geldes nicht schließen".

Ende 2019 wurde Elon auf Twitter mit dieser Behauptung konfrontiert: "Er besaß keine Smaragdmine, und ich habe mich selbst durch das College gearbeitet. Letztendlich hatte ich 100.000 US-Dollar Studentenschulden", sagte er selbst.

Sein erstes Unternehmen Zip 2, das Musk mit seinem Bruder Kimble startete, finanzierte er sich nach eigenen Aussagen selbst, indem er in der Nacht zusätzlich für Aufträge programmierte. Mehrere Quellen sprechen jedoch davon, dass der Start dieser Online-Version der Gelben Seiten durch die Eltern der beiden Brüder finanziert wurde. Warum es zu diesen widersprüchlichen Aussagen kommt, kann nur vermutet werden, da sich die beiden Musk-Männer in nur einer Sache einig sind: Sie mögen einander nicht besonders.

Musk war Mitgründer von Paypal und Tesla

Die Softwarefirma Confinity wurde 1999 zu Paypal, und deren Gründer waren Peter Thiel, Max Levchin und Luke Nosek. Ein Jahr später fusionierten sie mit der Onlinebank X.com, die Musk mit drei Co-Foundern im März 1999 ins Leben rief. Zunächst sollte das Ergebnis der Fusionierung X.com heißen, doch Umfragen zeigten, dass potenzielle Kunden bei dem Namen X.com ein zwielichtiges Unternehmen mit pornografischem Hintergrund vermuteten, deshalb wurde die Firma dann doch Paypal getauft. Da Musk nicht offiziell Gründer dieser Firma war und das in den ersten Pressemitteilungen auch so kommuniziert wurde, ließ Musk die Statuten ändern und musste von diesem Zeitpunkt als Gründer genannt werden.

Auch die Gründung besagter Online-Bank X.com hinterließ einen fahlen Nachgeschmack. Innerhalb von nur einem Jahr verlor Musk alle drei Co-Gründer. Bei ihren Austritten ließen die US-Unternehmer wissen, dass Musk das Produkt völlig falsch darstellte und die Öffentlichkeit täuschte. "Wir versprachen die Sonne, den Mond und die Sterne für die Medien", sagte damals etwa der Co-Founder und Finanzexperte Harris Fricker.

2002 wurde Paypal von Peter Thiel an Ebay für 1,5 Milliarden Dollar verkauft. Musk erhielt 180 Millionen aus diesem Deal und investierte in neue Firmen – Tesla und Space X.

Peter Thiel lernte Musk bei Paypal 1999 kennen. Über 20 Jahre später gehört eben jener Thiel zu den privaten Investoren der Boring Company von Musk.
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Tesla

Das E-Auto-Unternehmen wurde von Martin Eberhard und Marc Tarpenning im Jahr 2003 gegründet. Als Tesla auf der Suche nach Investoren war, trafen sie auf Musk, der durch den Paypal-Verkauf Geld zur Verfügung hatte. 2004 investierte er 30 Millionen Dollar in Tesla und verlangte dafür, als Vorstandsvorsitzender genannt zu werden. Nachdem sein Name in einem 2006 erschienenen "New York Times"-Artikel über Tesla nicht aufschien, schrieb er an die Tageszeitung: "Ich war unglaublich beleidigt und beschämt von diesem Artikel, wo ich quasi nicht erwähnt und gleichzeitig Martin als Vorstand genannt wurde." Sollte sowas noch einmal vorkommen, schrieb Musk weiter, würde man die PR-Aktivitäten mit der Tageszeitung einstellen. Man solle sich künftig korrekter verhalten.

2011 ersetzte Musk Ze’ev Drori als CEO. Eberhart musste die Firma ebenfalls verlassen, Musk ließ sich ab sofort auf allen Kommunikationskanälen als Co-Founder von Tesla bezeichnen. Martin Eberhard, dem via Zertifikat versichert wurde, den ersten Tesla Roadster zu bekommen, musste sich ebenfalls einmal mehr mit falschen Versprechungen zufriedengeben. Sein versprochenes Auto schickte Musk medienwirksam ins All.

Cybertruck und autonomes Fahren

2018 sagte Musk in einem Interview, der Cybertruck würde 2019 auf den Markt kommen. Damals war nachgewiesenermaßen weder eine dafür geeignete Fabrik mit der Produktion beschäftigt, noch präsentierte Musk einen anderen Beweis für seine Aussagen. 2021 war das futuristische Auto dann endlich auf der Website zum Kauf verfügbar, wurde dort aber bald mit dem Hinweis versehen, dass sich der Release auf 2022 verschieben werde. Zumindest gibt es mittlerweile Eindrücke von dem Auto, und produziert wird in Texas. Laut Musk soll das Auto mit der neuesten Version des Full-Self-Driving-(FSD-)Computers ausgerüstet sein.

AI Addict

Dieses autonome Fahren verspricht Musk seit etwa zehn Jahren regelmäßig – meist für das kommende Jahr. Zwar testet Tesla solche Systeme tatsächlich seit einiger Zeit, der aktuelle Status ist aber noch weit davon entfernt, dass diese Geräte wirklich komplett ohne menschliche Aufsicht fahren könnten. Teslas Vorgehen hatte dabei auch immer wieder für Kritik gesorgt, da man hier einen Betatest im öffentlichen Verkehr durchführt – und ohne professionelle Aufpasser, was immer wieder zu Unfallvideos führt, die im Netz auftauchen. Klar, irgendwann wird die Prognose eintreffen, wenn man sie nur lange genug wiederholt – aber für 2023 sehen Experten dieses Feature noch nicht voll funktionsfähig im Einsatz.

CNBC

Boring Company und Hyperloop

Verkehrsstaus seien eine große Last der Gegenwart, betont Elon Musk seit knapp zehn Jahren und ließ in zahlreichen Interviews und auf diversen Präsentationen wissen, wie er dieses Problem lösen wolle: mit Tunnels, die unter Städten gebaut und von selbstfahrenden Autos oder Taxis bevölkert werden. Technisch gelöst ist der Transport so, dass Autos – Tesla – auf kleinen Plattformen zum Ziel transportiert werden. Dank Kameras und Sensoren würden die Autos merken, wann sie wie schnell fahren würden. Diese Idee würde den "Verkehr revolutionieren", sagte Musk etwa gegenüber CBS im Jahr 2018, dem offiziellen Gründungsjahr der Boring Company.

Versprochen wurde diese Umsetzung in Rekordzeit und vergleichsweise günstig. Beide Einschätzungen haben sich als falsch erwiesen. Das Pilotprojekt in Las Vegas verfügt bisher über lediglich drei Stationen, in denen bereits erste Staus entstehen, wie man in veröffentlichten Videos sehen kann.

Nicht verwechselt werden darf dieses Projekt mit dem Whitepaper rund um Hyperloop, das Musk ebenfalls Anfang der 2010er-Jahre vorstellte. Dabei handelt es sich um ein in der Entwicklung befindliches Hochgeschwindigkeitsverkehrssystem, bei dem sich Kapseln in einer weitgehend luftleeren Röhre auf Luftkissen gleitend mit nahezu Schallgeschwindigkeit fortbewegen sollen. Von diesen "long distance"-Projekten, also etwa unterirdisches Reisen zwischen Los Angeles und New York, ist man viele Jahre nach der Ankündigung jedoch noch immer meilenweit entfernt. Generell sei die Idee "die Essenz eines elitären Weltbildes", schrieb auch der Autor Jarret Walker. Sein "Hass auf geteilten Raum", etwa in Form von Zügen, sei ein Luxus, den sich nur die Reichen leisten könnten. Elon Musk antwortete damals auf Twitter: "Du bist ein Idiot."

Bisher hat das Projekt rund 675 Millionen Dollar an Finanzierungen eingesammelt, darunter etwa private Investoren wie Peter Thiel oder Sequoia Capital. Musk ist weiterhin von dem Projekt überzeugt und verspricht weiterhin den Bau eines großen Hyperloop-Netzes. Zeitpunkte nennt er aktuell keine. Dieses funktionierende Netz sei ein Projekt für die "kommenden Jahre", wie er auf Twitter schreibt. Bis dahin werden die meisten Menschen wohl einfach mit der U-Bahn oder dem Zug fahren.

Foto: Wall Street Journal

Mann vom Mars

Träumen darf man – speziell als Tech-Visionär. Das haben schon vor Musk viele getan und werden auch nach Musk viele zu Recht wagen. Im Gegensatz zu seiner Konkurrenz in diesem Bereich biegt der US-Unternehmer allerdings die Wahrheit gern zu seinen Gunsten, schert sich oft wenig um rechtliche Vorgaben und zeichnet immer öfter Visionen von Dingen, wo er wohl selbst wissen muss, dass der anvisierte Zeithorizont nicht erreicht werden kann. Egal ob es um bemannte Marsmissionen geht – die er vor zehn Jahren in mehreren TV-Interviews vollmundig mit einem ebenfalls ambitionierten Zeithorizont von zehn Jahren ankündigte – oder humanoide Tesla-Bots. Letzteren will Musk übrigens nicht wie versprochen im August, sondern erst am 30. September präsentieren, wie er Anfang Juni via Tweet wissen ließ. Dann aber als funktionierenden Prototypen.

Der Roboter mit dem klingenden Namen Optimus, soll laut Tesla-Chef simple und sich wiederholende Aufgaben meistern können, etwa in den vielen Tesla-Fabriken von Musk. Ein Projekt, das der Unternehmer aktuell laut Insidern in der Prioritätenliste ganz nach oben gesetzt hat, damit bereits 2023 erste Roboter vom Fließband laufen können. Experten nennen diesen Zeitplan, auch aufgrund des bekannten Status Quo, "ambitioniert". (aam, 5.6.2022)